Facts zum sog. "Class Crashing" in den USA
Autor: Alexandra Michel
An den meisten unserer amerikanischen Partnerhochschulen erfolgt die Kurswahl für die Semesterprogramme im Rahmen des sogenannten „Class Crashing“. Anders als Studenten, die ihr komplettes Bachelor- oder Masterstudium an der jeweiligen Hochschule absolvieren, können internationale Semesterstudenten ihre Kurse nicht vor Beginn des Semesters online über das Intranet der Hochschule wählen. Stattdessen wird die Teilnahme an den Kursen direkt vor Ort mit den Dozenten (oft auch mit den Fachbereichen und den „Academic Advisors“) persönlich besprochen.
Je nach Studienfach und Hochschule können sich der genaue Ablauf des „Class Crashing“ und die Chancen auf einen Platz in den gewünschten Kursen stark unterscheiden. Da das Grundprinzip aber bei fast allen Hochschulen gleich ist, lest euch bitte die folgenden Informationen gut durch.
Wir haben für euch häufig gestellte Fragen zu diesem Thema zusammengestellt. Diese Informationen sollen helfen das für die USA typische Kurswahlverfahren besser zu verstehen und euch die Vorbereitung zu erleichtern. Weitere Fragen dazu beantworten wir euch natürlich gern!
Was ist das „Class Crashing“ genau?
Das „Class Crashing“ bezeichnet ein bestimmtes Kurswahlverfahren, das an vielen amerikanischen Hochschulen vor allem für internationale Semesterstudenten üblich ist.
Studenten, die an der jeweiligen Hochschule für ein komplettes Bachelor- oder Masterstudium eingeschrieben sind, (die sogenannten „Degree Seeking Students“) können ähnlich wie an einigen deutschen Hochschulen und Fachhochschulen ihre Kurse bereits vor Beginn des Semesters oder Trimesters online wählen. Wie an deutschen Hochschulen müssen auch an amerikanischen Hochschulen die Studenten einem recht genauen Studienverlaufsplan folgen und ihre Kurse in einer vorgegebenen Reihenfolge belegen. Bei der Kurswahl im Intranet wird daher in der Regel überprüft, ob die „richtigen“ Kurse belegt werden und ob der sich registrierende Student die für seine Wunschkurse notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Häufig haben die Kurse so genannte „Prerequisites“. Das sind fachliche Vorkenntnisse, die der Student bereits durch vorherige Kurse erfolgreich abgeschlossen haben muss, bevor er sich für den darauf aufbauenden Kurs registrieren darf.
Als internationale Semesterstudenten könnt ihr dieses System der Onlinekurswahl in der Regel nicht nutzen. Im Intranet der Hochschulen gibt es keine Informationen darüber, welche Kurse ihr bereits im Vorfeld belegt habt. Somit können die Kursvoraussetzungen auch nicht online überprüft werden. Zudem wird von euch eine höhere Flexibilität bei der Kurswahl erwartet, da ihr an der Gasthochschule keinen Abschluss machen werdet, sondern nur für ein oder zwei Semester bleibt.
Eure Kurswahl findet daher an den meisten Hochschulen nicht vor dem Semester online statt, sondern nach Beginn des Semesters in Absprache mit den Dozenten. Dazu überprüfen die Dozenten anhand eurer englischsprachigen Notenübersicht („Transcript“), ob ihr für die Teilnahme an dem Kurs fachlich ausreichend qualifiziert seid. Außerdem wird geprüft, ob in dem jeweiligen Kurs noch Plätze frei sind. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, ist die Aufnahme in den Kursen meist kein Problem.
Wenn die Kurse schon voll sind, müssen die Dozenten entscheiden, ob sie den Kurs erweitern und wie viele Studenten sie gegebenenfalls noch aufnehmen können. Häufig wird dies nicht beim ersten Veranstaltungstermin entschieden. Viele der einheimischen Studenten wählen zunächst mehr Kurse als nötig und wählen einige später wieder ab. Dadurch können sich für euch Möglichkeiten ergeben, doch noch an Kursen teilzunehmen, die zuvor bereits voll waren.
Eine Garantie für ganz bestimmte Kurse gibt es an Hochschulen, an denen die Kurse „gecrasht“ werden müssen, jedoch nicht. Ihr solltet immer damit rechnen, dass die Kurswahl anfangs schwierig ist und nicht alle Wünsche in Bezug auf die Kurswahl in Erfüllung gehen können.
Warum werden die einheimischen Studenten bei der Platzvergabe bevorzugt?
Verständlicherweise sind die Hochschulen verpflichtet, Studenten, die bei ihnen ein komplettes Studium absolvieren und hierzu ganz bestimmte Kurse in einer festen Reihenfolge belegen müssen, vorrangig zu behandeln. Genauso bekommt ihr an eurer Heimathochschule vermutlich auch erst den Platz in einem Kurs, der in eurem Studienverlaufsplan fest vorgesehen ist, bevor Gaststudenten aus anderen Ländern aufgenommen werden. Von internationalen Semesterstudenten wird generell, ob nun in Deutschland oder in den USA, einfach ein etwas höheres Maß an Flexibilität erwartet.
