31 Jul
Erfahrungsbericht von Sebastian E.

Kulturstudier - Cape Coast


Stadt: Cape Coast
Land: Ghana
Kontinent: Afrika
Studienrichtung: Umweltmanagement
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 02/2013 bis 05/2013

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Einführung zu Afrika und Ghana

Afrika ist auf jeden Fall ganz anders, als Du Dir es vorstellst. Natürlich wirst Du in Ghana immer in einer tropischen Wärme leben, Armut wird Dir zwangsweise auf der Straße begegnen und Dein Portemonnaie vielleicht aus Deiner Tasche verschwinden. Afrikanische Trommeln und traditionellen Tanz kannst Du im Sonnenuntergang am Strand genießen, in kleinen Dörfern die „Chiefs“ und „Tribal Leaders“ treffen und alte Forts an der Küste zeugen von der grausamen Geschichte der Kolonialisierung und des Sklavenhandels. Landeinwärts wartet tropischer Regenwald sowie das alte Ashanti Königreich auf Dich und zu guter Letzt ist alles ein wenig durchsetzt von einem Gemisch aus christlichem Glauben und afrikanischer Voodo-Mystik. So viel zu dem Bild von Ghana aus Reiseführern und vielleicht Deiner Vorstellung. Dieses Bild eines fremden, faszinierenden Landes ist nicht völlig falsch, trifft aber auch nicht gänzlich zu.

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Ghana - Land, Leben und Menschen

Die meisten Menschen in Ghana sind arm, gastfreundlich, hilfsbereit, sehr herzlich und in vieler Hinsicht gar nicht so fremd wie man erwartet. Läuft man durch die Straßen von Cape Coast, schallen einem zwangsweise von allen Seiten die Rufe „Obroni, Obroni“ (weißer Mann) entgegen oder kleine Kinder rezitieren immer wieder rhythmisch die Phrase „Obroni..., how are you? ... I’m fine! ... Thank you!“. Nicht nur einmal muss man damit rechnen, auf seinem Weg haltzumachen, um zu erklären, woher man den komme, was man hier tue und wie man sich überhaupt in Ghana fühle. Diese gängige Praxis ist gerade in Cape Coast, der Touristenhochburg des Landes, in untypisch hohem Maße anzutreffen und es ist nur zu verständlich, wenn man sie mit der Zeit ein wenig leid wird.

Dennoch diese Form der Aufmerksamkeit füreinander und der gegenseitige Respekt ist auch Ausdruck der ghanaischen Kultur. Zudem muss man so wie so damit rechnen, dass hier überhaupt nichts schnell geht und man erst recht nicht im gewohnten deutschen Laufschritt von A nach B eilen kann; zu schnell vertrödelt man seine Zeit in Gesprächen links und rechts.

Eile und Stress sind sehr seltene Begleiter des ghanaischen Alltags, was nicht ausschließt das Ghanaen durchaus hart arbeiten, aber immer mit Gemach. Geduld ist hierbei das Schlüsselwort im Umgang mit dem Land: Eine Stunde warten, bis sich der Bus füllt, das Gericht ist nun mal heute nicht vorhanden, auch wenn es auf der Karte steht und Wasser gibt es erst morgen wieder. Ohne Geduld ist man der Verzweiflung und dem Wahnsinn ganz schnell näher als einem lieb sein kann.


Ghana und Du

Lässt man sich aber darauf ein, Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und mit viel Zeit zu genießen, hat man in Ghana eine der schönsten Zeiten im Leben. Interesse an dem Lebensalltag und individuellen Ansichten versüßen da den Aufenthalt nur noch, denn jeder Ghanese lässt sich immer gerne auf ein Gespräch ein, zu jedem Essen ist man per se eingeladen und Tabus gibt es eigentlich keine; Respekt sollte man aber immer bewahren! Was man in dieser Zeit mit Land und Leuten anstellt, ist jedem Selbst überlassen, Grenzen sind der eignen Fantasie dort keine gesetzt. Dennoch fordere ich Dich dazu auf, dir immer wieder klar zu machen, dass es den Menschen dort wirtschaftlich wesentlich schlechter geht, ein Durchschnittseinkommen bei ca. 50 € liegt und Dinge wie Wasser sehr knapp werden können. Ab und an beginnt man das zu vergessen, angesichts einer reichhaltigen Ideenwelt vieler Ghanaen, guter Gespräche und dem stetigen Grundsatz „Sharing is Caring“.


