6 Dez 2016
"Höher, schneller, weiter"

Sportingenieurwesen an der Sheffield Hallam University

Sportbegeistert? Technikinteressiert? Dr. David James von der Sheffield Hallam University sieht im Studiengang Sportingenieurwesen die perfekte Kombination aus beidem.

Goal Line Technology, Fitness Tracker App oder der Laufschuh der Zukunft: Das alles sind Erfindungen, an denen Sportingenieure nach Studienabschluss arbeiten – oft sogar bereits schon während ihres Studiums. Das Fach Sportingenieurwesen eröffnet eine Karriere nicht nur in dem für viele sehr attraktiven Sportindustriesektor, sondern auch in Bereichen wie der IT-Branche.

Wie aber einen Fuß bei namhaften Herstellern oder Sportunternehmen in die Tür kriegen? Einen entscheidenden (Spiel-)Vorteil kann ein Auslandsstudium liefern. Das weiß Dr. David James von der Sheffield Hallam University aus eigener Erfahrung. Wir haben im Rahmen unserer MINT-Kampagne mit dem Sportingenieur über die neuesten Erfindungen, den hohen Praxisanteil im Studium und den Mehrwert einer Auslandserfahrung für die Karriere gesprochen.


College Contact:
Sportingenieurwesen ist als Studiengang verhältnismäßig neu. Was macht den Studiengang unter den MINT-Fachrichtungen einzigartig?

Dr. David James:
Stimmt, es ist ein junger Studiengang. Obwohl Ingenieure im Sport schon sehr lange eine Rolle gespielt haben, sogar schon bei den Olympischen Spielen in der Antike und dort versuchten haben, die Performance von Athleten und deren Ausstattung zu verbessern. Es gibt Beweise für die frühe Verwendung von Spitzentechnologie und angepassten Hilfsmitteln im Sport. Allerdings wurde erst in den 1990er Jahren eine eigenständige akademische Fachrichtung daraus.

Sportingenieurwesen umfasst alles: Vom Entwerfen eines Designs aus Carbon-Bauteilen für die neuesten Rennräder bis hin zum Programmieren einer Fitness Tracker App, die jemanden, der aktuell keinen Sport treibt oder sich zu wenig bewegt, dazu bringt aktiver zu werden. Es ist also eine sehr breitgefächerte Disziplin.

Ich glaube, was das Fach Sportingenieurwesen wirklich einzigartig macht, ist die Tatsache, dass es ein fächerübergreifender Studiengang ist. Es vereint mehrere Studiengänge des Ingenieurwesens in sich: Maschinenbau, Elektrotechnik, aber auch viel Human Factors Engineering – das Verständnis davon, wie Menschen mit ihrer Umwelt interagieren und die Technologie, die sie dafür verwenden. Auch Inhalte aus der Psychologie, Ergonomie und der Biomechanik fließen ein.

College Contact:
Sie sind ein führender „Science Communicator“, also jemand, der Wissenschaft gut vermitteln kann. Können Sie uns in einfachen Worten erklären, warum wir technische Innovation brauchen, um die Leistung unser Spitzensportler oder unsere eigene zu verbessern?

"Technologie ist ein Impulsgeber, der es erlaubt, den Sport weiterzuentwickeln."

Dr. David James:
Ich glaube, es ist ein sehr natürliches Streben des Menschen, sich selbst verbessern zu wollen. Diese olympische Idee des „Höher, Weiter, Schneller“: Darum lieben wir es, bei den Olympischen Spiele zuzuschauen. Beim Beobachten herausragender sportlicher Leistungen fiebern wir mit und lassen uns inspirieren. Technologie und Ingenieurwissenschaften haben daran meiner Meinung nach einen großen Anteil, weil sie dazu beitragen, den Sport weiterzuentwickeln.

In der Tat haben sich viele grundlegende Zeitabschnitte in der Geschichte des Sports aufgrund von technologischen Einflüssen verändert: Neue Materialien, neue Laufstrecken, neue Spielfeldbeläge, neue Fahrräder und so weiter. Technologie ist ein Impulsgeber, der es erlaubt, den Sport weiterzuentwickeln. Viele Erfindungen des Sportingenieurwesens haben es Spitzensportlern erst ermöglicht, noch professioneller zu werden. Sie haben aber auch bestimmte Sportarten für fortgeschrittene Sportler oder Gelegenheitssportler leichter zugänglich gemacht.

Ein geschichtsträchtiges Beispiel ist die technische Weiterentwicklung des Tennisschlägers. Tennisschläger wurden ursprünglich und noch bis in die 1980er Jahre hinein aus Holz hergestellt. Erst danach wurden neue Materialien wie Carbonfasern benutzt. Heute sind Tennisschläger viel breiter und haben ein überdimensionales Design. Der technologische Wandel hat die Spielweise grundlegend verändert und schneller gemacht.

