2 Nov 2015
Live von der UC San Diego

College-Contact-Stipendiat Johannes Schäfer im Interview

College-Contact-Stipendiat Johannes Schäfer bei seinem Abstecher in die Wüste

Zum Lernen an den Strand, für ein Outback Adventure in die Wüste - unser Semesterstipendiat Johannes lässt es sich gut gehen in San Diego. Der Mathestudent steckt mittendrin in seinem Auslandssemester an der University of California San Diego - und zieht schon jetzt eine positive Zwischenbilanz.

Ein Gespräch über den lockeren Umgang mit den Professoren, Johannes' glückliches Händchen bei der Kurswahl und seine Erfahrungen als Kunstturner in den USA.


College Contact:
Johannes, du bist gerade frisch zurück von einem Campingwochenende in der Wüste. Lässt du uns ein bisschen an deinen Erlebnissen teilhaben?

Johannes Schäfer:

Es war sehr beeindruckend. Wüste hat man in Europa natürlich nicht. Der Nationalpark, in dem wir waren heißt Joshua Tree National Park, weil da so palmenartige Pflanzen wachsen. Die sehen ganz verrückt aus, weil die Äste in alle Richtungen ragen. Hauptsächlich waren wir da, um zu wandern und zu klettern, weil der Joshua Tree National Park auch berühmt für viele einfache Klettersteige ist.

Wir waren eine kleine Gruppe von 11 Leuten, darunter waren drei Guides, ein anderer aus Deutschland, zwei Brasilianer und die restlichen waren Einheimische. Das war ziemlich cool, weil man mehr in Kontakt mit Einheimischen gekommen ist und mit denen abends am Lagerfeuer geredet hat.


College Contact:
Du scheinst dich ja richtig gut eingelebt zu haben. Wie hast du denn deine ersten Wochen in San Diego erlebt?

Johannes Schäfer:
Ich kam eine Woche vor dem Orientierungstreffen an. Meine Wohnung habe ich über eine Agentur namens Anatolia Housing gebucht. Die vermittelt Apartments für Studierende an der UCSD mit Roommates zusammen. Ich habe mein eigenes Zimmer, aber in dem Apartment leben noch zwei Brasilianer. Die sind soweit ganz nett, nur manchmal ein bisschen anstrengend, weil sie sehr viel feiern.

Und sonst hat man an dem Einführungstag natürlich sofort ganz viele Leute kennengelernt. Die ganzen internationalen Studierenden so wie ich - ungefähr 200 - waren dann da den ganzen Tag mit Veranstaltungen. Wir haben den Campus gezeigt bekommen, haben Nummern ausgetauscht, damit man ein paar Kontakte hat.

Beide Daumen hoch: Johannes fühlt sich auf dem Campus der UCSD richtig wohl.

Das Spannende war aber eigentlich die Kurswahl. Man wusste vorher noch überhaupt nicht, in was für Kurse man reinkommt, weil man die Unterschrift des Professors brauchte und in manchen Fachbereichen auch noch einen Stempel vom Department. Das hat im Allgemeinen viel Stress bedeutet, weil vor allem die Wirtschaftskurse sehr überfüllt sind - das habe ich von vielen Leuten mitbekommen.

Bei mir war es allerdings anders. Ich hatte ziemliches Glück, denn es war im Wesentlichen genauso, wie ich mir das gedacht hatte: Ein Matheprofessor ist in der Regel froh, wenn er Leute findet, die das auch interessiert, was er so in seinem Kurs erzählt. Die Kurse, die ich wählen wollte, waren sowieso klein. Die waren nicht überfüllt. Wir sind maximal 15 Leute. Es war überhaupt gar kein Problem, in meine Wunschkurse zu kommen. Deshalb bin ich ziemlich glücklich, weil die Kurse sehr interessant sind und im Wesentlichen genau das, was ich haben wollte.


College Contact:
Inwiefern haben dich die Kurse schon in Bezug auf deine Bachelorarbeit weitergebracht?

Johannes Schäfer:
Ich habe zwei Mathekurse gewählt, einen in Differential Geometry - genau das was ich wollte für meine Bachelorarbeit. Und der andere in Topologie, das ist sozusagen ein Supporting-Kurs für mein Thema. Es ist nicht 100%ig das, was ich niederschreiben werde, aber man kriegt eine fundierte Grundlage in dem Themenbereich.

