Kulturschock im Auslandsstudium

Ganz euphorisch und voller Erwartungen steigt ihr in den Flieger, mit dem guten Gefühl: Nun geht es endlich los mit dem Abenteuer Auslandsstudium. Im Gastland angekommen erscheint zunächst einmal alles ganz aufregend, ihr seid neugierig und empfindet alles Erlebte als Bereicherung, alles erscheint ganz leicht.

Nach einiger Zeit jedoch taucht die eine oder andere Schwierigkeit auf, es kommt zu Missverständnissen mit den Einheimischen, die Abläufe an der Gasthochschule sind undurchschaubar und die sprachlichen Hürden sind doch größer als gedacht. Die Stimmung kippt, die Euphorie ist verflogen: Das Essen hier schmeckt nicht und verursacht Verdauungsprobleme, die Menschen im Gastland erscheinen alle irgendwie abweisend und verhalten sich merkwürdig. Am liebsten würdet ihr sofort nach Hause zurück, denn da ist sowieso alles viel besser. Diagnose: Kulturschock.

Im Folgenden erfahrt ihr, was es mit diesem Phänomen auf sich hat und woran ihr erkennen könnt, dass ihr während eures Auslandsstudiums einen Kulturschock erlebt. Außerdem geben wir euch ein paar hilfreiche Tipps an die Hand, wie ihr euch am besten auf einen möglichen Kulturschock im Auslandsstudium vorbereitet, um die Symptome gegebenenfalls abzumildern.

Kulturschock: Ein Überblick

Ob Auslandssemester oder komplettes Bachelor-, Master- oder Ph.D.-Studium, ob ein Studium in Nordamerika, Europa oder Asienein Kulturschock im Auslandsstudium kann jeden treffen! Ein Kulturschock ist ein wissenschaftlich anerkanntes Phänomen und hat nichts mit „Schwäche“ zu tun. Im Gegenteil: Manche sind der Meinung, dass man ohne Kulturschock die fremde Kultur erst gar nicht richtig erlebt hat.

Gerade in Ländern und Regionen, die dem eigenen Kulturkreis entstammen und bei denen man von geringen Unterschieden in Bezug auf die Eigenkultur ausgeht, kann der Kulturschock umso größer sein, weil man mit eventuellen Schwierigkeiten nicht gerechnet hat. Die anscheinend vertraute Kultur ist dann eben doch nicht so vertraut. Umgekehrt kann der Kulturschock in asiatischen Ländern weniger intensiv ausfallen als vielleicht erwartet, weil man hier von vornherein mit großen kulturellen Unterschieden rechnet und sich innerlich schon sehr viel mehr darauf vorbereitet hat.

Die verschiedenen Phasen eines Kulturschocks

Auch wenn die Bezeichnung „Kulturschock“ vermuten lässt, dass er ein kurzes, aber sehr heftiges Schockerlebnis sei, so handelt es sich tatsächlich vielmehr um einen Prozess, der mehrere Wochen andauert und in einer U-Kurve verläuft.

Der Anthropologe Karlevo Oberg hat den Kulturschock in ein idealtypisches Vier-Phasen-Modell eingeteilt, das verschiedentlich modifiziert wurde. So hat Jürgen Bolten, Professor für Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, das Modell um eine weitere Phase (Missverständnisse) erweitert.

Die Intensität und Dauer der einzelnen Phasen hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Auch kann es sein, dass beispielsweise die erste Phase gewissermaßen „übersprungen“ wird und ihr euch, kaum im Studienland angekommen, bereits mitten in der „kritischen Phase“ befindet.

Der Kulturschock verläuft in den folgenden Phasen:

1. Euphorie („honeymoon stage“)

Am Anfang wie verliebte Touristen: In der Honeymoon-Phase ist man noch weit entfernt von einem Kulturschock.

In dieser Phase seht ihr das Gastland und die andere Kultur durch die sprichwörtliche rosa Brille. Ihr seid noch Touristen und habt eine sehr selektive Wahrnehmung auf eure Umgebung: Ihr seht vor allem das, was ihr sehen wollen und was ihr bis zu einem gewissen Grad auch erwartet habt. Alles erscheint neuartig, spannend und exotisch; die Bilder und Eindrücke, die ihr sammelt werden quasi durch einen Weichzeichner gefiltert.

