12 Aug
Erfahrungsbericht von Christian P.

Universidad de Vina del Mar

Stadt: Viña del Mar
Land: Chile
Kontinent: Südamerika
Studienrichtung: Kunst und Design, Medien
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 03/2011 bis 07/2011

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Von Welten – und den Welten dazwischen. Ein Auslandssemester in Chile


Als Gott die Welt erschuf, hatte er noch eine Handvoll von allem übrig – Berge, Wüsten, Seen, Gletscher – und er steckte alles in seine Tasche.
Aber die Tasche hatte ein Loch, und als Gott den Himmel entlanglief,
fiel alles heraus; und der lange Pfad, den es auf der Erde hinterließ, war Chile.
Unbekannter Verfasser


Chile ist ein wundervolles Land. Seine Küste erstreckt sich über insgesamt 4 3000 Kilometer, von der trockensten Wüste der Welt im Norden (Atacama), über mediterrane Regionen im Zentrum (Viña del Mar), bis hin zu einem rauen, kalt-regnerischen Paradies im Süden (Patagonien). Mit einer Ausdehnung von fast 757 000 Quadratkilometern ist Chile mehr als doppelt so groß wie Deutschland, doch besitzt mit gut 17 Millionen Einwohnern lediglich ein gutes Fünftel seiner Bevölkerung. Diese Fakten kann man ganz einfach bei Wikipedia nachlesen – und dennoch prägen sie Chile auf eine ganz besondere Art und Weise. Ein Land am Ende der Welt, das sich vor allem durch seine vielfältige Natur und seine Einsamkeit definiert. Vielleicht auch deshalb, weil es irgendwie noch immer auf der Suche nach seiner eigenen, kulturellen Identität ist.

Ich habe von März bis Juli 2011 an der Universidad Viña del Mar (UVM) in der fünften Region Chiles studiert. Viña del Mar ist mit knapp 300 000 Einwohnern die viertgrößte Stadt des Landes – und genießt das Image und Flair eines Badeorts. Hohe Apartmenthäuser säumen Viñas Küste, die Straßen verlaufen in Blocks, es gibt viele Bars, Restaurants und Supermärkte, eine Einkaufsmall mit großem Kino und ein hervorragendes öffentliches Nahverkehrsnetz. Viña selbst erscheint als Stadt eher nord- als südamerikanisch und wird in den Sommermonaten (die auf der Südhalbkugel im späten Oktober beginnen und bis in den frühen März hineinreichen) von Touristen aus dem anderthalb Stunden entfernten Santiago de Chile oder aus Argentinien bevölkert.
Wer mit dem Micro, wie hier die Busse genannt werden, 20 Minuten in den Süden fährt, findet sich in einer völlig anderen Welt wieder: Valparaíso, neben Santiago wohl die berühmteste und sagenumwobenste Stadt Chiles, ist viel bunter, viel wilder und viel „südamerikanischer“ als Viña. Sie hat mehr Flair. Mehr Zauber. Mehr Charakter.
Ich habe in Viña gewohnt, in einem Apartment an der Küste, das fünf Minuten von einem Supermarkt und drei von McDonalds und Starbucks entfernt war. Wer an der UVM studiert und Südamerika nicht kennt, dem empfehle ich, ebenfalls in Viña zu wohnen. Es ist sicherer, es ist bequemer – und es ist wirklich schön.

Die Universidad Viña del Mar ist eine private Universität mit einem großen internationalen Büro. Die Betreuung durch die Organisatoren ist hervorragend, man hat vom ersten Tag an persönlichen Kontakt zum Hauptverantwortlichen Carlos E. Torres, an den man sich mit wirklich allen Anliegen, Fragen und Problemen wenden kann. Bereits vor meiner Ankunft hatte ich dank ihm sowohl ein Apartment wie spanische und französische Mitbewohner gefunden. Carlos organisiert auch während des Semester regelmäßige Ausflüge; mal kulturell und traditionell (Führungen durch Santiago und Valparaíso, Besichtigung eines Mapuche-Dorfs), mal auf Spaß und Action ausgelegt (Paintball, Reiten). Auf diesen Ausflügen, aber auch in den gemeinsamen Kursen, lernt man dann auch schnell die anderen internationalen Studenten kennen. Im Frühjar 2011 waren wir knapp 30 – aus Spanien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Brasilien, Mexiko und den USA. Ich habe mich in dieser Gruppe sehr wohl gefühlt – habe aber auch schnell Kontakt und Anschluss zu Chilenen gefunden. Weil sie offen sind und sich für Ausländer interessieren. Und, weil ich gemeinsam mit ihnen zur Uni gegangen bin.

