14 Mär 2016
Karrieresprung Promotion im Ausland

Interview mit PhD-Studentin Svenja Fritzlar an der University of Melbourne

Svenja Fritzlar wollte während ihrer Promotion nicht nur international forschen, sondern auch in die australische Kultur eintauchen.

Eine Promotion im Ausland? Das sollte gut überlegt sein, dachte sich Biomedizinerin Svenja Fritzlar, als sie vor zwei Jahren vor ebendieser Entscheidung stand. Inzwischen promoviert sie seit drei Semestern an der renommierten University of Melbourne in Australien. Und hatte dafür einige gute Gründe.

Im Interview mit College Contact zieht Svenja nicht nur ein erstes Resümee, sondern erzählt auch von den Hürden auf dem Weg zur Promotion im Ausland und wie man sie meistern kann.


College Contact:
Hallo Svenja, du befindest dich gerade in der Halbzeit deiner Promotion im Fachbereich „Microbiology and Immunity“ an der University of Melbourne. Wie ist dein Zwischenfazit bisher?

Svenja Fritzlar:
So weit, so gut, würde ich sagen. Eine Promotion ist natürlich immer etwas, was man nicht wirklich planen kann. Hier an der Uni ist es so, dass es jedes Jahr einen Zwischenbericht und Zeitpläne darüber gibt, was man bis wann geschafft haben muss. Aber wirklich hinhauen tun die meisten Zeitpläne nicht. Zumindest nicht in der Wissenschaft.

Ich habe drei Projekte, an denen ich gerade arbeite. Ein Teil der Projekte läuft gut und der andere Teil ist so semi-gut. Aber für die Ergebnisse, die ich bis jetzt habe und was ich bis jetzt geschafft habe, darüber kann ich mich nicht beklagen.

"Eine Promotion ist natürlich immer etwas, was man nicht wirklich planen kann."

College Contact:
Wenn du es in einfachen Worten beschreiben kannst – wovon handelt deine PhD-Thesis?

Svenja Fritzlar:
Also der Fokus meines PhD liegt auf einem bestimmten Virus und das ist der Noro-Virus. Wenn es zum Beispiel auf Kreuzfahrschiffen einen Ausbruch einer Magen Darm Erkrankung gibt, ist es meist aufgrund von Noro-Viren. Es ist ein Virus, der sowohl Erbrechen als auch Durchfall verursacht. Also nicht der schönste. Das Problem ist, dass es bisher keine Medikamente dagegen gibt.

Wenn man das Virus hat, muss man erstmal die nächsten 48 Stunden damit leben. Was man im Grunde genommen auch gut überleben kann, solange man gesund ist. Aber es gibt natürlich immer Risikogruppen. Es gibt bis jetzt auch keine Impfung dagegen und es ist ziemlich infektiös. Das heißt, wenn ein Teil einer Familie das Virus hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass alle anderen es auch sehr schnell haben.

Im Grunde genommen, forsche ich aber dazu, was passiert, wenn das Virus in die Zelle kommt. Also wie reagiert das Virus auf die Zelle und wie reagiert die Zelle auf das Virus. Denn die Zelle ist ja nicht hilflos, sondern hat diverse Mechanismen, mit denen sie sich verteidigen kann. Und deswegen gucke ich auch immer auf beide Seiten, um zu sehen, wer das Rennen gewinnt.

College Contact:
Wie bist du auf die Idee gekommen ein PhD-Studium an der University of Melbourne zu absolvieren?

Wer eine Promotion im Ausland plant, sollte in Australien unter anderem die renommierte University of Melbourne in Betracht ziehen.

Svenja Fritzlar:
Ich hatte mir schon während des Masters in Münster überlegt, ins Ausland zu gehen. Dazu habe ich mich in mehreren englischsprachigen Ländern umgeguckt. Auf der Liste standen Kanada, Neuseeland, Australien oder, recht nah, Großbritannien. Australien war aber mein Favorit, weil, wenn man schon mal weggeht, dann wollte ich auch ein bisschen weiter weg.

Ich habe dann mehrere Labore angeschrieben, ob sie bereit wären, mich für ein halbes Jahr aufzunehmen und ich dort ein kleines Projekt machen kann. Das war am Anfang eher semi-erfolgreich. Und ja, da muss man dann einfach ein bisschen Durchhaltevermögen haben und immer weiter Emails schreiben. Irgendwann kriegt man eine E-Mail zurück, die dann nicht heißt: „Nein, können wir nicht machen.“ Ich bin dann für ein halbes Jahr hierhin gekommen und hatte da mein eigenes Projekt.

Während der sechs Monate hier hat es mir so gut gefallen, dass die Idee durchaus entstanden ist, hier meine Doktorarbeit zu machen. Kurz bevor ich wieder zurück nach Deutschland geflogen bin, habe ich auch mit meinen Betreuer darüber gesprochen und er hat gesagt: „Ja, überlege es dir, es ist immer möglich, zu uns zurückzukommen als PhD-Studentin."