2. Missverständnisse

In dieser Phase kommt es vermehrt zu Situationen, die nicht zu eurem Bild passen wollen, das ihr euch von der anderen Kultur gemacht habt und die euch dementsprechend irritieren. Das Leben in der anderen Kultur hält überraschend viele „Stolpersteine“, culture bumps, parat: Immer wieder stoßt ihr gewissermaßen mit der anderen Kultur zusammen und bekommt „kulturelle Differenzen“ zu spüren. Ihr seid mit einem ganz anderen „Way of Life“ konfrontiert, mit anderen Werten, anderen politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Einstellungen.

Ihr findet euch in diesem fremden „Regelwerk“ nicht zurecht, beherrscht die Sprache noch nicht gut genug und tretet ständig in Fettnäpfchen. Dadurch entstehen Missverständnisse, an denen ihr euch meist selbst die Schuld gebt. Ihr werdet also nicht nur mit einer anderen Kultur, sondern vor allem auch mit euch selbst konfrontiert. Vieles, was zuvor ganz selbstverständlich erschien, simple Verhaltens- und Höflichkeitsregen, stellt ihr nun infrage. Hinzu kommen die fremde Umgebung (Häuserfassaden oder die Gestaltung der Läden), ein ganz anderes Klima und ungewohnte Tagesabläufe. Kurz: Alles, was euch bisher vertraut war und an dem ihr euch orientieren konntet, steht euch nicht mehr zur Verfügung und alles erscheint ungewiss, ja sogar unberechenbar. Die anfängliche Euphorie schlägt in Frustration um und ehe ihr euch dessen bewusst werdet, geratet ihr in eine emotionale Krise.

3. Kollisionen („crisis“)

Die Kollision, die Krise, ist der eigentliche Kulturschock. Ihr erkennt die tiefergehenden Ursachen der Missverständnisse nicht, fühlt euch fremd, unwillkommen und unverstanden und geratet dabei in eine Art Identitätskrise. Ihr fühlt euch macht- und bedeutungslos, habt ständig das Gefühl, außerhalb zu stehen und fühlt euch isoliert und abgelehnt. Diese Empfindungen nagen selbstverständlich am Selbstwertgefühl und zunehmend verspürt ihr das Bedürfnis, euch von der „fremden“ Kultur abzugrenzen. Ohne euch dessen wirklich bewusst zu sein, vergleicht ihr die Gastkultur ständig mit eurer eigenen Kultur, wobei die Gastkultur durchgehend schlechter „abschneidet“. Weil ihr nur noch Negatives an ihr seht, beispielsweise eine hohe Kriminalität, andere Hygienestandards oder die Kluft zwischen arm und reich, fangt ihr an, sie mehr und mehr abzulehnen. Ihr fühlt euch einsam und habt schreckliches Heimweh.

Der Kulturschock und die damit verbundene Identitätskrise können zu Studienschwierigkeiten und sogar zu einer Depression führen. Nicht selten wird das Auslandsstudium aufgrund eines Kulturschocks abgebrochen. Den Studierenden ist nicht bewusst, dass sie gerade einen Kulturschock erleben, der – ist er erst einmal als ein solcher erkannt – auch überwunden werden kann.

Wie lange die Krise anhält und wie intensiv sie erlebt wird, hängt von unterschiedlichen, vor allen Dingen aber von persönlichen, Faktoren ab. Grundsätzlich gilt: Je bewusster ihr euch über die Struktur und die typischen Auswirkungen eines Kulturschocks seid, umso schneller gelingt es euch, die Krise zu überwinden und in die nächste Phase einzutreten.

4. Akzeptanz der Unterschiede (“recovery”)

In dieser Phase habt ihr begriffen, dass ihr euch mit der neuen Situation auseinandersetzen müsst und habt eingesehen, dass ihr euer Auslandsstudium mit zu hohen Erwartungen angegangen seid. Ihr versucht, die andere Kultur besser zu verstehen, macht Kompromisse und akzeptiert die kulturellen Unterschiede. Ihr habt nicht mehr so sehr das Bedürfnis danach, alles sofort zu interpretieren und zu bewerten. Ihr habt erkannt, dass eure Wahrnehmung stark von der eigenen Kultur geprägt ist und eingesehen, dass es wenig hilfreich ist, euer Verständnis von Normalität und Sinnhaftigkeit auf die andere Kultur zu übertragen.

Es gelingt euch, das eigene Verhalten zu reflektieren und scheinbare Widersprüche im Verhalten der anderen auszuhalten. Die interkulturelle Kommunikation fällt euch nun wesentlich leichter, ihr erkennt die Ursachen von Missverständnissen und seid dazu in der Lage, sie über Metakommunikation aufzuklären. Ihr versteht die Interaktions- und Kommunikationsregeln und passt euch ihnen an. Eure Wahrnehmung, Denk- und Verhaltensweisen sind jedoch nach wie vor von eurer Eigenkultur geprägt.

