2 Mär
Erfahrungsbericht von Jesko M.

Riga Stradins University

Stadt: Riga
Land: Lettland
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Medizin
Studientyp: Sonstige Studiengänge
Zeitraum: 09/2011 bis 08/2017

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Mein Erfahrungsbericht gilt der Riga Stradins University in Riga, Lettland. Mein Name ist Jesko und ich studiere seit dem Wintersemester 2011/2012 in Riga Humanmedizin. Wie die meisten anderen, haben mir die Erfahrungsberichte bei Collage-Contact geholfen, mich für ein Studium im Baltikum zu entscheiden, weshalb ich im Folgenden meine persönlichen Erfahrungen aus einem halben Jahr Riga teilen möchte. Dabei bezieht der Erfahrungsbericht sich hauptsächlich auf das Leben als Medizinstudent. Wollte man mehr über Kultur, Wetter und Daten zu Lettland und Riga erfahren, kann ich empfehlen, dass man sich im Internet umschaut, dort gibt es eine Menge Seiten mit den passenden Informationen.

Die Stadt Riga

Riga liegt sehr schön nahe der Ostsee am Fluss Daugava (dt.: Düna). Die Stadt hat ca. 900.000 Einwohner. Als Medizinstudent wird man sich, zumindest im Grundstudium, lediglich an zwei Orten aufhalten, der Universität und dem Anatomikum, dem anatomischen Institut, weshalb die Größe der Stadt zunächst nicht so wichtig erscheint, da die Distanzen gering sind. Was aber wichtig ist, ist die Tatsache, dass Riga als Hauptstadt Lettlands und als Größte Stadt in näheren Umkreis Zentrum des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens ist. Was ich damit sagen möchte ist, dass Riga alles besitzt, was man vllt. aus der deutschen Heimat gewohnt ist: es gibt einen guten Nahverkehr, die Dichte an Restaurants, Supermärkten, Diskos, Fitnessstudios und anderen Freizeitmöglichkeiten ist groß. Dabei ist der Teil Rigas, der von den meisten Studenten der RSU bewohnt wird, relativ klein, also mit einer Studentenstadt, ähnlich Münster, vergleichbar. Alle wichtigen Einrichtungen sind, mit Ausnahme der Universität, per Fuß erreichbar. Dadurch wird der Einstieg in das neue Leben in der Fremde sehr erleichtert, man findet sich schnell zurecht und vermeidet stressige und lange Anfahrten.

Da Riga Hauptstadt ist muss man allerdings anmerken, dass die Mieten und Preise keineswegs kleiner als in Deutschland sind. Im Gegenteil: Essen und Trinken kann hier teilweise teurer sein als in Deutschland, weil viele Produkte importiert werden. Insbesondere Supermärkte können teuer sein. Im Speziellen sind mir die höheren Preise bei Kosmetikartikeln und Kleidung aufgefallen. Es gibt die Möglichkeit auf dem Zentralmarkt einkaufen zu gehen, dort ist es günstiger, allerdings nur Nahrung.
Mieten sind abhängig von der Lage und der Ausstattung der Wohnung. Wie in Deutschland gilt, je näher am Zentrum oder im Zentrum, desto teurer und je größer desto teurer. In der Altstadt muss man mit 8 Euro/m² kalt rechnen, verlässt man die Altstadt, so wird es deutlich billiger. Die Nebenkosten sind jedoch sehr wetterabhängig, im Winter können die durch steigende Heizkosten gerne 1/5 – 1/2 des Mietpreises einnehmen.

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Die Universität liegt etwas ausserhalb der Stadt und ist gut mit dem Nahverkehr zu erreichen, aus der Altstadt benötigt man ca. 20 Minuten mit der Bahn, Busse sind teilweise schneller, teilweise langsamer, immer abhängig vom Verkehr und von der Station von der man abfährt.
Der Campus ist relativ klein und besteht lediglich aus zwei Gebäudekomplexen, dem Hauptgebäude und der zahnmedizinischen Fakultät. Das Hauptgebäude enthält mehrere Teilgebäude, die alle verbunden sind, was die Distanzen zwischen zwei möglichen Kursorten erheblich verkürzt. Zu Beginn ist die Orientierung schwierig, aber man findet sich schnell zurecht. Wie gesagt, da das Gebäude relativ klein ist, kann man sich nicht verlaufen. Zudem wurde im letzten halben Jahr die Mensa renoviert und wiedereröffnet, in der man in den Freistunden Kaffee, Snacks, Getränke und einige warme Gerichte bekommen kann. Allerdings ist die Mensa vom Angebot her sehr überschaubar, die warmen Gerichte werden nur geliefert und warmgehalten, nicht dort gekocht. Das bedeutet, dass es sein kann, dass um 13 Uhr die meisten warmen Speisen schon nicht mehr vorrätig sind. Für einen Snack zwischendurch ist es aber durchaus in Ordnung.

