26 Feb 2016
Studieren in Shanghai, Peking oder Suzhou

Interview mit Chinaexperte Robert van Kan

Besuch aus dem "Reich der Mitte": Chinaexperte Robert van Kan zu Gast bei College Contact

Wenn jemand weiß, wie es in China zugeht, dann ist es Robert van Kan. Der Geschäftsführer des Bildungsnetzwerks Edvance Education International hat die letzten 25 Jahre größtenteils in Peking gelebt und weiß, was ein Studium in China einzigartig macht. Ein Gespräch über drei unterschiedliche Semesterprogramme in China, die Studienstandorte Shanghai, Peking und Suzhou und vermeintliche Sprachbarrieren.

College Contact:
Robert, kannst du uns als Erstes eine kurze Einführung geben, wie die Arbeit von Edvance Education International in China aussieht, mit einem speziellen Fokus auf Studenten?

Robert van Kan:
Edvance Education International ist ein Beratungsunternehmen für akademische Bildung mit Sitz in Peking. Wir sind darauf spezialisiert, akademische Kooperationen und studentische Mobilität zwischen Europa und China zu fördern. Das gilt für Studenten aus Europa, die in China studieren möchten, aber auch für Studenten aus China, die es für ein Studium nach Europa zieht. Wir fördern also studentische Mobilität in beide Richtungen.

Wir arbeiten mit Hochschulen in Europa und China zusammen und helfen ihnen, ihre Ziele zu verwirklichen. Also fördern wir zum Beispiel die Vermarktung und erschließen neue Recruiting-Kanäle. In manchen Fällen rufen wir auch eigene Programme mit Hochschulen ins Leben, wenn wir glauben, dass sie von einer bestimmten Gruppe besonders nachgefragt werden. Das ist im Großen und Ganzen das, worin unsere Arbeit besteht. Abgesehen davon, sind wir als traditionelle Beratungsfirma für Universitäten tätig. Das ist aber nicht auf Studenten bezogen.


College Contact:
In eine bislang unbekannte Kultur eintauchen, die eigenen Berufschancen erhöhen oder China als Wirtschaftsweltmacht erleben - es gibt viele Gründe für ein Studium in China. Allerdings berichten deutsche Medien auch regelmäßig über die politische Situation in China und über die chinesische Internetzensur. Inwiefern ist man als internationaler Student in China im täglichen Leben von all dem tatsächlich betroffen?

Robert van Kan:
Ich denke schon, dass man sagen kann, dass Studierende damit konfrontiert werden, denn wenn sie nach China reisen und versuchen Facebook zu öffnen, funktioniert das beispielsweise nicht. Das ist allerdings kein Problem, denn man kann sich eine VPN-Software auf den PC runterladen und dadurch auf Facebook zugreifen. Es gibt also Möglichkeiten, darum herumzukommen. Das größere Problem ist, dass die Internetverbindung in China langsamer ist als hier, aber das ist ein technisches und kein politisches Problem.

Natürlich gibt es politische Einschränkungen in China, aber sie haben keine direkte Bedeutung für Studierende und das Studentenleben. Am ehesten sind chinesische Studenten davon betroffen, denn im Gegensatz zu internationalen Studenten müssen sie die politische Ideologie lernen. Aber die Menschen auf den Straßen in Peking und Shanghai bewegen sich genauso frei, wie sie es hierzulande tun. Man fühlt sich nicht wie in einem Polizeistaat.

In den meisten Fällen ist es sogar so, dass sich die Menschen noch freier fühlen. Aus dem Westen zu kommen, bedeutet in China immer noch, einen bestimmten gesellschaftlichen Status zu haben, quasi zur Elite zu gehören. Viele Menschen aus dem Westen sind wohlhabender als die einheimische Bevölkerung. Also es ist möglich, ein sehr freies und angenehmes Leben in China zu führen. Als Student kommt man mit politischen Angelegenheiten nicht in Berührung.


College Contact:
Lass uns einmal auf die verschiedenen Studienmöglichkeiten in China zu sprechen kommen. College Contact vermittelt in Kooperation mit Edvance Education International drei verschiedene Semesterprogramme an drei Universitäten.

"Offen, cool, dynamisch und aufregend" - so beschreibt Robert die chinesische Weltstadt Shanghai.

Robert van Kan:
Genau. Wir haben drei sehr unterschiedliche Programme in drei sehr unterschiedlichen Städten. Für die Entscheidungsfindung ist es also wichtig, sich darüber klar zu werden, in welche Stadt man gerne möchte. Die Fudan University liegt in Shanghai, die University of International Business and Economics (UIBE) in Peking und die Xi’an Jiaotong-Liverpool University (XJTLU) in Suzhou.

Shanghai ist die weltoffenste der drei Städte. Im Stadtzentrum stößt man auf deutsche Häuser und französische Villen. Die Stadt vermittelt mit ihren modernen Hochhäusern mehr ein europäisches als ein typisch chinesisches Gefühl. Es leben auch über eine Millionen Ausländer in Shanghai: Geschäftsleute, Anwälte, Banker und Menschen, die schicke Anzüge tragen und viel Geld machen. Also die Atmosphäre in Shanghai ist sehr offen, cool, dynamisch und aufregend. Viele Menschen sagen, es ist wie in Tokio oder New York. Ich glaube, Shanghai bietet den attraktivsten und einfachsten Einstieg in die chinesische Welt.