Als ich wieder zurück war in Münster und mir das in Ruhe überlegt habe, da war mir auch sehr schnell klar, dass ich Australien, Melbourne und die Leute hier vermisse. Ein halbes Jahr später habe ich das Labor wieder angeschrieben.

College Contact:
Hast du dir gezielt die University of Melbourne ausgesucht?

Svenja Fritzlar:
Eigentlich nicht, nein, ich habe mir im Grunde genommen das Labor ausgesucht, weil ich wusste, wie die arbeiten und mit was die arbeiten. Außerdem fand ich das Thema spannend. Wenn man eine Doktorarbeit anfängt, dann muss man sich darüber im Klaren sein, dass man drei Jahre mit den gleichen Leuten arbeitet und je besser man sich mit denen versteht, desto einfacher wird das dann.

Hier ist einfach ein sehr gutes Team, dass auch sehr gut zusammenarbeitet und da war ich einfach begeistert von. Ich war eigentlich auch davon überzeugt, dass es zurück in das Labor geht, das zu dem Zeitpunkt noch an der La Trobe University war, die circa 12 Kilometer außerhalb von Melbourne liegt. Aber während ich zu der Zeit in Deutschland war, ist das Labor an die Uni of Melbourne gewechselt. Das war eigentlich ganz gut im Nachhinein, denn die Uni ist ja prestigeträchtiger und anerkannter. Und die Uni ist natürlich deutlich näher an der Innenstadt von Melbourne, was einem natürlich nochmal mehr Möglichkeiten eröffnet.

College Contact:
Merkst du das in deiner Forschung und gab es weitere Faktoren, die deine Entscheidung beeinflusst haben? Der sehr gute Ruf der University of Melbourne als „Group of Eight-University“ zum Beispiel?

"[E]s gibt diverse Kooperationen zwischen den einzelnen Instituten."

Gut vernetzt: Auf dem modernen City-Campus der University of Melbourne sind Kooperationen zwischen den Fachbereichen einfach aufzubauen.

Svenja Fritzlar:
Ja und nein. Was die Forschungsgelder angeht, ist es wie überall anders auch. Es ist schwierig sie zu bekommen. Es gab hier letztens auch einen Regierungswechsel und einen großen Einschnitt bei den Fördergeldern. Andererseits muss man sagen, dass die University of Melbourne selbst natürlich viel versucht gegenzusteuern.

Als ich hier angekommen bin, war ich auch sehr beeindruckt. Das Labor ist brandneu und hat die beste Ausstattung, die man sich vorstellen kann. Man merkt also schon, dass die University of Melbourne jetzt viel in neue Forschung investiert. Es werden neue Komplexe gebaut, die auch alle ineinander verschachtelt sind und es gibt diverse Kooperationen zwischen den einzelnen Instituten. Da tut sich schon sehr viel.

College Contact:
Wie findet die Betreuung deiner Promotion statt?

Svenja Fritzlar:
So einen unkomplizierten Betreuer habe ich noch nie gehabt. Nicht im Bachelorstudium und auch nicht im Master. Mein Doktorvater ist eine große Hilfe und kann immer einen guten Rat geben, bei den diversen Projekten, die man so laufen hat. Aber auf der anderen Seite ist er auch sehr entspannt. Auch arbeitsaufwandtechnisch.

Mein Betreuer weiß auch, dass wir am Wochenende mal da sind und dass wir auch mal abends länger da sind. Gerade weil bei dem Virus mit dem ich arbeite, die Infektionen und die Experimente, die man damit macht, über 12 Stunden gehen. Das heißt, man geht dann spät abends nochmal ins Labor um am Morgen danach, um die ganzen Analysen zu machen.

Weil das so ist, ist er auch ganz entspannt, wie lange am Tag man da ist. Ihm ist einfach nur wichtig, dass man weiß, was man tut und das man seine Arbeit in der Zeit, wie lange man auch immer dafür braucht, geschafft kriegt. Man kriegt sehr viel Verantwortung, hat aber auch sehr viel Freiraum.

College Contact:
Ich vermute, du hast dich vor oder während deiner Promotion auch mit deutschen Promovenden deines Fachbereichs ausgetauscht. Sind dir Unterschiede aufgefallen?

Flexible Arbeitszeiten und flache Hierarchien: Eine Promotion im Ausland unterscheidet sich in einigen Punkten vom Doktorstudium in Deutschland.

Svenja Fritzlar:
Das kommt natürlich immer auf die Situation an. Aber allgemein ist das persönliche Verhältnis mit dem Chef in Deutschland schon ganz anders. Obwohl mein Doktorvater schon eine sehr positive Ausnahme ist. Ich glaube nicht, dass alle hier so sind.