Und dann habe ich mich doch dazu entschieden, einen Englischkurs zu machen an der UCSD Extension. Ich hab mich für einen Kurs entschieden, der sich hauptsächlich auf Grammatik- und Vokabelkenntnisse stützt. Das ist für mich ganz gut, nochmal eine kleine Grammatikwiederholung zu kriegen, weil ich mein Englisch seit der Schule nicht mehr weitergeübt habe.


„Also die Atmosphäre, in der man lernt, gefällt mir richtig gut.“


College Contact:
Bei geistes- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächern ist es klar, dass sich die Herangehensweise je nach Kultur unterscheidet. Wie ist das in der Mathematik?

Johannes Schäfer:
Im Wesentlichen machen die genauso Mathematik, wie wir Mathematik in Deutschland machen. Die kochen auch nur mit Wasser. Die Lectures an sich laufen genauso ab wie in Deutschland. Man sitzt halt nicht in einer großen Lecture Hall, sondern im kleinen Seminarraum.

Top ausgestattet: Die UCSD besticht durch ihre große Bibliothek, ein umfassendes Freizeitangebot und verschiedenste Serviceeinrichtungen.

Was ein bisschen anders ist, ist der Umgang mit dem Professor. Man duzt nämlich die Professoren. Als ein Professor während der Vorlesung mit „Herr Professor“ angesprochen wurde, hat er gesagt, dass er beim Vornamen angeredet werden will. Das macht die Atmosphäre natürlich ein bisschen entspannter. Man sitzt da nicht unter Druck, sondern es ist mehr ein freundlicher Kreis. Die Professoren sind auch nicht formal angezogen. Der Professor in Differential Geometry kommt immer in einer dreckigen Malerjeans und einem ungebügelten T-Shirt in die Vorlesung. Das stört keinen.

Allgemein sind die Professoren sehr freundlich und hilfsbereit. Die haben uns mal eingeladen, zu deren Office Hours zu kommen. Und auch die TAs, also die Teaching Assistants, halten Discussion Sections, wo man die Hausaufgaben bespricht. Also die Atmosphäre, in der man lernt, gefällt mir richtig gut.


College Contact:
Hast du bei alldem auch schon die Zeit finden können, andere Kunstturner kennenzulernen?

Johannes Schäfer:
Oh ja. Das war sehr spannend. Das Gym ist nicht am Campus selber, sondern es ist ein privates Gym. Es war anfangs ein bisschen schwierig, dorthin zu kommen, weil das öffentliche Verkehrsnetz hier ziemlich unterentwickelt ist. Deshalb habe ich mir für einen Tag ein Auto gemietet, um einfach mal hinzufahren.

Als ich da war, war die Atmosphäre super freundlich, aber das ist im Turnen sowieso der Fall, weil es immer ein kleiner Kreis ist. Weil ich ein etwas höheres Niveau hatte, waren die alle begeistert, als sie mich turnen gesehen haben. Da wurde man sofort integriert. Dann habe ich ihnen mein Problem mit dem Anreiseweg zur Turnhalle erzählt und einer hat sich sofort bereit erklärt, mich mitzunehmen. Deshalb fahre ich jetzt jeden Dienstag mit ihm dorthin und trainiere mit den Jungs für drei Stunden. Und das ist ziemlich cool, weil man viele Native Speakers um sich hat.


College Contact:
Sind dir auch Unterschiede aufgefallen in der Art, wie trainiert wird?

Johannes Schäfer:
Das Ganze nennt sich Open Gym. Jeder ist dazu eingeladen, das zu machen, was er gerne möchte. Also es ist kein richtiges Training, bei dem dort ein Trainer steht und alle machen, was er sagt, sondern jeder trainiert für sich - gegen ein kleines Entgelt.

Im Vergleich zur Uni stammen die Leute, die man im Gym trifft, eher aus einfacheren Verhältnissen. Deswegen ist das eigentlich noch viel cooler, auch mal die andere Seite von Amerika zu sehen, weil die Leute schon größere Probleme im Leben haben als die Studierenden an der UCSD. Die sind total nett und aufgeschlossen, nur deren Lebensverhältnisse haben sich halt in einem anderen Umfeld entwickelt. Deshalb ist es eigentlich umso interessanter, etwas aus deren Leben zu erfahren.