5. Akkulturation („adjustment“)

Während eines längeren Auslandsstudiums erreicht ihr idealerweise die Phase der Akkulturation. Ihr akzeptiert und versteht die Denk- und Verhaltensweisen der Gastkultur nicht nur, sondern ihr beginnt sogar, sie teilweise als zu euch gehörig, als etwas Eigenes wahrzunehmen. Ihr habt euch erfolgreich integriert und vieles von dem, was euch am Anfang seltsam und ganz fremd erschien, ist für euch alltäglich und zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Ihr fühlt euch also „wie zu Hause“. Das heißt jedoch nicht, dass ihr euch von eurer ursprünglichen Kultur gelöst habt, sie hat nur eine wesentlich geringeren Einfluss auf euch als noch zuvor.

Symptome eines Kulturschocks

Die Symptome eines Kulturschocks sind vielfältig - schlimmes Heimweh ist nur eines davon.

Auch wenn man sich vor seinem Auslandsstudium mit dem Thema Kulturschock beschäftigt und sich darauf vorbereitet hat, kann es vorkommen, dass man gar nicht merkt, dass man gerade einen solchen erlebt. Vor allem dann, wenn er weniger intensiv ist und sich „nur“ durch eine latente Unzufriedenheit und eine negative Grundstimmung äußert. Um jedoch das Beste aus seinem Auslandsstudium herauszuholen und es sich nicht durch nachhaltige negative Gefühle zu verderben, ist es wichtig, einen Kulturschock zu erkennen. Der Kulturschock äußert sich ganz unterschiedlich, verläuft nicht bei jedem gleich, er wird auch als ganz unterschiedlich intensiv erlebt und es treten nicht unbedingt alle Symptome auf. Einen Kulturschock kann man übrigens bei jedem neuen Auslandssaufenthalt immer wieder und in unterschiedlicher Ausprägung erleben.

  • Ausgeprägtes Bedürfnis nach Hygiene
  • Gefühl der Hilflosigkeit
  • Das Bedürfnis sich zurückzuziehen
  • Gefühl, von anderen abgelehnt zu werden
  • Starkes Heimweh und das Bedürfnis, möglichst häufig mit Eltern und Freunden zu telfonieren/skypen
  • Gefühl der Isolation und Einsamkeit
  • Ängstlichkeit und Misstrauen
  • Erhöhtes Schlafbedürfnis
  • Körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Schweißausbrüche, plötzlich auftretende Allergien oder Bluthochdruck
  • Das Gastland wird ständig mit dem Heimatland verglichen und dabei negativ bewertet bis hin zur Feindseligkeit und totaler Ablehnung

Kulturschock im Auslandsstudium – Umgang und Tipps

Verhindern lässt sich ein Kulturschock nicht und oft erwischt es einen, wenn man am Wenigsten damit rechnet. Grundsätzlich gilt: Die richtige Vorbereitung ist das A und O! Setzt euch mit dem Phänomen Kulturschock auseinander, macht euch vor allen Dingen mit den kulturellen Standards eures Studienlandes vertraut, wie Zeitmanagement, Kommunikationsstil oder Verhaltensregeln aber auch mit dem Studien- und Bildungssystem. Viele deutsche Hochschulen bieten ihren Studenten die Option, vor ihrem Auslandsstudium an sogenannten interkulturellen Trainings teilzunehmen. Wer diese Möglichkeit hat, sollte sie nutzen.

Macht euch vor allen Dingen bewusst, was für wertvolle Chancen das Auslandsstudium euch bietet und dass ein Kulturschock etwas ganz Normales ist, an dem ihr persönlich wachsen könnt. Wichtig ist es, den Tiefpunkt so schnell wie möglich zu überwinden. Denn gerade wer nur für ein Quarter oder ein Semester im Ausland studiert, hat wenig Zeit für die Anpassung und riskiert es, mitten in der Kollisionsphase wieder abzureisen und am Ende nur negative Gefühle und Frustrationen mit nach Hause zu bringen. Folgende Tipps sollen dabei helfen, die Krise möglichst erfolgreich zu überwinden.

Kontakte mit Einheimischen suchen und Sprachniveau erhöhen

Ein wichtiger Schritt Richtung Akkulturation: Kulturelle Besonderheiten respektieren und lieben lernen!