Ich habe an der UVM Kino und audiovisuelle Kommunikation studiert. Dabei handelt es sich um reguläre Universitätskurse, die ich nur aufgrund meiner Vorkenntnisse in Spanisch (knapp fünf Jahre in Schule und Universität) belegen konnte. Ohne sprachliche Vorkenntnisse (die in einem Test zu Beginn des Semesters abgefragt werden) besucht man vor allem Spanisch-Kurse, in denen man dann mit anderen internationalen Studenten unter sich ist. Darüber hinaus gibt es dann noch thematische Kurse (Lateinamerika in Kino und Literatur, Cultures in Contact), die entweder auf Spanisch oder Englisch gehalten werden und sowohl chilenischen wie auch internationalen Studenten offen stehen.
Die meisten Dozenten unterscheiden sich deutlich von jenen, die ich in Deutschland gewohnt war. Sie sind individueller, sie unterrichten mit mehr Herzblut und mehr Temperament, haben ihre sehr eigene Sicht auf die Dinge – und scheuen sich auch nicht, diese kundzutun, selbst wenn sie damit nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Ich habe diese Unterschiede zu Deutschland sehr genossen – auch, wenn es vielleicht nicht jedermanns Sache ist.
Als angehender Journalist war es mir wichtig, zusätzlich zum Studium auch journalistische Erfahrungen in Chile zu sammeln. Eye on Viña (www.eyeonvina.com), eine englischsprachige Website über die Region, gab mir hierzu eine hervorragende Möglichkeit, insbesondere weil ich in spanischer und englischer Sprache arbeiten konnte. Gute zwei Monate lange habe ich für Eye on Viña regelmäßige Artikel verfasst, Fotoslideshows und Videos erstellt, Interviews geführt und an den redaktionellen Treffen teilgenommen. Studenten mit guten Englischkenntnissen und geringer journalistischer Erfahrung kann ich die Arbeit mit Kayla Young und ihren Kollegen nur empfehlen. Sie suchen immer nach Unterstützung und freuen sich über jede helfende Hand.

Chile gilt als eines der reichsten und sichersten Länder Südamerikas. Das kann ich bestätigen. Insbesondere, wenn man aus Bolivien kommt und erstmals wieder asphaltierte Straßen mit Fahrrandmarkierungen und Beschilderungen vor sich sieht, wird einem deutlich, wie groß die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb Südamerikas wirklich sind. Aus Konsumentensicht bietet einem Chile alles, was einem Europa oder Nordamerika auch bietet. Auf einem vergleichbaren preislichen Niveau!
Allerdings gibt es auch hier Armut – und viele Dinge laufen einfach ein wenig anders als man es aus Deutschland gewohnt ist. Das beginnt damit, dass einfach niemand jemals pünktlich ist – und endet dabei, dass man sich in einem Schreibwarengeschäft an drei verschiedene Stellen wenden muss, bevor man endlich seinen Collegeblock in der Hand hält. Diese Unterschiede mögen einem anfangs ein wenig seltsam erscheinen, aber glaubt mir: Es dauert keine 2 Wochen, bis man sich daran gewöhnt hat! Und außerdem macht doch genau das das Abenteuer Auslandsstudium aus. Entdecken zu können, wie sich die Welt, in der man sich plötzlich wiederfindet, von der, an die man gewohnt ist, unterscheidet. Und, worin sie sich gleicht.

Chilenen reden übrigens kein Spanisch. Sie reden Chileno! Das heißt, sie reden schnell, sie verkürzen und verändern Worte oder erschaffen ihre eigenen. Mein spanischer Mitbewohner hat gesagt, dass er in seiner ersten Woche in Chile selbst kaum ein Wort verstanden hat. Bei mir hat es etwas länger gedauert – aber eines steht fest: Wer Chileno verstehen kann, der kann das Spanisch in jedem Land der Welt verstehen. Und nach einem Semester in Viña del Mar sollte eigentlich jeder Chileno verstehen.

Und noch ein Wort zum Schluss: Wer in Südamerika ist, muss reisen! Ich war in Patagonien, in San Pedro de Atacama, in Perú, Argentinien und Bolivien. Ich bin durch die Wüste und den größten Salzsee der Welt gefahren, habe am Fuße von Gletschern gezeltet, den Machu Picchu bestiegen und den Titicacasee durchquert. Ich habe geschwitzt, gefroren, hatte Durst, Hunger und – mehr als einmal – vollkommen durchnässte Klamotten. Ich habe in Bussen geschlafen, in Zelten, in eiskalten Herbergen und billigen Hostels.
Es war großartig. Einfach großartig!

Ausführliche Berichte sowie Fotos und Videos meiner Reisen und Erfahrungen gibt es auf: http://www.christian-papesch.de/Seiten/aktuelles_chile11.html

¡Disfruten Chile!
Christian

Wetter (Ruhr), den 28. Juli 2011
Christian Papesch