Die Gebäude selber sind teilweise schon renovierungsbedürftig, aber das wurde erkannt und teilweise sind die Räume auch schon erneuert worden (Stand 2012). Leider dauert so ein Prozess etwas länger weshalb man teilweise noch in unrenovierten Räumen lernt. Das ist zwar wenig ästhetisch, wenn der Putz von der Wand bröckelt, aber alle Räume und Institute der Universität sind modern ausgestattet, haben Internetanschluss und Beamer für Präsentationszwecke. Man muss halt bei der Wahl des Studienplatzes auch berücksichtigen, dass Lettland noch vor 20 Jahren kommunistisch war und daher großer Nachholbedarf besteht, was die Erneuerungen der technischen Ausstattung und der Renovierung von Gebäuden angeht. Ich finde aber, dass das zweitrangig ist, solange es die Studenten nicht in der Ausbildung behindert, und das tut es nicht.

Abschließend kann man eigentlich nur sagen, dass die Ausstattung der Universität zwar nicht deutschem Standard entspricht, aber dennoch ausreicht um medizinische Grundlagen zu vermitteln.


Betreuung

Ich habe mich dazu entschlossen, diesen Unterpunkt einzuführen, weil ich finde, dass die Betreuung an der Uni eine besondere Erwähnung verdient hat. Die Universität scheint sich gut auf internationale Studenten eingestellt zu haben, es gibt extra ein internationales Büro, das sich um die Belange der internationalen Studenten kümmert. Das Team spricht perfektes Englisch und besteht aus einheimischen Letten, was insofern wichtig ist, als dass sie sich mit den Gepflogenheiten der Letten auskennen als auch perfekt mit den internationalen Studenten kommunizieren können und es keine Sprachbarrieren gibt.

Das Team organisiert Orientierungswochen für Neuankömmlinge inklusive Shuttletransport vom Flughafen, plant Vorträge und Ausflüge im Baltikum und Russland und veranstaltet „ International Evenings“. Zudem kümmern sie sich um die nötigen Formalitäten bei der Einreise nach Lettland (Aufenthaltsgenehmigung) und wichtigen Deadlines der Uniadministration. Sollte man Fragen oder Probleme haben, so kann man sich jederzeit an das Team wenden, sie helfen soweit es ihnen möglich ist (bspw. Mietvertrag von der Rechtsabteilung durchschauen lassen, bevor man ihn unterschreibt).
Die Betreuung ist also sehr gut, habe ich so noch nicht erlebt und erleichtert einem den Einstieg ins Leben im Ausland und ins Medizinstudium enorm.


Das Studium

Ich möchte nun über den wichtigsten Aspekt dieser Bewertung schreiben, denn das Studium ist natürlich der Hauptgrund, weshalb man sich für die Riga Stradins University interessiert. Mittlerweile ist das internationale Programm relativ groß, d.h. viele Studenten, geworden, im Sommer 2011 haben ca. 160 Studenten in Riga ihr Medizin/Zahnmedizinstudium begonnen. Davon sind ca. 60% Deutsche, was den internationalen Charakter des Studiums jedoch nicht einschränkt, die Gruppen sind meist so eingeteilt, dass möglichst viele verschiedene Nationalitäten zusammen lernen. Zudem sind die Gruppen angenehm klein, 8- 11 Personen pro Gruppe, sodass ein sehr gutes Lernklima erreicht wird. Die kleine Gruppengröße ermöglicht einen guten Kontakt zu Dozenten und eine persönliche Betreuung. Englisch wird im gesamten Studium Lehrsprache sein, sodass gute Englischkenntnisse wichtig sind. Auch, weil die Dozenten teilweise nur mit guten Englischkenntnissen zu verstehen sind und natürlich weil die gesamte Literatur in Englisch ist, abgesehen von lateinischen Begriffen in der Anatomie.

Das Studium an der RSU ist in zwei Abschnitte geteilt, ähnlich wie in Deutschland. In den ersten vier Semestern wird medizinisches Grundwissen vermittelt, danach wird klinisches Wissen gelehrt. Momentan kann ich nur zu meinen Erfahrungen in einem Semester etwas schreiben, ich hoffe aber, dass diese Erfahrungen einen guten Eindruck geben.

Im ersten Semester belegt man an der RSU die Fächer Anatomie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Chemie, Physik, Erste Hilfe, Lateinische Terminologie, Lettisch, Intercultural Relations, Ethik, Medizinrecht und Einführung in die wissenschaftliche Recherche.