In der Hauptstadt Peking spielen Politik und Kultur eine größere Rolle. Natürlich sind auch in Peking alle großen Unternehmen aus Shanghai präsent und es gibt auch dort über eine Millionen Ausländer. Die ganze Infrastruktur ist an internationale Standards angepasst. Aber es fühlt sich ganz anders an in Peking. Shanghai ist eine kleinere Stadt mit 20 Millionen Einwohnern. Die Straßen sind kleiner, die Gebäude höher. Peking erinnert mit ihren breiten Prachtstraßen und der flachen Bebauung immer noch an eine Kaiserstadt und ist weniger dicht besiedelt. Letztlich ist Shanghai die Finanzmetropole, in der Geld traditionell eine wichtige Rolle spielt. In Peking findet man dagegen mehr Journalisten, Diplomaten und NGOs und trifft auf die unterschiedlichsten Menschen. Kurz gesagt: Shanghai ist eine internationale Stadt und Peking ist eine eher typisch chinesische Stadt.


"Man kann [von Suzhou] also nachmittags zum Shoppen nach Shanghai fahren."


Suzhou ist komplett anders. Sie ist bei weitem die älteste der drei Städte, rund 2500 Jahre alt, und wird auch das „Venedig von China“ genannt. Das alte Stadtzentrum besteht aus schmalen Wasserkanälen, Brücken, Pagoden und Tempeln. Die Stadt ist wirklich hübsch und malerisch, wie das richtig alte China. Suzhou ist auch eines der beliebtesten Touristenziele im Land. Es gehört mit seiner Stadtmauer zu den alten historischen Städten, ist aber von einer hoch entwickelten Wirtschaftszone umgeben. Suzhou ist die Stadt in China mit dem drittgrößten Bruttoinlandsprodukt. Die meisten multinationalen Unternehmen sitzen hier. Außerdem ist Shanghai nicht weit entfernt. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug ist man in 23 Minuten dort. Man kann also nachmittags zum Shoppen nach Shanghai fahren. Zwischen diesen drei Städten können Studierende wählen.


College Contact:
Inwiefern unterscheiden sich auch die Semesterprogramme der drei Universitäten?

Robert van Kan:
Die Programme in Peking und Shanghai sehen auf dem Papier sehr ähnlich aus: eine Mischung aus Sprachkursen und akademischen Kursen. Die Kurse aus den Bereichen BWL und Kultur haben einen Chinafokus. Man kann sagen, dass die UIBE mehr einer Fachhochschule und die Fudan University eher einer Universität ähnelt. Aber in China selbst gibt es diese Art der Unterscheidung nicht.

Das Programm in Suzhou ist etwas ganz anderes, denn die XJTLU ist aus einem Zusammenschluss der Jiaotong-University Xi’an und der University of Liverpool hervorgegangen und bietet fast das komplette Studienangebot aus Liverpool an: Bachelor- und Masterstudiengänge in Bereichen wie Ingenieurwesen, Urban Design, Architektur, IT oder Informatik - alle auf Englisch und daher leicht zu verstehen. Die Universität ist zum Beispiel sehr interessant für Ingenieurstudenten, die ihr Fach einmal aus einer chinesischen Perspektive betrachten möchten.


College Contact:
Sind die Study-Abroad-Programme der drei Universitäten auch für Studenten interessant, die etwas anderes als BWL studieren?

Robert van Kan:
In unseren Programmen in Peking und Shanghai sind natürlich ein Großteil der Teilnehmer BWL-Studenten, aber wir haben auch immer mehr Studierende aus den Bereichen Ingenieurwesen oder Umweltwissenschaften. Für Ingenieure, IT-ler oder Nanotechnologen wird es immer wichtiger, Geschäfte mit China zu machen. Aber natürlich ist die Fächerauswahl in Shanghai begrenzt und man ist auf eine bestimmte Disziplin beschränkt.

An der XJTLU kann man dagegen alles belegen. Es ist auch möglich, Kurse aus verschiedenen Fächern zu mischen, wenn die Heimatuniversität das unterstützt. Als Ingenieurstudent kann man zum Beispiel neben ingenieurwissenschaftlichen Kursen zusätzlich BWL-Kurse belegen und noch dazu ein bisschen Chinesisch lernen. Ich glaube, das macht das Semesterprogramm der XJTLU wirklich attraktiv.


Das "Venedig von China" entdecken: Sogar der Campus der XJTLU in Suzhou ist von einem Wasserkanal durchzogen.

College Contact:
Und in Suzhou studieren internationale Studenten Seite an Seite mit einheimischen Studenten aus China.

Robert van Kan:
Ja stimmt natürlich, das ist ein weiterer Unterschied. Das liegt daran, dass an der XJTLU alle Programme englischsprachig sind. Daher sitzen internationale Studenten in den Kursen zusammen mit chinesischen Studenten.