Das Studium - Global Environmental Management

Nun aber ein wenig zum Studium mit Kulturstudier. Das Studium nennt sich „Global Environmental Management“ und ist ein Einführungskurs für Bachelor. Das wollte ich zu Beginn betonen, damit Du Dich auf das Leistungsniveau einstellen kannst. Solltest Du in diese Richtung schon studiert haben, erlebst Du wahrscheinlich eine komplette Grundlagenwiederholung. Ansonsten unterfordert das Studium einen nicht, die meisten Mitstudenten sind jedoch fachfremd oder noch gar nicht an der Uni; dementsprechend ist teilweise das Niveau.

Spannend ist das Studium dennoch, auch wenn es stellenweise starke redundante Momente aufweist. Sofern man an der Thematik interessiert ist, finden sich viele verschiedene Perspektiven, aus denen man Umweltprobleme betrachten kann. Das Studium fällt in den Fachbereich der Sozialwissenschaften und betrachtet globale Umweltprobleme aus einer makrosoziologischen Perspektive. Als Geisteswissenschaftler kann man daher oft Gelerntes in neuen Kontexten wiederfinden. Da die Thematik aber durchaus sehr interdisziplinär ist, wirst Du immer Anknüpfungspunkte finden. Dennoch würde ich sagen, dass eine gewisse kritische Haltung gegenüber herrschenden Wissenschaftsdiskursen und politischen Meinungen in diesem Thema nicht schadet.

Die Qualität der Inhalte hängt meist stark von Seminarleitern und Dozenten ab, die beinahe jedes Semester wechseln. In meinem Falle gab es eine Kooperation mit der University of Cape Coast, welche noch einen Blick in den ghanaischen Universitätsalltag öffnete. Eine sehr interessante Erfahrung, für die ich dankbar bin, und zudem ist die Qualität der Lehrer durchaus gut.


Der Campus und Studienalltag

Die Studienumgebung kann man sich besser nicht wünschen, es sei denn man verschmäht goldene Sandstrände. Der „Hauptcampus“, wenn man ihn so nennen will, befindet sich in einem Beach Resort 45 min. von Cape Coast entfernt in einem kleinen Dorf. Es ist ruhig dort, das Meer ein paar Sekunden von der Strandhütte entfernt, in der die Seminare stattfinden, Hängematten baumeln zwischen den Palmen am Strand und laden zu Lesen und Entspannen ein, zudem wird obligatorisch Frühstück und Mittagessen serviert. All dies ist in den, durchaus sehr hohen, Studiengebühren enthalten. Die technische Ausstattung ist gut, es gibt Beamer, Mikrofone und Boxen; einziges Problem ist des Öfteren der Strom. Jeden Morgen um 7 Uhr bringt Dich ein Bus dorthin und jeden Nachmittag wieder zurück. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist der „Campus“ zwar auch zu erreichen, da dies jedoch entweder sehr teuer oder mit einem langen Fußmarsch verbunden ist, würde ich es, gerade zu Beginn des Semesters, nicht empfehlen.

Hier offenbart sich eine Seite des Programms, die man entweder mögen kann oder mit der man sich arrangieren muss: Es erinnert alles ein wenig an eine große Klassenfahrt. Massentransport Morgens und Abends, große Schlacht am Buffet und Feldforschung, die leicht an Massentourismus erinnert. Trotzdem, alles muss man nicht mitmachen und gerade die „Field Researchs“ sind sehr interessant, führen sie einem doch direkt vor Augen, welche Auswirkungen globale Umweltprobleme haben, und wie die betroffenen Menschen damit umgehen. Zudem kommt man dadurch ein wenig mehr in Kontakt mit Ghanaischer, traditioneller und ländlicher Lebensweise.