Wenn ihr gerade einen Kulturschock erlebt, neigt ihr dazu, euch zurückzuziehen. Oder ihr sucht eventuell nur noch Kontakt zu Menschen, die einen ähnlichen kulturellen Hintergrund haben wie ihr, um sich weniger fremd zu fühlen. Doch wer sein Auslandsstudium ausschließlich mit anderen internationalen Studenten, oder sogar nur mit anderen deutschsprachigen Studenten verbringt, dem wird die Gastkultur fremd bleiben. Wer sich zurückzieht und sich isoliert, verpasst die große Chance, sich während seines Auslandsstudiums interkulturelle Kompetenzen anzueignen. Zudem ist die Beherrschung der Fremdsprache ein wichtiger Aspekt, um sich im Studienland heimisch zu fühlen. Nur wer viel mit Einheimischen kommuniziert, kann die Fremdsprache erlernen beziehungsweise sein Sprachniveau weiter erhöhen.

Ein Auslandsstudium bietet viele Gelegenheiten, Kontakte mit den einheimischen Studenten zu knüpfen. Am besten ist es natürlich, in einer WG zusammen mit Einheimischen oder in einer Gastfamilie zu wohnen, denn hier ist die Interaktion besonders intensiv. Doch auch die Hochschulen bieten in der Regel jede Menge Veranstaltungen, die das Socializing und die Integration fördern. Nehmt an landestypischen Aktivitäten teil, tretet einem Studenten- oder Sportclub bei und verfolgt auch weiterhin eure Hobbys.

Beobachten und nicht bewerten

Während eines Auslandsstudiums das Studienland mit dem Heimatland zu vergleichen, ist natürlich völlig normal. Doch letztlich geht es darum, wie „objektiv“ diese Vergleiche sein können. Denn man sollte sich bewusst sein, dass sich zwei verschiedene Kulturen eigentlich nicht miteinander vergleichen lassen, da es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Während eines Kulturschocks neigt man im übertriebenen Maße dazu, die kulturellen Erscheinungen des Gastlandes zu bewerten und merkt dabei nicht, dass man eine ethnozentrische Sichtweise darauf habt. Das bedeutet, dass man die andere Kultur mit den Normen der eigenen Kultur bewertet. Die eigene Kultur erscheint als überlegen und Abweichungen empfindet man als „Mangel“.

Ihr solltet hingegen versuchen, eine polyzentrische Sichtweise einzunehmen und anderen Kulturen, Lebens- und Denkweisen gegenüber offen zu sein und sie zu respektieren. Jede Kultur für sich ist einzigartig und eigenständig und die eigene Kultur ist eben nicht das Maß aller Dinge. Statt alles sofort in bekannte Kategorien einzuordnen, ist es hilfreich, erst einmal abzuwarten und die neue Kultur und sich selbst zu beobachten.

Seid neugierig, offen und flexibel

Auch wenn ihr Rückschläge und Enttäuschungen erlebt habt: Sich der anderen Kultur zu verschließen und das Interesse an ihr zu verlieren ist mehr als kontraproduktiv und wird euch nicht dabei helfen, die Krise zu überwinden. Probiert landestypische Spezialitäten, probiert Neues aus und signalisiert den Einheimischen gegenüber ehrliches Interesse. Jede neue interkulturelle Kommunikation bietet auch eine neue Chance, die ihr nutzen solltet, um Vorurteile abzubauen. Trotz negativer Erfahrungen, solltet ihr es vermeiden, alle Angehörigen der Gastkultur über einen Kamm zu scheren. „Die“ Chinesen oder „die“ Amerikaner gibt es nicht. Jeder Mensch ist einzigartig und eben auch auf ganz unterschiedliche Weise eigenkulturell geprägt. Auch ihr wollt schließlich nicht auf Stereotypen und Vorurteile reduziert werden.

Den Kontakt zu Eltern und Freunden zu Hause im Rahmen halten

Wer gerade in der Krise ist, sehnt sich natürlich nach dem Vertrauten und hat furchtbares Heimweh. Eltern und Freunde bieten an schlechten Tagen Trost und emotionale Unterstützung. Doch bringt es wenig, ständig mit den lieben Daheimgebliebenen zu skypen oder zu telefonieren. Denn hat man wieder aufgelegt, ist das Heimweh häufig umso größer. Die „Flucht nach vorne“ wird sicherlich effektiver sein, wenn es darum geht, die Sehnsucht nach der Heimat zu bekämpfen. Geht nach draußen, trefft euch mit Kommilitonen oder geht zu eurem Lieblingsaussichtspunkt, den ihr in der Honeymoon-Phase entdeckt habt.