College Contact:
Also ist es nicht unbedingt notwendig, Chinesischkenntnisse zu haben, um an dem Semesterprogramm teilzunehmen? Wird die Sprachbarriere überhaupt zu einem Problem?

Robert van Kan:
Die Frage können am besten Studenten beantworten, die bereits an der XJTLU studiert haben. Menschen, denen man auf der Straße begegnet, sprechen nur wenig Englisch. Aber das ist überhaupt kein Problem, man findet sich auch so zurecht. Immer mehr junge Menschen sprechen Englisch. Außerdem sind die Chinesen sehr freundlich und locker, auch gegenüber den Lehrkräften. Die Dozenten sind zugänglich und die Klassengrößen sind klein und persönlich. Also ich habe nie davon gehört, dass internationale Studenten in China Sprachprobleme bekommen haben.


"Also ich habe nie davon gehört, dass internationale Studenten in China Sprachprobleme bekommen haben."


College Contact:
Die Studienprogramme sind ebenfalls englischsprachig.

Robert van Kan:
Ja, die Unterrichtssprache ist Englisch und auch die Mitarbeiter im Support sprechen Englisch. Man kann alles auf Englisch erledigen. Und wenn du als Student unterwegs bist, beispielsweise beim Shopping oder Sightseeing oder auf dem Weg zu einer Party, dann wirst du kein Sprachproblem haben. Wie man ein Taxi ruft, weiß man nach zwei Tagen und auch wie man die Metro benutzt, lernt man sehr schnell. Außerdem sind alle Schilder in China in Pinyin (die lateinische Umschrift der chinesischen Schriftzeichen) beziehungsweise zweisprachig beschriftet. Ich glaube, die Leute finden sich hier schnell zurecht. Allerdings denke ich, dass Studierende, die mit dem Gedanken spielen, in China zu studieren, ein bisschen Flexibilität mitbringen sollten.


College Contact:
Inwiefern?

Robert van Kan:
In Bezug auf die Mentalität. Auch wenn man sich in einer internationalen Stadt wie Shanghai befindet, ist es immer noch China. Die Chinesen haben ihre eigene Art und Weise, Dinge zu tun und zu organisieren. Natürlich gehen die Menschen in Spanien und Frankreich manche Dinge auch anders an als hier. Aber der Unterschied im Vergleich zu China ist schon größer. Es ist gut, wenn man zu sich selbst sagen kann: „Hey, hör mal, ich werde jetzt nicht direkt alles kommentieren, was hier anders abläuft, als ich es gewohnt bin. Ich lasse es auf mich zukommen und schaue, was passiert.“

Man braucht in China einfach eine gewisse Flexibilität. In Deutschland zum Beispiel wird vieles schon lange im Voraus organisiert, aber in China passiert das oft erst in letzter Minute und wird flexibel gehandhabt. Funktionieren tut beides, aber die Chinesen gehen die Dinge eben oftmals erst am Tag vorher an. Das gehört zur chinesischen Kultur dazu.

Manche Studenten müssen sich erst an diese Unterschiede gewöhnen. Wenn in China beispielsweise ein gesetzlicher Feiertag auf einen Dienstag fällt, dann ist oftmals auch der Montag frei. Das bedeutet aber, dass man sehr wahrscheinlich am Sonntag davor oder danach arbeiten beziehungsweise zur Uni gehen muss. Das wird nicht immer deutlich und weit im Voraus kommuniziert und niemand stellt so etwas infrage. Für Studenten aus Europa ist das natürlich ungewohnt und erst einmal schwer zu akzeptieren, aber man muss einfach ein bisschen flexibel sein.

Während eines Auslandsstudiums in China haben Studenten die Chance, ein Gefühl für das traditionelle China zu entwickeln.


College Contact:
Und welche Optionen haben Studenten aus Europa, denen es nach ihrem Auslandssemester so gut gefallen hat, dass sie noch weiter in China studieren möchten?

Robert van Kan:
Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten. China möchte eines der wichtigsten Studienländer für internationale Studenten werden. Daher rufen sie sehr schnell viele neue Studienprogramme ins Leben. An der XJTLU, aber auch an unseren anderen Partneruniversitäten, gibt es zum Beispiel verschiedene englischsprachige Masterprogramme. Die UIBE bietet sieben oder acht Studiengänge im Bereich Wirtschaft an. Die XJTLU wiederum hat eine Reihe von ingenieurwissenschaftlichen Programmen und Studiengänge in vielen weiteren Fachrichtungen im Angebot. Also die Auswahl an englischsprachigen Programmen ist groß und ich denke, man zahlt dafür weniger, als in den USA oder Australien.


College Contact:
Robert, vielen Dank für das interessante Gespräch!


Ihr seid bereit für das Abenteuer China und euch reizt der Gedanke, in China zu studieren? Auf unserer Website könnt ihr euch direkt über unsere chinesischen Partnerhochschulen informieren und die passende Studienoption für euch finden. Bei den Vorbereitungen erhaltet ihr natürlich Unterstützung durch unser Beratungsteam.