Kulturelle Unterschiede im Auslandsstudium

Sei es in Spanien, Großbritannien, USA, Chile, Malaysia oder China: Während eures Auslandsstudiums seid ihr mit diversen kulturellen Unterschieden konfrontiert. Einige davon habt ihr gewiss erwartet, mit einigen davon habt ihr hingegen überhaupt nicht gerechnet und ihr seid positiv oder auch negativ überrascht. Jeder, der in ein anderes Land kommt, sei es, um dort Urlaub zu machen oder sei es, um dort für eine längere Zeit zu leben, hat sich zuvor ein Bild von diesem Land gemacht und hat bestimmte Vorstellungen und Erwartungen, die mehr oder weniger realistisch sind. Doch woran lassen sich eigentlich kulturelle Unterschiede festmachen und wie geht ihr während eures Auslandsstudiums am besten mit ihnen um? Hier geben wir euch Antworten, Beispiele und Tipps!

Sichtbare und unsichtbare kulturelle Unterschiede

Während eures Auslandsstudiums lernt ihr auch den Umgang mit kulturellen Unterschieden.

Jede Kultur ist einzigartig. Allein aufgrund der Tatsache, dass sich die eine Kultur von der anderen unterscheidet, lassen sich überhaupt einzelne Kulturen ausmachen und beschreiben. Mit "kulturellen Unterschieden“ sind kulturelle Differenzen gemeint, die ihr individuell in einer interkulturellen Situation wahrnehmt. Die Wahrnehmung oder Feststellung kultureller Unterschiede ist also zunächst einmal relativ und vor allem subjektiv. Die wahrgenommen kulturellen Unterschiede resultieren aus der Tatsache, dass Kulturen unterschiedliche Werte und Konzepte in Bezug auf die Lebenswelt haben und die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind.

Um diese sichtbaren und unsichtbaren Aspekte einer Kultur zu veranschaulichen, hat sich das Eisberg-Modell etabliert. Eine Kultur wird hier mit einem Eisberg verglichen: Alles das, was man rein äußerlich an einer Kultur sehen kann, wie etwa die Verhaltensweisen der Menschen, Symbole, Rituale, Architektur oder Musik, ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter liegt das Fundament der Kultur, die Wertvorstellungen und Denkmuster, aus denen heraus sich die Verhaltensregeln und -normen etabliert haben. Diese prägen eben auch die Erfahrung und die Wahrnehmung jedes einzelnen, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Was euch als „normal“ erscheint, wäre in anderen Kulturen undenkbar und umgekehrt. Diese tiefliegenden Werte der eigenen Kultur bestimmen, was ihr als böse oder gut, hässlich oder schön, paradox oder logisch empfindet.

Die Art und Weise wie kulturelle Unterschiede wahrgenommen werden, wie sie interpretiert werden und ob sie auch „ausgehalten“ werden können, hat Einfluss darauf, ob man einen Kulturschock erlebt, wie intensiv dieser ist und wie lange er andauert.


Kulturelle Dimensionen / Standards / Orientierungen

Um die tieferliegenden Werte von Kulturen zu erfassen und sie voneinander abgrenzen zu können, haben Kulturwissenschaftler wie Geert Hofstede oder Fons Trompenars verschiedene Indikatoren festgelegt, anhand derer sich bestimmte kulturelle Dimensionen beschreiben und Kulturen voneinander abgrenzen lassen.

Die Kulturdimensionen sind auf Nationalkulturen ausgelegt und die Einordnungen und Zuschreibungen folgen einem „Entweder-Oder-Schema“. Sie dienen deshalb auch nur zur groben Orientierung. Ihr solltet euch stets bewusst sein, dass es sich hier um keine allgemeingültigen Eigenschaften handelt, die alle Angehörigen einer bestimmten Kultur verkörpern. Denn es gibt nicht „die“ Europäer oder „die“ Asiaten, es gibt nicht „die“ Chinesen oder „die“ Amerikaner. Menschen sind individuell und nehmen sowohl ihre eigene Kultur als auch fremde Kulturen ganz unterschiedlich wahr.

Natürlich gibt es etablierte Strukturen, nach denen sich die Angehörigen einer Kultur meist ganz unbewusst orientieren. Aber es gibt immer auch individuelle Unterschiede. Eine Person gehört in der Regel mehreren Mikro-/Subkulturen an, an denen sie sich orientiert und die sich im Laufe eines Lebens auch immer wieder ändern können. Und auch Kulturen selbst befinden sich in einem ständigen Wandel, vor allem in Zeiten der Globalisierung. Kulturelle Grenzen sind immer offen und durchlässig. Sie hängen von der Perspektive ab und sind deshalb auch relativ.