Zählt das Tor? Erfindungen aus dem Sportingenieurwesen wie das GLT-System werden heuten in fast allen Ligen der Welt erfolgreich eingesetzt.

College Contact:
Können Sie uns ein aktuelles Beispiel einer Sportart nennen, bei der eine neue Technologie zum Einsatz kommt?

Dr. David James:
Ein aktuelleres Beispiel wäre die IT-Revolution, die im Sport stattgefunden hat. Anhand eines Beschleunigungssensors und anderer Sensoren in unseren Laufschuhen oder unseren Tennisschlägern können wir Daten sammeln. Oder die Nutzung von GPS-Tracking-Systemen, mit denen sich messen lässt, wie ein Fußballteam trainiert.

Diese Informationen werden benutzt, um objektive Messungen darüber zu haben, wie wir unser Training über einen bestimmten Zeitraum betreiben. Sie werden auch verwendet, um eine Taktik anzuwenden oder das Training auszuwerten: Wie man zum Beispiel die Positionen der Spieler verändern könnte oder wer auf welchen Positionen spielen sollte. Früher sprachen viele von der Kunst, ein Team oder einen Spitzensportler erfolgreich zu trainieren.

Heute ist Coaching vielmehr zu einer Wissenschaft geworden, weil wir in einer sehr objektiven Art und Weise Sportler messen und überwachen können. Diese Sensortechnologien sind seit der Jahrhundertwende wirklich omnipräsent geworden.

College Contact:
Fußball ist in England und Deutschland sehr populär. Gibt es auch eine fußballbezogene Erfindung?

Dr. David James:
Ich kann Ihnen zwei Beispiele geben. Wir haben viele Promotionsstudenten, die ihre Doktorarbeit in Kooperation mit Adidas schreiben. Wir arbeiten zum Beispiel gerade mit Adidas daran, wie man Fußballschuhe für verschiedene Spielfeldbeläge optimieren kann. In der Realität wird Fußball auf vielen verschiedenen Spielflächen gespielt: Auf der Straße, auf Beton, auf Gras, am Strand oder auf künstlichem Rasen. Die Anforderungen, die Spitzensportler an ihre Schuhe stellen, sind auf diesen Flächen sehr unterschiedlich. Wir glauben, dass für die verschiedenen Oberflächen unterschiedliches Schuhwerk benötigt wird, um eine optimale Leistung zu erzielen. Deshalb versuchen wir zu verstehen, wie wir die Schuhe für abweichende Spielbedingungen verbessern können. Wir haben einige wirklich gute Fortschritte erzielt, speziell in der Herstellung von Fußballschuhen für den eher urbanen Fußballstil.

Gleichzeitig arbeiten wir auch viel mit FIFA an der Goal-Line Technology(GLT-System). Jedes Jahr reist mein Team um die Welt, um das GLT-System in Fußballstadien zu testen. Die Goal-Line Technology ist seit mindestens vier Jahren im Einsatz. Wenn sie angewendet wird, muss die FIFA sicher sein können, dass das System fehlerfrei und richtig funktioniert. Wir testen alle Fußballstadien in England, Frankreich und Italien. Wir führen die Tests vor der Champions League durch. Wir sind zur Weltmeisterschaft nach Brasilien geflogen und haben etwa einen Tag in jedem Stadium verbracht. Dort haben wir mit dem System eine Reihe von gründlichen Tests durchgeführt, um sicherzugehen, dass das System exakt genug ist, um gute Ergebnisse im Spiel zu liefern.

Ich glaube, dass genau deshalb die Goal-Line Technology heute als zuverlässiges System weltweit anerkannt ist und immer mehr Ligen sie benutzen wollen. Bald wird die Goal-Line Technology ein essentieller Bestandteil des Fußballspiels sein.

"Jedes Jahr liefern wir fünfzig Projekte ab, die wir in fünfzig Kooperationen erstellt haben."

College Contact:
Warum ist die Sheffield Hallam University eine gute Wahl für Studenten und Forscher aus dem Bereich des Sportingenieurwesens?

Dr. David James:
Ich würde sagen, dass wir ein gut bewährtes Masterprogramm anbieten, in dem die Studenten ihre Kernkompetenzen in Ingenieurswissenschaften, oder in Physik oder Mathematik, in der Welt des Sports anwenden können. Bisher war das sehr erfolgreich und der Grund dafür ist, dass wir über das weltweit größte Forschungszentrum für Sportingenieurwesen (Centre for Sports Engineering Research) verfügen und viele Kooperationen mit der gesamten Industrie pflegen. Jedes Jahr liefern wir um die fünfzig Projekte ab, die wir in fünfzig Kooperationen mit Unternehmen erstellt haben. Dieses weltweite Netzwerk und die Beziehungen mit der Industrie machen uns interessant.

