College-Contact-Stipendiatin Antonia Gigglberger im Interview
London ist vieles: globale Finanzmetropole, lebende Zeitgeschichte, vor allem aber ein Magnet für Kreative aus Musik, Literatur und Kunst. Für unsere College-Contact-Stipendiatin im Bereich Kunst und Design, Antonia Gigglberger, war daher sofort klar: Ein Auslandsstudium in der britischen Metropole ist Pflicht.
Seit September zeichnet, druckt und lernt Antonia ein Auslandssemester lang am Camberwell College of Arts der renommierten und einzigartigen University of the Arts in Großbritannien. Ihr wollt wissen, wie es sich anfühlt in London zu leben? Im Interview erzählt Antonia, welche Orte sie zum Malen inspirieren und von den Besonderheiten, die Kurse an britischen Universitäten mit sich bringen.
College Contact:
Nicht erst seit dem Hype um Narnia und Harry Potter gilt London als magische Stadt. Würdest du London auch so beschreiben?
Antonia Gigglberger:
London wohnt schon ein Zauber inne. Ganz am Anfang, in meiner ersten Woche, bin ich durch London gelaufen, vorbei am Trafalgar Square, am Parlament, Big Ben und dem London Eye. Dabei habe ich mich gefühlt, als ich wäre ich in einer Filmszenerie, als wäre das alles eine Theaterkulisse, als könnte das doch alles gar nicht echt sein. Es ist schon ein Unterschied, ob man hier eine Woche Urlaub macht und dann wieder fährt, oder ob man das hier jeden Tag erlebt.
Überall fahren die alten schwarzen Taxis und die roten Doppeldeckerbusse rum und die Leute sind auf eine so altmodische Art höflich. Es ist diese Atmosphäre, dieses Stadtbild von London: Das Alte trifft auf das Neue. Diese ganz neuen architektonischen Hochhäuser neben den alten Kirchen und toll restaurierten Fassaden. Ich liebe das einfach. Jeden Tag, wenn ich daran vorbeigehe, denke ich mir: „Wow“. So etwas würde man in Deutschland nicht finden. London ist einfach etwas ganz besonderes.
"Es ist diese Atmosphäre, dieses Stadtbild von London: Das Alte trifft auf das Neue."
College Contact:
Was sind bis jetzt deine Lieblingsorte in der Metropole?
Antonia Gigglberger:
Was ich wirklich total liebe, ist das Victoria and Albert Museum. Dort gibt es so viele Ausstellungen zu sehen und ich liebe es einfach, dort zum Afternoon Tea hinzugehen, um Scones zu essen und Tee zu trinken. Und dazu spielt dann dort ein Mann mitten im Raum auf einem Flügel. Also das kann ich jedem empfehlen.
Was mir auch wirklich gut gefällt, ist die Tate Modern. Da läuft in der Turbine Hall gerade eine tolle, temporäre Ausstellung von Philippe Parreno mit Lichtinstallationen. Außerdem kann man ins höchste Stockwerk fahren und hat dort, ähnlich wie vom London Eye, einen wunderbaren Blick über die ganze Stadt – nur kostenlos!
Erst vor kurzem war ich außerdem in den Kensington Gardens im Hyde Park. Das war wirklich unglaublich schön. Die Engländer haben einfach andere Gärtner als die Deutschen. Dadurch, dass es an manchen Stellen auch etwas zugewachsen und verkommen aussieht, entsteht eine wahnsinnig romantische Atmosphäre. Es gibt dort auch einen wunderschönen See und Pavillons. Es hat mich sehr inspiriert das alles auf mich wirken zu lassen.
College Contact:
Du hast dich ja auch sehr darauf gefreut Englisch zu sprechen. Wie klappt das?
Antonia Gigglberger:
Also mir fällt es manchmal nicht so leicht wie gedacht. Mich hat überrascht, dass die Leute wirklich von überall herkommen. Damit meine ich nicht nur internationale Studenten, sondern Studenten aus allen Ecken Großbritanniens, die die unterschiedlichsten Akzente haben. Daher kann man sie manchmal sehr schlecht verstehen.
Aber dass alles so gemischt ist, macht es ja auch interessanter. Am Anfang dachte ich mir noch: „Oh Gott, jetzt muss ich Englisch reden. Versteht man mich überhaupt?“ Und jetzt ist es mit dem Verstehen und Sprechen schon viel besser.
College Contact:
Hast du dein Stipendiengeld schon ausgegeben?
Antonia Gigglberger:
Ja, das habe ich tatsächlich schon verwendet. Ich habe mir davon Malmaterialien wie zum Beispiel Bildgründe gekauft, also Leinwände. Die sind ja schon immer ziemlich teuer. Außerdem habe ich mir einen Aquarellblock gekauft und Acrylfarben, da ich viel mit Acryl male.