Geduldig bleiben

Die Eingewöhnung in eine neue Kultur geschieht nicht von heute auf morgen. Bleibt geduldig und gönnt euch zwischendurch Ruhepausen, um über das Erlebte zu reflektieren. Frustration und schlechte Laune sind ganz normal und sollten auch zugelassen werden. Niemand erwartet, dass ihr schon nach kurzer Zeit perfektes American English sprechen oder die hundert wichtigsten chinesischen Zeichen lesen könnt. Und auch der Aufbau von neuen Freundschaften braucht eben seine Zeit.

Sich selbst kennen

Nur wem seine eigenen kulturellen Standards bewusst sind, ist auch dazu in der Lage, sich von ihnen zu distanzieren und sich auf die neue Kultur einzulassen. Und nur wer beispielsweise erkennt, dass wenige Kulturen so direkt kommunizieren wie die deutsche, versteht, warum der interkulturelle Interaktionspartner nach einem gut gemeinten Tipp plötzlich verletzt reagiert hat und kann es beim nächsten Mal anders machen.

Wieder zu Hause: Re-entry shock

Einen Kulturschock könnt ihr auch erleben, wenn ihr nach dem Auslandsstudium nach Hause zurückkehrt. Diesen bezeichnet man als Re-entry shock, Reverse culture shock oder auch als Eigenkulturschock. Die Symptome sind ähnlich wie bei einem Fremdkulturschock: Ihr habt euch an die Kultur des Studienlandes angepasst und habt sie vielleicht sogar zum Teil verinnerlicht. Bei der Rückkehr erscheint euch die eigene Kultur auf einmal als fremd.

Auch mit der Heimkehr sind hohe Erwartungen verknüpft, die eventuell enttäuscht werden können. Ihr habt schließlich ganz viel erlebt, das ihr den Daheimgebliebenen mitteilen wollt. Nicht immer stoßt ihr dabei auf Verständnis und manche interessieren sich sogar gar nicht für eure Erlebnisse. Auf einmal fallen euch Aspekte an eurer Eigenkultur auf, die ihr als negativ empfindet: Die Menschen in Deutschland sind unhöflich, Deutschland ist eine Ellenbogengesellschaft, immer geht es um Leistung und Ergebnisse. Wer eine Zeit im Ausland verbracht und in einer anderen Kultur gelebt und sie eben auch erlebt hat, hat sich persönlich verändert. Die interkulturellen Erfahrungen und das eventuelle Erleben eines Kulturschocks im Auslandsstudium haben euch geprägt.

Ebenso, wie ihr euch an die kulturellen Gegebenheiten des Gastlandes gewöhnen musstet, so müsst ihr euch nun wieder an die kulturellen Eigenheiten des Heimatlandes gewöhnen. Auch diese Fremdheitsgefühle dem Eigenen gegenüber, stellen einen wichtigen Aspekt des interkulturellen Lernens dar: Ihr geht in kritische Distanz zur eigenen Kultur und richtet euer Verhältnis zu dieser neu aus. Ihr begreift, dass die Eigenkultur weder „besser“ noch „schlechter“ ist als andere Kulturen. So gesehen ist der Reverse culture shock ebenso hilfreich, eine ethnozentrische Sichtweise auf andere Kulturen abzulegen.


Positive Effekte eines Kulturschocks im Auslandsstudium

Im Auslandsstudium einen Kulturschock zu erleben ist selbstverständlich unangenehm. Die Vorfreude war schließlich groß und nun ist man im ersehnten Studienland seiner Wahl und möchte eigentlich nur noch nach Hause. Doch das Erleben und Bewältigen eines Kulturschocks gibt euch die Möglichkeit, persönlich zu reifen. Denn gerade wer die Krise überwindet und damit beginnt, kulturelle Differenzen zu akzeptieren und zu respektieren und lernt, sich aktiv einer anderen Kultur anzupassen, eignet sich wichtige interkulturelle Kompetenzen an. Und dies ist schließlich auch für die meisten Studenten ein wesentlicher Grund für ein Studium im Ausland. Während eines Kulturschocks ist man gewissermaßen gezwungen, sich intensiver mit der anderen Kultur und vor allen Dingen auch mit der eigenen Kultur auseinanderzusetzen. Dabei wird ein interkultureller Lernprozess in Gang gesetzt, von dem man auf Dauer profitiert.