Die folgenden Kulturdimensionen sind jedoch sehr hilfreich, um sich einen ersten Überblick darüber zu machen, welche Standards in dem Kern einer jeweiligen Kultur dominieren. Denn somit lassen sich die im Auslandsstudium festgestellten kulturellen Unterschiede zunächst einmal einordnen und die Verhaltensweisen der Menschen und ihre Orientierungen besser nachvollziehen.

1. Umgang mit Zeit

Während eures Auslandsstudiums werdet ihr feststellen, dass es auch im Umgang mit Zeit kulturelle Unterschiede gibt.

Kulturen haben einen unterschiedlichen Umgang mit Zeit. Sowohl das Zeitempfinden und die Zeitplanung/-einteilung als auch die Orientierung in Richtung Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft sind kulturell geprägt. Ebenso verhält es sich mit dem Zeithorizont in Bezug darauf, wann Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beginnen oder enden und wie lange sie andauern. Während eures Auslandsstudiums werdet ihr, abhängig davon, in welchem Land ihr studiert, feststellen, dass es im Umgang mit der Zeit große kulturelle Differenzen geben kann.

  • Monochrone Kulturen: Diese Kulturen haben eine lineare und sehr strukturierte Zeitplanung. Hier gilt: Eines nach dem Anderen. Deadlines und Termine müssen eingehalten werden und Pünktlichkeit ist sehr wichtig.
  • Polychrone Kulturen: Die Zeit wird weniger stark eingeteilt und geplant und oft werden mehrere Dinge gleichzeitig erledigt. Deadlines und Termine bieten einen Orientierungsrahmen, die jedoch nicht unbedingt verbindlich sind. Auch Uhrzeiten sind nur eine grobe Orientierung und daher spielt Pünktlichkeit eine weniger wichtige Rolle.
  • Vergangenheitsorientierte Kulturen: Kulturen, die sich überwiegend an der Vergangenheit orientieren und in denen die eigene Geschichte, Ursprünge  und Traditionen eine sehr wichtige Rolle spielen und auch gegenwärtige Entscheidungen mitbeeinflussen.
  • Gegenwartsorientierte Kulturen: Man lebt vor allem im Hier und Jetzt und interessiert sich für gegenwärtige Probleme und Fragestellungen. Weder die Vergangenheit noch der Gedanke an Zukünftiges spielen dabei eine allzu große Rolle.
  • Zukunftsorientierte Kulturen: Diese Kulturen sind sehr auf Fortschritt und Veränderung fokussiert. Der zukünftige Erfolg steht an erster Stelle, Traditionen sind nicht wichtig oder werden gegebenenfalls den modernen Bedürfnissen angepasst. Problemlösungen sind mehr auf Zukünftiges als auf Gegenwärtiges ausgerichtet.
  • Langfristige Orientierung: Die Ziele werden beharrlich und ausdauernd verfolgt, die Sparquote ist hoch und es wird viel investiert. Ausdauer und die Unterordnung unter wichtige Ziele gehören zu den Grundwerten.
  • Kurzfristige Orientierung: Das schnelle Erreichen von Zielen steht an erster Stelle, Gegenwart und Vergangenheit sind wichtiger als die Zukunft. Dementsprechend ist die Sparquote gering. Soziale Verpflichtungen und Traditionen haben einen hohen Stellenwert.

2. Machtdistanz und Umgang mit Hierarchie

Hierarchien spielen in allen Kulturen eine Rolle. Wie wichtig hierarchische Ordnungen in einer Kultur sind und wie die Mitglieder einer Kultur damit umgehen, ist jedoch kulturell sehr unterschiedlich. Wie stark eine Kultur von Hierarchien bestimmt ist, hängt damit zusammen, wie gering oder groß die Machtdistanz ausgeprägt ist. Je größer die Machtdistanz einer Kultur, umso mehr akzeptieren die weniger mächtigen Mitglieder, dass die Macht ungleich verteilt ist. Ungleichheit wird sogar erwartet.

Die Höhe der Machtdistanz einer Kultur sieht man beispielsweise auch an der Kindererziehung. Je größer die Machtdistanz einer Kultur, umso autoritärer und strenger erziehen die Eltern hier ihre Kinder und umgekehrt. Während die Machtdistanz in den mittel- und südamerikanischen, den asiatischen und arabischen Kulturkreisen hoch ist, ist sie in Nord- und Mitteleuropa eher niedrig. In Deutschland ist die Machtdistanz eher gering, in Malaysia ist sie besonders hoch. Wer beispielsweise für ein Studium nach Malaysia geht, sollte sich bewusst machen, dass hier kulturelle Unterschiede bestehen und den strengen Erziehungsstil der Eltern nicht als Bösartigkeit bewerten. Statussymbole werden in Kulturen mit einer großen Machtdistanz anerkannt während sie in Ländern mit geringer Machtdistanz eher verpönt sind.