„Das Ganze [fühlt sich] hier mehr wie ein langer Urlaub an als wirkliche Arbeit.“


College Contact:
Gab es etwas in deiner Zeit in San Diego sonst noch etwas, was dich besonders überrascht hat?

Johannes Schäfer:

Am Strand lernt es sich gleich doppelt gut. Das kann Johannes nur bestätigen.

Ja, das Essen! Also die Esskultur hier ist schon unterirdisch. Es ist genauso, wie man sich das vorstellt. Man isst den ganzen Tag Fast-Food. In der Uni kriegt man wirklich nichts anderes. Da gibt es das sogenannte Price Center, wo die Fast-Food-Ketten ihre Stände haben und wo jeder zu Mittag isst.

Das hat mich doch ziemlich überrascht, dass man nichts Vernünftiges zum Mittagessen kriegt, so wie man das aus deutschen Unis gewöhnt ist. Dass man eine Kantine hat, die auch eine gewisse Qualität vorweisen kann. Das Essen, das man hier kriegt, ist schon sehr gewöhnungsbedürftig und ziemlich ungesund. Aber das ist mit dem Bussystem auch das einzig Negative, was mir hier aufgefallen ist.

Sonst hat mich überrascht, wie schön der Strand ist. Man hat halt den ziemlichen Luxus, dass der Strand - je nachdem, wo man an der Uni ist - 15 bis 20 Minuten Fußweg entfernt ist. Der Strand nennt sich hier Black‘s Beach. Er ist ein bisschen anders als die ganzen anderen Strände in San Diego, wie zum Beispiel Pacific Beach Richtung Downtown. Das sind mehr so die Strände für Touristen, wo es wirklich voll ist, Handtuch an Handtuch. Der Black’s Beach ist ein bisschen leerer. Da ist fast niemand. Das ist immer sehr entspannt.

Ich persönlich lerne auch sehr gerne am Strand, weil ich einfach keine Lust habe, die ganze Zeit irgendwo drin zu sitzen. Deshalb fühlt sich das Ganze hier mehr wie ein langer Urlaub an als wirkliche Arbeit.


College Contact: Um nochmal zu deinem Wüstentrip zurückzukommen: Ist dein Stipendium dafür draufgegangen?

Johannes Schäfer:
Genau. Das Geld habe ich im Wesentlichen benutzt, um mir diesen Trip zu gönnen. Die Uni an sich beziehungsweise die Abteilung UCSD Recreation bietet Trips an, Outback Adventures nennen die sich. Das bietet sich hier natürlich auch von der Lage an, weil man die ganzen National Parks nicht weit entfernt hat. Das war ein Teil des Stipendiengeldes, aber sonst ist das Geld auch sehr nützlich, weil das Leben an sich hier relativ teuer ist. Wenn man wirklich satt werden möchte, zahlt man an die USD 10 pro Mahlzeit, was ja schon ziemlich happig ist.


College Contact:
Zum Abschluss würde uns interessieren, wie dein erstes Zwischenfazit ausfällt?

Johannes Schäfer:
Universität und Campus gefallen mir auf jeden Fall super. Der Campus wirkt sehr natürlich. Da fahren keine Autos rum, dadurch ist es relativ ruhig. Die Atmosphäre der Uni gefällt mir ziemlich gut, die Kurse 1A. Beide Daumen hoch. Da lerne ich sehr viel. Deswegen hat sich das auf jeden Fall gelohnt. Das Freizeitangebot und der Freizeitwert sind auch unfassbar groß. Das gefällt mir super. Ich sag mal, wenn man selber kocht, dann kommt man auch mit dem Essen klar.

Ich würde ein durchweg positives Fazit ziehen mit kleinem Abzug wegen dem Bussystem, weil es schon anstrengend ist. Man müsste eigentlich ein Auto haben, wenn man wirklich hier leben würde, aber für drei Monate kommt man mit dem Bus auch zurecht. Sonst gefällt es mir super gut hier.


Ob sich Johannes doch noch mit der amerikanischen Küche anfreunden kann? Wir lassen uns überraschen. Eines steht jedoch außer Zweifel: dass der 22-Jährige seine verbleibende Zeit in Kalifornien bestmöglich nutzen wird.