Ist es nicht unfair, dass die Kurse erst vor Ort gewählt werden können, obwohl internationale Semesterstudenten so hohe Studiengebühren zahlen?
Natürlich wäre es schön, wenn die Studiengebühren eine vorherige Kursregistrierung beinhalten würden, dies ist jedoch leider nicht üblich. Ihr zahlt als Semesterstudenten übrigens nicht – wie oft angenommen wird – sehr viel mehr als die einheimischen Studenten, auch wenn deren eigentlichen Studiengebühren niedriger aussehen. Da die staatlichen Hochschulen in den USA größtenteils durch Steuergelder finanziert werden, bezahlen die amerikanischen Studenten (bzw. deren Eltern) über die Steuern schon einen Teil des Studiums - genauso wie ihr (bzw. eure Eltern) hier in Deutschland. Das betrifft übrigens auch scheinbar höhere Kosten für das Fitness-Studio, den Eintritt zu Sportveranstaltungen auf dem Campus und ähnliches.
Kann das „Class Crashing“ umgangen werden, wenn man sich für ein anderes Programm der Hochschule bewirbt?
Eine vorherige Kurswahl ist in der Regel höchstens dann möglich, wenn ihr über eine Hochschulkooperation an der Gasthochschule studiert oder das komplette Studium an der amerikanischen Hochschule absolviert. Wenn Freunde von euch über ein Austauschprogramm ihrer Heimathochschule in den USA studiert haben, kann es daher durchaus sein, dass sie das „Class Crashing“ nicht mitmachen mussten. Jeder, der sich aber ohne Hochschulkooperation für ein Semesterprogramm bewirbt, muss damit rechnen, „crashen“ zu müssen, wenn er nicht an eine der wenigen Hochschulen geht, an denen eine Kurswahl schon vorab möglich ist.
Liegt es an College Contact, dass ihr die Kurse crashen müsst?
Nein, das „Class Crashing“ gilt für alle Studenten, die sich für ein Semesterprogramm bewerben, egal, ob über uns, eine andere Organisation oder als Direktbewerber. Das Semesterprogramm und die Bedingungen der Kurswahl sind immer gleich.
Wovon hängt es ab, ob ihr einen Platz in euren Wunschkursen bekommt?
Ob ihr einen Platz bekommen könnt, hängt vor allem von der Kursgröße ab. Manchmal haben Dozenten die Möglichkeit, über die offiziell maximale Teilnehmerzahl noch zusätzliche Teilnehmer aufnehmen. Auch eure bisherigen Studienleistungen und Vorkenntnisse können hierbei eine Rolle spielen. Deshalb ist es wichtig, eine aktuelle englischsprachige Notenübersicht (das „Transcript“) mitzunehmen.
An manchen Hochschulen wird zusammen mit der Bewerbung eine Wunschkursliste eingereicht. Bedeutet dies, dass ihr an den Kursen auf eurer Liste auf jeden Fall teilnehmen könnt?
Nein, die Wunschkursliste, die ihr bei einer Bewerbung für die meisten Hochschulen einreichen müsst, ist keine Kursregistrierung. Sie dient der Hochschule nur zur Vorbereitung auf eure Kurswahl, um beispielsweise die Fachbereiche „vorwarnen“ zu können, wenn das Interesse an einzelnen Kursen besonders hoch ist. Manchmal kann die Hochschule bei großem Interesse noch zusätzliche Kurse, sogenannte „Sessions“ einrichten. Die Kurswahl selbst erfolgt also auch bei Einreichen einer Wunschkursliste erst vor Ort zu Beginn des Semesters.
Ist das „Class Crashing“ an allen Hochschulen und für alle Studenten gleich schwierig?
Wie leicht oder schwierig es ist, in bestimmte Kurse zu kommen, hängt von vielen Faktoren ab: Zum Beispiel vom Studienfach und von der Nachfrage an den Kursen im jeweiligen Semester. Darum ist es nicht möglich, generelle Aussagen darüber zu treffen, an welchen Hochschulen die Kurswahl vor Ort besser oder schlechter klappt.
In besonders beliebten Fachrichtungen – wie zum Beispiel BWL – gibt es oft weniger Plätze als Interessenten. Daher müsst ihr in diesen Fachbereichen mit Schwierigkeiten rechnen und euch auf ein längeres „Class Crashing“ einstellen, als jemand, der beispielsweise Biologie studiert. Nicht jeder wird also Schwierigkeiten bei der Kurswahl haben. Jeder sollte aber damit rechnen, dass er auf Alternativkurse ausweichen muss, da es immer vorkommen kann, dass Kurse schon voll sind oder diese sich beispielsweise zeitlich überschneiden.
Wie könnt ihr euch auf das „Class Crashing“ vorbereiten?
Ihr solltet euch bereits vor Programmbeginn genau mit dem Kursangebot vertraut machen. Am besten schaut ihr schon in der Bewerbungsphase nach, welche Kurse in dem Semester, an dem ihr an der Uni studieren werdet, angeboten werden. Sollte das Angebot des entsprechenden Semesters noch nicht feststehen, könnt ihr euch erst einmal am Vorjahresplan orientieren; häufig ist das Angebot ähnlich.