3. Kollektivistisch / Individualistisch

In manchen Kulturen sind die Menschen von Geburt an sehr stark an eine Wir-Gruppe gebunden. Das Leben in der Großfamilie spielt eine wichtige Rolle und die Identität liegt in sozialen Netzwerken begründet. Diese Kulturen sind kollektivistisch ausgerichtet. Beziehungen sind sehr wichtig und verliert jemand in der Gruppe sein „Gesicht“, so gilt dieser Gesichtsverlust ebenfalls für die ganze Gruppe. Als sehr kollektivistische Kulturen gelten beispielsweise Länder wie Kolumbien, Guatemala oder Ecuador oder asiatische Länder wie Singapur, Thailand oder Südkorea. Japan hingegen befindet sich hier eher im Mittelfeld, ebenso wie Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Angelsächsische Länder wie die USA, Australien, Großbritannien oder Kanada sind individualistisch ausgerichtet. Hier gilt vor allem die Sorge um sich selbst und die Kernfamilie. Die Identität liegt in einem selbst begründet und jeder ist für sich selbst verantwortlich.

4. Feminin / Maskulin

Wie stark sind die Geschlechterrollen definiert? Auch dieser Aspekt ist kulturell bedingt.

In maskulinen Kulturen sind die Geschlechterrollen klar voneinander getrennt, während in femininen Kulturen die Grenzen nicht so eindeutig festgesteckt sind. Je maskuliner eine Kultur, desto ausgeprägter sind die (wohlgemerkt stereotypen) „männlichen“ Eigenschaften. Werte sind das Streben nach materiellem Erfolg und Fortschritt, Wettbewerb und Leistung. Die Arbeit im Leben ist essenziell und berufliche Anerkennung ist äußerst wichtig. In femininen Kulturen stehen die menschlichen Beziehungen an erster Stelle. Gleichheit, Solidarität und Empathie sind wichtige Verhaltensorientierungen, starkes Konkurrenzdenken wird abgelehnt. Ebenso spielt die Arbeit eine weniger wichtige Rolle im Leben.

Die kulturelle Dimension von Maskulin / Feminin ist übrigens sehr viel weniger an geographische Regionen gekoppelt. So gelten sowohl Japan, Österreich, Mexiko, Italien als auch die Schweiz und Deutschland als maskuline Nationalkulturen. Feminine Nationalkulturen sind vor allem die skandinavischen und die Benelux-Länder aber auch Frankreich und Thailand.

5. Umgang mit Unsicherheit und Ungewissheit

Kulturelle Unterschiede werdet ihr in eurem Auslandsstudium auch im Umgang mit Unsicherheiten und Ungewissheiten feststellen. Manche Kulturen haben ein sehr viel größeres Sicherheitsbedürfnis als andere Kulturen und versuchen dementsprechend Veränderungen und Risiken zu vermeiden. Unklarheiten verursachen Angst und Stress. Das Leben in unsicherheitsvermeidenden Kulturen ist stark reglementiert und strukturiert, Innovationen und Kreativität sind eher unerwünscht. Man vertraut auf Normen, Rituale und Bürokratie. Von der Norm abweichende Personen und Verhaltensweisen werden nicht toleriert. Griechenland, Portugal oder auch Guatemala gelten als Länder mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung.

Kulturen mit einer geringen Unsicherheitsvermeidung können mit Unklarheiten gut umgehen und sind sehr offen gegenüber Veränderungen. Regeln sind hier nicht so wichtig und Abweichungen vom Gewohnten werden nicht als Bedrohung wahrgenommen. Dänemark gilt als Land mit einer geringen Unsicherheitsvermeidung, Deutschland liegt in der Mitte.

6. Nachsicht / Beherrschung

Bei dieser kulturellen Dimension geht es um die Frage, inwiefern eine Kultur dazu tendiert, die persönliche Erfüllung von Wünschen und das Ausleben von Impulsen durch strenge Normen zu unterdrücken und zu kontrollieren. Bei einer geringen Kontrolle, spricht man von „Nachsicht“ (Indulgence), bei einer starken Kontrolle von "Beherrschtheit" (Restraint).