Oft möchten Studenten zu uns kommen, weil sie durch uns mit einem Industriepartner aus unseren Netzwerken zusammenarbeiten können. Außerdem ist Sheffield eine großartige Stadt zum Studieren. Sie ist eine fantastische Stadt im Norden Englands: Wir sind sehr herzlich und heißen alle willkommen.

An der Sheffield Hallam University gibt es das innovative CSERund Kooperationen mit internationalen Unternehmen und Verbänden der Sportindustrie.

College Contact:
Wie viel Praxis können Studenten in ihrem Studium anwenden?

Dr. David James:
Hauptsächlich erreichen wir das durch unsere Forschungsprojekte, die je ein Jahr dauern. Jeder unserer Studenten erhält ein Forschungsprojekt mit einem Kooperationspartner aus der Industrie wie Adidas, dem Olympischen Nationalteam aus Großbritannien oder FIFA. Die Studenten führen ihre Forschung bei uns durch und sammeln gleichzeitig Erfahrungen in der Industrie. Wenn sie ihren Abschluss machen, werden sie als an einem Projekt gearbeitet haben, welches Industriepartner in ihrem Unternehmen tatsächlich verwenden werden.

Aber Praxisbezug gibt es auch in den Lehrveranstaltungen selbst. In unseren Masterstudiengängen verfolgen wir die „Learn by doing“-Philosophie. Darum bieten wir auch keine Vorlesungen an. Unsere gesamte Lehre basiert in erster Linie auf Seminaren, Diskussionen und Projektarbeit. Wir haben vorrangig das Forschungsprojekt, allerdings werden auch in allen Lehrveranstaltungen Bestandteile der Projektarbeit und all dieser Module verwendet. Es ist ein sehr aktives Lernangebot zum Mitmachen.

Wir wollen, dass unsere Studenten, wenn sie ihren Masterabschluss erlangen, in der Lage sind, effektiv in der Industrie zu arbeiten und wir denken, dass dieser aktive Lernansatz der Schlüssel zum Erfolg ist.

College Contact:
Viele deutsche Ingenieurwissenschaftsstudenten sind eher zögerlich was das Absolvieren eines Auslandsstudiums betrifft, weil sie - im Vergleich zu Studenten anderer Fachrichtungen – nicht glauben, dass es notwendig ist oder ihrer Karriere helfen wird. Wie ist ihre persönliche Meinung, warum lohnt es sich für deutsche Ingenieurstudenten, einen Master oder eine Promotion im Ausland zu erwerben?

Dr. David James:
Nahezu jeder Sektor in der Spitzentechnologie ist heute global ausgerichtet und das gilt insbesondere für die Sportindustrie. Sportunternehmen und Sportkarrieren sind nicht auf ein Land begrenzt. Wir sind eine internationale Gemeinschaft und wer Erfahrungen in anderen Ländern sammelt, der erhält eine globale Sichtweise, baut Netzwerke auf und schließt Freundschaften mit Menschen aus anderen Ländern. Ich glaube, das ist eine äußerst wertvolle Erfahrung. Ich selbst habe ein Auslandsjahr als Erasmusstudent in Grenoble, Frankreich, studiert und es war ein sehr wichtiges Jahr für mich.

Mein Team ist ziemlich international und der Großteil unserer Master- und PhD-Studenten in Sportingenieurwesen kommen aus allen Teilen der Welt. Tatsächlich stammt die große Mehrheit, ich glaube 88 Prozent unserer Studenten, nicht aus dem Vereinigten Königreich. Und natürlich kommen auch viele deutsche Studierende zu uns.

College Contact:
Wie hat ihre eigene Auslandserfahrung ihre Karriere beeinflusst?

Dr. David James:
Ich denke, die Auslandserfahrung hat meine Perspektive davon verändert, was ich im Leben wollte und von dem, was möglich war. Ich habe das Erasmusjahr wirklich als ein sehr prägendes Jahr empfunden. Es war auch eine Herausforderung, aber darin am Ende erfolgreich zu sein, hat mir eine große Menge Selbstvertrauen gegeben, um meine zukünftige Karriere voranzutreiben. Es hat in mir auch eine wahre Leidenschaft geweckt, mehr von der Welt kennenzulernen und wirklich global zu denken.

Ich reise die ganze Zeit um die Welt, arbeite an Projekten, besuche Universitäten, spreche auf Veranstaltungen und schließe Partnerschaften ab. Erst letzte Woche war ich in Kolumbien und nächste Woche werde ich zurück in den Niederlanden sein. Ich bin sehr glücklich und fühle mich sehr privilegiert, das alles machen zu können. Aber angefangen hat mein Karriereweg wohl mit den Erfahrungen, die ich während meines Auslandsjahres gesammelt habe.

College Contact:
Vielen Dank für ihre Zeit.