Während der Studienzeit wirst Du mit einem hohen, teilweise übermäßig hohen, Lesepensum zu kämpfen haben. Wenn Du es schaffst, erspart Dir das ein wenig Textsichtung bei den Abschlussarbeiten, auf der anderen Seite ist aber auch nicht jeder Text wichtig, relevant und interessant. Zum Studium selbst gehört eine Gruppen-Abschlussarbeit. Mein Tipp suche dir ein Thema, das dir gefällt und noch wichtiger eine zu Dir passende Gruppe! Die anschließende Abschlussarbeit ist ganz Dir überlassen. Nimm Dir in beiden Fällen nicht zu viel vor, denn die Anforderungen sind nicht endlos hoch und die Zeit in Ghana rennt. Achte aber unbedingt auf die richtige Form, denn das ist den Prüfern wohl sehr wichtig. Ich selbst empfehle die Abschlussarbeit in Ghana zu schreiben und danach zu Reisen. Immerhin bist Du ja schon in Westafrika.


Freizeit, Frohsinn und das Reisen

Du wirst zwar vor deinem Aufenthalt einiges lesen über den maßvollen Umgang mit Alkohol in Ghana etc. Wie vorsichtig Du bist, ist ganz Deine Entscheidung: Die Ghanaen selbst sind aber ein feierwütiges Volk, die sich darauf verstehen und deine Studienkollegen werden ebenfalls versuchen, die Zeit in Ghana so vergnügsam wie möglich zu gestalten. Fakt ist, du wirst um einige viele Partys wohl oder übel nicht herumkommen. Genieße Sie!

An den Wochenenden empfehle ich Dir, kleine Ausflüge zu machen um ein wenig aus Cape Coast rauszukommen, denn Cape Coast ist auch aber nicht nur Ghana. Nimm Dir aber keine zu weiten Strecken vor, denn das Reisen braucht Zeit, und wenn Du nicht die meiste davon auf holprigen Straßen, zusammengekauert in einem Kleinbus verbringen willst, gehe es vorsichtig an. Du wirst mit der Zeit auch ein Händchen dafür bekommen. Ich bin z.B. an dem langen Wochenende (drei Tage) in die Volta Region gefahren. Es ist wunderschön dort und durchaus empfehlenswert, aber von den drei Tagen habe ich leider zwei auf der Straße verbracht. Nimm Dir am Schluss Zeit zum Reisen.


Die Betreuung

Die Betreuung ist rundherum wunderbar. College Contact hilft zu Beginn bei allen Schritten zur Registrierung und danach sind die Damen und Herren von Kulturstudier immer freundlich, hilfsbereit und schnell. Auch vor Ort gibt es für alle Belange Ansprechpartner und eine sehr einfühlsame Programmmanagerin.

Solltest Du krank werden, was ich dir auf keinen Fall wünsche, erhältst Du auf jeden Fall genügend Hilfe. Es ist nur bei allen Belangen wichtig den Mund aufzumachen, ansonsten gehen die Sachen schnell unter.

Zu der Unterkunft kann ich wenig sagen, da ich an einem anderen Ort gewohnt habe. Die Zimmer sind aber auf jeden Fall auf europäischem Niveau in gutem Zustand, genau so wie Küche und Bad. Du musst Dich aber darauf einstellen, für die Zeit mit anderen Leuten in einem Zimmer zu wohnen und auch sonst den ganzen Tag mehr oder weniger die Gruppe um Dich zu haben. Aber alleine ist in Ghana sowieso nie und an keinem Ort irgendjemand.

Ansonsten kann ich nur sagen: Freue Dich auf eine spannende, erfahrungsreiche Zeit und lerne neben der Ghanaischen Kultur auch gleich noch die Skandinavische kennen!

Fotos:

1 Agbogbloshie Schrottplatz. Hier findet aufgrund ökonomischen Drucks und unter gefährlichen Bedingungen illegale Schrottverarbeitung und Computerentmantelung statt. Dabei wird Gesundheit und Umwelt zerstört. Viele der Importe von Elektroschrott stammen aus den USA und Europa.

2 Cape Coast. Sicht vom Fort Williams auf Cape Coast Castle und den Strand.

3 Der Uni-Campus im Brenu Beach Resort