Je höher also der Wert in der Dimension Indulgence (Nachsicht), umso nachsichtiger ist die jeweilige Kultur im Umgang mit Moral und Sitte. Der Umgang unter den Geschlechtern ist locker und Müßiggang und Vergnügungen sind selbstverständlich. Die Freizeit nimmt einen hohen Stellenwert ein und das Geld sitzt eher locker in der Tasche. Diese Kulturen haben generell eine positive, optimistische Einstellung und der Umgang mit dem eigenen Körper ist locker.

Je geringer der Wert ist, umso regulierter ist der geschlechtliche Umgang und Anstand und Moral haben einen hohen Stellenwert. Impulse und Wünsche werden eher unterdrückt und keinesfalls offen ausgelebt. Stark betonte Körperlichkeit ist nicht gern gesehen, ebenso wenig heftige Gefühlsäußerungen. Und auch die Freizeit spielt hier eine untergeordnete Rolle. Diese Kulturen tendieren eher zu Zynismus und einer pessimistischen Grundeinstellung. Die Freizeit spielt eine untergeordnete Rolle.

Nachsichtige Kulturen sind beispielsweise Mexiko, Schweden, Australien und Dänemark. Sehr beherrschte Kulturen sind Russland, China und Tschechien. Deutschland und Italien befinden sich im unteren Durchschnitt, sind also eher beherrscht als nachsichtig.

7. Universal / Partikular

Hier geht es um die Frage, ob es in einer Kultur sehr strikte Regeln gibt, die ausnahmslos für alle, also universell, gelten. In diesen Kulturen sind beispielsweise Verträge absolut verbindlich und müssen eingehalten werden. In partikularistischen Gesellschaften sind Beziehungen wichtiger als Regeln. Diese sollten veränderbar sein und individuell angewendet werden. Den stärksten Grad an Universalismus weisen westliche Demokratien auf, als partikularistische Nationalkulturen gelten Südkorea, China, aber auch Indien und Russland.

8. Neutral / Affektiv

Die Art und Weise ob und wie man Emotionen zeigt, ist ebenfalls kulturell geprägt. In neutralen Kulturen werden Emotionen nicht und nur sehr dezent gezeigt und eher unterdrückt. Dies soll „Objektivität“ signalisieren, die Argumentation soll möglichst sachlich sein. Gefühlsausbrüche sind nicht erwünscht und gelten als Schwäche. Neutrale Kulturen sind im asiatischen Kulturkreis verbreitet, wie etwa in Japan, Singapur oder China.

Affektive Kulturen hingegen zeigen ihre Gefühle offen und auch der Ausbruch spontaner Gefühle in der Öffentlichkeit wird akzeptiert. Gefühle werden ganz direkt, verbal und nonverbal ausgedrückt. Affektive Kulturen finden wir vor allem im arabischsprachigen oder lateinamerikanischen Kulturkreis. Großbritannien oder Deutschland als auch nordamerikanische Länder befinden sich beispielsweise im Mittelfeld.

9. Spezifisch / Diffus

Wie steht es mit dem Verhältnis von privatem und öffentlichem Leben? Auch hier werdet ihr während eures Auslandsstudiums kulturelle Unterschiede feststellen können. Es gibt Kulturen, die Privates und Öffentliches, vor allem Geschäftliches, sehr stark voneinander trennen: Diese Kulturen sind spezifisch. Spezifische Kulturen sind beispielsweise sehr sachorientiert, da die persönliche Beziehung nicht relevant ist. Der Kommunikationsstil ist sehr direkt und eindeutig. Spezifischen Kulturen begegnen wir in Nordamerika aber auch in der Schweiz oder in den Niederlanden. Auch Deutschland ist eine spezifische Kultur.

In diffusen Kulturen werden Privatleben und öffentliches Leben weniger bis gar nicht voneinander getrennt und persönliche Beziehungen spielen eine sehr wichtigere Rolle. Der stark ausgeprägte Personenbezug zeigt sich auch in der Kommunikation: Diese ist sehr indirekt und umkreisend, um niemanden zu verletzen. Kritik wird nur „durch die Blume“ geäußert. Gleich „zur Sache zu kommen“, wie hier in Deutschland üblich, gilt in diffusen Kulturen als grob unhöflich. Hier muss erst einmal eine persönliche Atmosphäre geschaffen werden.

10. Leistung / Herkunft

Es gibt Kulturen, in denen die persönliche Leistung als wichtiger angesehen wird als die (soziale) Herkunft. Dies ist vor allem in angelsächsischen Ländern sowie in Nord- und Mitteleuropa meistens der Fall. Südeuropäische Länder als auch Länder des asiatischen Kulturkreises wie China oder Indien sind hingegen eher herkunftsorientiert.