Aber es gibt so einfache Dinge hier, zum Beispiel, dass es hier nicht das „Du“ und „Sie“ gibt, sondern, dass es alles einfach gleich ist. Das ist schon so eine Barriere, die dann nicht mehr da ist und macht das Arbeiten einfacher würde ich sagen. Es kommt, glaube ich, auch immer auf die Größe von dem Labor an und die Strukturen darin. Wir sind ein recht kleines Labor und überwiegend Doktoranden. Das heißt, wir sind alle in einer „Eins zu Eins-Betreuung“ mit unserem Professor.

Ich kenne das aber durchaus anders aus Erzählungen in Deutschland, wo es oftmals nicht so flexibel gehandhabt wird. Was ich mir vorstellen könnte, woran das auch liegt, ist, dass es in Deutschland Doktoranden überwiegend in Festanstellung arbeiten, und man deshalb auch mehr Verpflichtungen in dieser Hinsicht hat. Hier ist man ja vor allem durch Stipendien gefördert. Da sehe ich schon Unterschiede zwischen Deutschland und Australien. Aber ich glaube das kommt immer auch auf den Einzelfall an. Aber es geht hier im Allgemeinen weniger förmlich zu.

College Contact:
Du bist auch Stipendiatin des renommierten Victorian International Research Scholarship. Wie verlief die Bewerbung um das Stipendium?

Svenja Fritzlar:
Ja, das ging eigentlich recht schnell. Im Juni habe ich den Master fertig gemacht und dann direkt angefangen mir die Bewerbung anzugucken für das Stipendium. Denn man muss sich sowohl für einen Studienplatz, als auch für ein Stipendium bewerben. Was ja auch Sinn macht, denn es ist finanziell ja nicht wirklich möglich ohne ein Stipendium diesen Studienplatz zu halten.

Ja, dann war das sehr hilfreich, dass ich Katharina, die Studienberaterin bei College Contact ist, kennengelernt habe und die mir wirklich viel bei der Bewerbung geholfen hat. Vor allem auch einfach um eine zweite Meinung zu haben, weil ich mir auch unsicher war, wie ich jetzt dies oder das schreiben soll. Obwohl man ja auch viel Englisch in der Uni spricht und obwohl ich dann auch ein halbes Jahr in Australien war. So ein Formular auszufüllen ist dann immer etwas ganz anderes, als man so denkt. Wir haben uns da gemeinsam durchgearbeitet und die Bewerbung abgeschickt. Danach hieß es, dass der Bewerbungsprozess durchaus dauern kann und es war ja auch überhaupt nicht sicher, ob ich das bekomme oder nicht. Es war natürlich schon so ein bisschen gewagt, würde ich sagen, denn ich hab nebenher keine anderen Pläne gehabt. Aber dann hat das alles geklappt und ich habe recht schnell auch die Entscheidung bekommen.

"Melbourne ist eine Multi-Kulti-Stadt"

College Contact:
Wie bewertest du deine Entscheidung, die Promotion im Ausland zu machen. Würdest du es weiterempfehlen?

Die bereits mehrfach als "lebenswerteste Stadt der Welt" ausgezeichnete Metropole Melbourne ist einer der schönsten Studienorte weltweit.

Svenja Fritzlar:
Das ist schwierig. Wie bei jedem Auslandsstudium, würde ich sagen, kann es jedem nur gut tun und positiv sein den Sprung in die Ferne zu wagen. Aber das kommt natürlich darauf an. Die Landessprache zu sprechen hilft einem deutlich weiter. Und gerade Melbourne ist eine Multi-Kulti-Stadt, was mich sehr begeistert und was mir natürlich auch durchaus weiterhilft, weil alle hier sozusagen willkommen sind. Man wird nicht komisch angeguckt, wenn man nicht Australier ist, sondern eher neugierig ausgefragt. Die Sicht auf viele Dinge ist hier anders. Immer, wenn ich nachhause fliege für einen Besuch in Deutschland, dann finde ich mehr und mehr Unterschiede. Das Wetter ist natürlich einer. Aber ein anderer ist auch die Einstellung. Ich habe immer das Gefühl in Deutschland ist das Glas so halbleer und hier wird es eigentlich immer als halbvoll gesehen. Und wenn mal irgendwas schiefgeht, na gut, dann geht es schief, machen wir halt weiter. Und das gefällt mir eigentlich sehr gut hier, diese grundlegend positive Einstellung.

Und es sind natürlich zwei große Schritte. Einmal ins Ausland gehen und dann eine Promotion starten. Die wollen beide gut überlegt sein. Aber das lehrt einen selbst auch diverse Dinge: Wie man richtig organisiert und ob man Situationen meistert. Darum, ich glaube nicht, dass es etwas Schlechtes ist, diesen Schritt zu machen. Aber es kommt auch immer ein bisschen darauf an, wo man hinkommt. Es ist immer gut, wenn man da schon einmal war und einen Blick auf alles geworfen hat. Und wenn es einem dann gefällt, dann kann man immer noch sagen, auf ins Doktorstudium.

College Contact:
Vielen Dank für das Interview!