Besprecht mit eurer Heimathochschule, welche Kurse euch angerechnet werden können. Wichtig ist, dass ihr euch dabei nicht nur 3-4 Kurse pro Semester aussucht, sondern mindestens doppelt bis dreifach so viele Kurse, wie nötig. Je mehr Kurse für euch in Frage kommen, desto flexibler seid ihr vor Ort und desto stressfreier verläuft die Kurswahl. Vor Ort könnt ihr dann auf die bereits von der Heimathochschule „abgesegnete“ Alternativkursliste zurückgreifen, sollte es mit den Wunschkursen nicht klappen. Und dieses Thema über die Entfernung noch mit der Heimathochschule zu besprechen entfällt auch.
Wie fragt ihr die Dozenten am besten nach einem Platz?
Wichtig ist, dass ihr immer freundlich und positiv auf die Dozenten zugeht. Bleibt auch dann höflich, wenn der Dozent euch erst einmal nicht in den Kurs aufnehmen kann. Gerade uns Deutschen mit unserer direkten Art fällt das häufig schwer ;-) Mit forderndem oder vielleicht sogar unhöflichen Verhalten erreicht man jedoch gar nichts.
Zudem empfehlen wir, wenn möglich nicht als Gruppe zu den Dozenten zu gehen. Dann sagen sie eher Nein, als wenn ihr einzeln erscheint. Sinnvoll ist es auch, die Kurswahl begründen zu können, also erklären zu können, wie euer Wunschkurs in euren Studienverlauf passt. Begründet, was euch besonders interessiert und weshalb eure Heimathochschule möchte, dass ihr diesen Kurs belegt.
Was könnt ihr tun, wenn die Dozenten euch nicht mehr in den Kurs aufnehmen wollen?
Im Stundenplan („Schedule of Classes“) oder Intranet lässt sich bei den meisten amerikanischen Hochschulen verfolgen, wie viele Plätze in den einzelnen Kursen zur Verfügung stehen, wie viele Plätze schon vergeben sind und wie lang die Warteliste ist. Gerade während der ersten Tage des Semesters sind viele Kurse schon belegt und die Dozenten können erst einmal keine weiteren Studenten aufnehmen. Nach kurzer Zeit ändert sich die Situation aber meist, da die einheimischen Studenten ihre Kurse noch tauschen und so wieder Plätze frei werden, die dann an internationale Studenten vergeben werden können.
Diese sogenannte „Add and Drop Period“ dauert meist bis zu drei Wochen. Daher solltet ihr in den ersten Wochen regelmäßig zu möglichst vielen Kursen gehen, um zum einen Interesse zu zeigen und zum anderen auch nichts zu verpassen, für den Fall, dass die Teilnahme am Kurs doch noch möglich ist. Auch wenn es zuerst so aussieht, als könntet ihr nicht am Kurs teilnehmen, besteht also noch die Chance, dass ihr nach den ersten Wochen doch noch in euren Wunschkurs kommt.
Auch solltet ihr schauen, ob der Kurs vielleicht mehrmals angeboten wird. Manchmal sind Veranstaltungen, die zu etwas unbeliebteren Zeiten, zum Beispiel am Freitag oder am Montagmorgen, stattfinden, noch offen.
Wenn es mit einem Kurs aber tatsächlich nicht klappt, ist das zwar schade, aber für den Fall habt ihr ja genügend Alternativkurse mit eurer Heimathochschule abgesprochen.
Als kleiner Tipp:
Ihr könnt auch einfach einmal über den „Tellerrand“ schauen und zum Beispiel in anderen Fachbereichen nach thematisch geeigneten Kursen suchen. Häufig werden nämlich inhaltlich ähnliche Kurse in unterschiedlichen Fachbereich angeboten. Wir hören immer wieder von Studenten, die sich vor Ort für Kurse entschieden haben, die sie ursprünglich nicht auf ihrer „Wunschkursliste“ hatten, die sich im Nachhinein aber als super Alternative herausgestellt haben.
Was macht ihr, wenn ihr ganz bestimmte Kurse braucht?
Das ist in den USA leider tatsächlich schwierig. Es gibt zwar ein paar Hochschulen, an denen die Kurse vor Programmbeginn gewählt werden können, aber auch hier gibt es keine Garantie, dass ihr an all euren Wunschkursen teilnehmen könnt. So kann es sein, dass Kurse sich zeitlich überschneiden oder ihr die fachlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Zum Teil erfahrt ihr zudem erst sehr kurzfristig vor Programmbeginn, für welche Kurse ihr eingeschrieben werden konntet. Ohne eine gewisse Flexibilität funktioniert es also auch bei diesen Hochschulen leider nicht.
Wenn euch diese Flexibilität nicht möglich ist oder die Kurswahl euch zu unsicher ist, könnt ihr natürlich auch überlegen, ob ggf. eine Hochschule in einem anderen Land besser für euch geeignet wäre, denn in Australien, Neuseeland oder Kanada findet die Kurswahl an fast allen Unis bereits vor Programmbeginn statt.