11. Verhältnis zur Umwelt

Auch das Verhältnis zur Umwelt, ob zur natürlichen oder zur sozialen, ist stark kulturell geprägt. Kulturen tendieren entweder zu einer Innenorientierung oder zu einer Außenorientierung. Bei nach innen orientierten Kulturen glaubt man, die Natur beherrschen zu können und sein „Schicksal“ selbst in der Hand zu haben. Die Menschen agieren sehr eigenständig und scheuen keine Konfrontation.

Außenorientierte Kulturen sind von der Vorstellung geprägt, dass das eigene Schicksal von außen bestimmt wird und versuchen mit der Natur und der sozialen Umwelt in einem harmonischen Einklang zu leben. Hier neigen die Menschen eher dazu, sich unterzuordnen und anzupassen.

Während sich Länder wie Deutschland oder Polen im Mittelfeld einordnen lassen, sind Länder des asiatischen Kulturkreises überwiegend nach außen, Länder wie Spanien oder Frankreich vor allem nach innen gerichtet.

12. Umgang mit Raum: Distanzzonen

Die Art und Weise, wie der Einzelne räumliche Verhältnisse wie Nähe und Distanz wahrnimmt, ist ebenfalls kulturell beeinflusst. In manchen Kulturen ist es ganz selbstverständlich, während eines Gesprächs näher zusammenzurücken oder sich auch zwischendurch zu berühren, auch wenn man seinen Gesprächspartner erst kurz vorher kennengelernt hat. In anderen Kulturen hingegen bleibt man erst einmal auf Distanz, vor allem dann, wenn man das Gegenüber noch nicht gut kennt. Die akzeptierten Distanzzonen können also sehr stark voneinander abweichen. So ist die Distanzzone in vielen südamerikanischen Kulturen häufig geringer als in mitteleuropäischen Kulturen.


Umgang mit kulturellen Unterschieden im Auslandsstudium

Auch innerhalb einer Nationalkultur gibt es viele verschiedene Kulturen. Nicht jeder Deutsche tanzt gern Schuhplattler.

Wie ihr sehen könnt, gibt es viele verschiedene kulturelle Dimensionen, anhand derer sich kulturelle Unterschiede feststellen lassen. Wie bereits erwähnt, ist diese Herangehensweise jedoch auch sehr schematisch. In der interkulturellen Kommunikation hat man es schließlich immer mit Individuen zu tun.

Jeder von euch wird während seines Auslandsstudiums auf kulturelle Differenzen stoßen, die im ersten Moment irritierend sein können. Diese subjektiv wahrgenommenen Unterschiede, die euch irritieren, weil sie euch zunächst nicht plausibel erscheinen, nennt man auch culture bumps. In Deutschland seid ihr es beispielsweise gewohnt, Probleme direkt anzusprechen und ihr neigt deshalb dazu, in Gesprächen sehr sachlich zu argumentieren. In vielen anderen Kulturen jedoch ist diese Art der Kommunikation nicht üblich und wird zum Teil sogar als unhöflich oder sogar als aggressiv empfunden.

Jede Interaktion mit einem Menschen, der einen anderen kulturellen Hintergrund hat als man selbst, enthält potenzielle Fallstricke, denen man sich nicht bewusst ist. Während seines Auslandsstudiums in Fettnäpfchen zu treten gehört allerdings einfach dazu und setzt außerdem auch einen wichtigen interkulturellen Lernprozess in Gang. Trotzdem ist es möglich, die „Ausrutscher“ in Grenzen zu halten. Denn je häufiger es zu interkulturellen Missverständnissen kommt, die man nicht versteht und die sich nicht aufklären lassen, desto mehr Ärger und Frustration wird sich ansammeln. So gerät man schnell in eine Krise und erlebt einen Kulturschock.

Wer sich vor und während seines Auslandsstudiums mit den spezifischen kulturellen Besonderheiten des Gastlandes befasst und sich die Unterschiede zur eigenen Kultur bewusst macht, kann einen Kulturschock vermeiden oder zumindest abmildern. Wichtig ist es, offen zu bleiben, denn Kulturdimensionen sind nur eine Orientierung. Auch wenn ihr manches Mal Momente der Irritation erleben werdet, solltet ihr versuchen, diese auszuhalten, auch wenn die Versuchung groß ist, das Erlebte in Kategorien einzuordnen, damit sie für euch Sinn ergeben. Der adäquate Umgang mit kulturellen Unterschieden ist nämlich ein wichtiger Bestandteil von interkultureller Kompetenz.