Die Kurse sind in ihrer Struktur jedoch sehr unterschiedlich, nicht jeder Kurs wird mit einem Abschlussexamen abgeschlossen und einige Kurse, wie Physik, Anatomie, gehen über zwei oder mehrere Semester. Manche Kurse, wie Anatomie, werden das ganzen Semester über angeboten, andere Kurse sind eintägig oder über drei bis fünf Wochen hintereinander zu belegen, sodass sich der Arbeitsaufwand für die Kurse über das ganze Semester verteilt. Alle Kurse bestehen aus Vorlesung und Kurs in der Gruppe, sodass das Wissen der Vorlesung nochmal wiederholt, erklärt und vertieft wird. Teilweise sind die Vorlesungen auch nur Ergänzungen zum Kurs, in dem das klausurrelevante Wissen vermittelt wird. Wirkliche große Abschlussklausuren am Ende des Semesters schreibt man nur in Anatomie, Zellbiologie und Chemie.

Wie bereits kurz erwähnt, sind die Kurse das zentrale Element des Studiums, die meiste Zeit verbringt man in den Gruppen und wird unterrichtet wie in der Schule, nur mit einem sehr viel besseren Verhältnis zwischen Dozent und Studenten. Durch den persönlichen Kontakt kann man wirklich sehr effektiv lernen. Leider hat das auch einen negativen Aspekt, da die Dozenten teilweise schon sehr subjektiv bewerten. Persönlich habe ich darunter noch nicht gelitten, aber man merkt schon, dass Studenten unterschiedlich behandelt werden. Nicht wenige Dozenten wurden noch in der kommunistischen Zeit sozialisiert und legen Wert auf Hierarchien und angemessenes Benehmen. Dazu gehört pünktliches Erscheinen, gepflegtes Äußeres, regelmäßiges Teilnehmen an den Kursen. Ich finde persönlich nicht, dass das Äußere entscheidend sein sollte, wenn es darum geht, eine gute Note zu bekommen, man muss es allerdings akzeptieren. Kritik wird wirklich nur in Ausnahmefällen überhaupt zugelassen und wird meist als persönlicher Angriff auf die Autorität begriffen. Piercings oder ähnliches wird von einigen Dozenten als ungepflegt empfunden und sollten möglichst in mündlichen Prüfungen entfernt werden.

Hält man sich jedoch an die Regeln, so kann man, unter der Voraussetzung dass man gelernt hat, sehr gut mit den Dozenten lernen.
Sollten diese Beschreibungen jetzt abschrecken, wird das dem Studium nicht gerecht. Es reicht meist, wenn man sich vor Beginn der Kurse mit den höheren Semestern unterhält, um zu erfahren, worauf der Dozent/die Dozentin wert legt.

Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass das erste Semester sehr „fair“ strukturiert ist, was bedeutet, dass die Balance zwischen Freizeit und Lernaufwand moderat ist. Man muss schon täglich was machen, hat aber noch genug Zeit, um sich zu akklimatisieren und einzugewöhnen und auch mal am Wochenende einen Ausflug zu machen oder zu feiern. Kurse erscheinen zu Beginn schwerer als sie sind. Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass man mit regelmäßigem Lernaufwand keine Probleme haben sollte, das erste Semester zu bestehen.

Wichtig für wechselinteressierte Deutsche ist eventuell, dass man nicht nach dem ersten Semester wechseln kann, weil man lediglich in Chemie ein äquivalentes Abschlussexamen macht. Das bedeutet, dass man mindestens zwei Semester hier studieren „muss“.


Fazit

Ich habe mich vor einem halben Jahr dazu entschieden nach Lettland zu gehen, um mir dort meinen Wunsch zu erfüllen, Medizin zu studieren und ich muss sagen, dass ich es nicht bereue nach Riga gegangen zu sein. Die Betreuung ist wirklich sehr gut, die Stadt ist international, der Kontakt zu Letten und anderen Internationals ist gut und man bekommt das fachspezifische Wissen vermittelt, um als Arzt arbeiten zu können. Der Unterschied zu deutschen Universitäten ist, was das theoretische Wissen angeht nicht messbar und was die technische Ausstattung angeht, zwar spürbar, aber nicht sonderlich ins Gewicht fallend. Was sehr viel besser ist, ist, dass international gelehrt wird und man das englische Vokabular nutzt, sodass man nach Abschluss des Studiums auch außerhalb Deutschlands arbeiten könnte.

Ich kann also nur jedem empfehlen, der unbedingt Arzt werden will, dies in Deutschland nicht kann oder lieber ein internationalen Abschluss machen möchte, sich bei der Riga Stradins University zu bewerben.