In London gibt es natürlich ganz tolle Art Supply Shops, wo man sich unglaublich viel Material aussuchen kann. Das Geld aus dem Stipendium habe ich dafür wirklich gut gebrauchen können, weil ich natürlich alles selber kaufen muss.
"Der Tutor richtet sich nach den Ideen der Studenten und nicht umgekehrt."
College Contact:
Wie unterscheidet sich die UAL von Universitäten in Deutschland?
Antonia Gigglberger:
Die UAL unterscheidet sich selbst nochmal von College zu College. Was es auf jeden Fall überall gibt, ist das Tutorensystem. Das heißt, man arbeitet selbstständig für sich und hat dann in regelmäßigen Abständen ein Treffen mit dem Tutor beziehungsweise dem Tutor und anderen Studenten. Das nennt sich dann „Tutor Crits“ oder „Group Crits“ und findet etwa alle drei Wochen statt.
Es gibt auch immer die Möglichkeit, dass man sich selbst zu einem Tutorengespräch anmeldet, wenn man eben gerade im Moment Hilfe braucht. Der Tutor bespricht dabei zum Beispiel etwas zu deinem Bild mit dir oder er kritisiert auch mal etwas. Man muss also nicht nur zu den festen Zeiten kommen, sondern man kann auch selber aktiv werden.
In Deutschland bin ich ja nicht an einer Kunstakademie, sondern an einer normalen Universität, und da ist der Unterschied zum Camberwell College natürlich riesig. Denn dieses freie Arbeiten ist an der Universität oft nicht gegeben. Deswegen genieße ich jetzt gerade, dass ich wirklich viel Freiheit habe und ich mich mit dem auseinandersetzen kann, was ich will. Der Tutor richtet sich nach den Ideen der Studenten und nicht umgekehrt. Das finde ich einen sehr guten Ansatz.
College Contact:
Wie zeigt sich diese Freiheit denn im ganz normalen Studienalltag?
Antonia Gigglberger:
Der eigentliche Stundenplan ist relativ leer und meine Lernzeit verbringe ich mit der Arbeit in meinem Studio. Ich bin hier im „Painting Programme“. Das heißt, ich gehe jeden Tag in mein Studio und male selbstständig, oder ich arbeite in einer der Werkstätten. Am Camberwell gibt es zum Beispiel eine riesengroße Druckwerkstatt und am Chelsea College eine 3 D-Druckwerkstatt.
Wenn ich mal etwas drucken will, dann kann ich mich für eine „Induction“ anmelden, also eine Einweisung. Mir werden dann die Geräte von Technicians vor Ort gezeigt, damit ich weiß, wie ich damit umgehen soll. Danach bin ich aber wieder auf mich alleine gestellt, denn es ist eben kein Seminar. Das ist wirklich der Hauptunterschied zu Deutschland.
Am Camberwell College gibt es aber zum Beispiel auch die Artist Talks. Da kommen mehr oder weniger bekannte Künstler und halten eine Vorlesung, also erzählen etwas über das Künstlerdasein. Das finde ich total interessant. Davon habe ich in Deutschland noch nie gehört und hier steht es im Stundenplan.
Dann gibt es zum Beispiel noch ein Seminar, in dem man eine Ausstellung vorbereitet. Im Januar ist die Ausstellung und dafür muss jeder jetzt schon überlegen und organisieren, was ausgestellt werden soll und wie. Am Freitag habe ich noch ein Seminar, Social Practice, in dem es interessante Vorträge gibt und für das ich am Ende einen Essay schreiben muss.
Außerdem arbeitet jeder Student an seinem Development File: Jeder hat seine eigene Internetseite und dokumentiert ständig seine künstlerische Entwicklung. Der Tutor hat auch immer einen Blick darauf und am Ende gibt man das praktisch per Klick auf „Submit“ ab und es wird bewertet.
Ich finde es ganz gut und interessant, das Kunststudium von einer anderen Perspektive zu erleben und zu sehen, wie es auch gehen kann. Das ist gut für mich und meine Person, dass ich eben auch mal in diese Rolle schlüpfen kann, viel selbstständiger zu denken und zu arbeiten.
College Contact:
Das klingt wirklich klasse! Vielen Dank für das Interview.
London für ein Semester als zweite Heimat erleben - das könnt ihr euch auch gut vorstellen? Wir helfen gerne euch weiter, persönlich, per Mail oder telefonisch. In unseren Hochschulprofilen findet ihr weitere Infos zu allen Colleges der University of the Arts.