Interview mit Fabio von der Victoria University of Wellington
Die positiven Nachrichten, dass Neuseeland die Corona-Krise erstklassig gemeistert und als eines der ersten Länder den Kampf gegen das Virus so gut wie gewonnen hat, dominierten die Schlagzeilen vieler Nachrichtenportale weltweit. So ernteten die neuseeländische Regierung und speziell Premierministerin Ardern viel Lob für das konsequente Handeln und die frühen Kontaktbeschränkungen, die die Nation vor weiteren Krankheitsfällen bewahren konnte.
Aber wie genau lief der strenge Lockdown im neuseeländischen Herbst eigentlich ab? Um das herauszufinden, haben wir mit Fabio gesprochen, der in Mainz Politikwissenschaften studiert und ein Auslandssemester an der Victoria University of Wellington verbrachte. Im Interview berichtet er uns von seiner Ankunft in Neuseeland, den plötzlichen eintretenden Maßnahmen in Wellington und wie er trotz Corona die Zeit an der Victoria University of Wellington genießen konnte.
College Contact:
Hallo Fabio! Wie lange ging denn dein Auslandssemester an der Victoria University of Wellington?
Fabio:
In Wellington angekommen bin ich Ende Februar, eine Woche vor Semesterbeginn. Nachdem Ende Juni die Klausurenphase vorbei war, bin ich noch einen Monat in Neuseeland geblieben und ein bisschen herumgereist, sodass ich Ende Juli dann nach Hause geflogen bin.
College Contact:
Wie kam dir denn der Gedanke, fürs Auslandssemester nach Wellington zu gehen?
Fabio:
Den Gedanken, ein Semester im Ausland zu verbringen, hatte ich eigentlich schon ziemlich früh. Im zweiten und dritten Semester bin ich bereits zu Infoveranstaltungen an meiner Uni gegangen, da ich genau wusste, dass es für mich im fünften Semester ins Ausland gehen sollte. Anfangs hatte ich Japan im Kopf, das hat aber leider überhaupt nicht mit der Planung funktioniert und ich war nicht wirklich zufrieden mit meiner Wahl. Nach mehreren Beratungsgesprächen von der Uni war für mich dann klar, dass ich mich selbst kümmern muss. Ich hatte das Glück, dass ich von der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Stipendienförderung bekommen hatte und viele Kosten übernommen wurden, dadurch war ich recht flexibel.
Vom International Office meiner Heimatuni wurde ich an College Contact verwiesen und ich war vom großen Angebot der Partnerhochschulen echt überrascht. In erster Linie haben mich die Unis in Kalifornien gereizt, aber da waren die Semesterzeiten das Problem, weil die mit meiner Klausurenphase in Deutschland kollidieren. Im Gespräch mit Alexandra kamen wir dann auf Hochschulen in Neuseeland und Australien, die ich eigentlich gar nicht im Blick hatte. Nach ein bisschen Recherche fiel mir als allererstes die Victoria University ins Auge, die bekannt für ihren starken politikwissenschaftlichen Fachbereich ist. Als ich dann noch gelesen habe, dass Wellington zu den lebenswertesten Städten weltweit gehört, habe ich mich schließlich für die VUW beworben.
College Contact:
Wie waren denn die ersten Wochen als internationaler Student in Wellington?
Fabio:
Die ersten vier Wochen lagen noch in der Zeit vor Corona, deswegen ist ein Vergleich mit dem Rest des Auslandssemesters schwierig. Die Ankunft war ziemlich anstrengend, ich bin Sonntagabend gelandet und am folgenden Morgen ging direkt die Einführungswoche los. Der Jetlag war krass und ich bin jeden Abend einfach nur tot ins Bett gefallen (lacht). Von Vorteil war, dass ich in einem Wohnheim der Universität gelebt habe, das heißt, nach ein paar Tagen hatte ich direkt schon Freunde gefunden.
In der Einführungswoche gab es super viel Programm! Wir mussten nichts selbst planen, das Wohnheim oder die Uni haben Stadtführungen, Campustouren, Vorstellungen von Clubs und vieles mehr organisiert. Ich hatte jeden Tag von 8 Uhr bis 18 Uhr einen vollgepackten Plan, dazu jeden Abend noch eine Veranstaltung im Wohnheim. Das war echt super, das kenne ich so gar nicht von meiner Heimuniversität. Die Leute der VUW haben sich mega viel Mühe gegeben, dass sich alle gut einleben und dass alles geregelt ist. Den ganzen Tag waren Studenten oder Freiwillige da, die dir bei jeder Frage helfen konnten. Ich hatte anfangs Bedenken, dass es vielleicht Probleme aufgrund der Sprachbarriere gäbe, aber dadurch, dass wir eine bunt eine gemischte Gruppe mit Leuten aus Schweden, Finnland, den USA, Südkorea, Indien und Neuseeland waren, hat das alles wunderbar gepasst.
College Contact:
Apropos Wohnheim, magst du uns ein wenig von deiner Wohnsituation berichten?
Fabio:
Obwohl das Wohnheim mit umgerechnet 800€ monatlich echt teuer war, war ich sehr froh, dass ich in einem Wohnheim genau zwischen Campus und Innenstadt gewohnt habe. Einerseits, weil in Wellington die Wohnsituation katastrophal ist und man wahrscheinlich auf eigene Faust nirgendswo untergekommen wäre, andererseits, weil es die beste Möglichkeit war, neue Leute kennenzulernen, gerade im Lockdown.
Ich habe mich zwar relativ spät erst für einen Platz im Wohnheim gemeldet, glücklicherweise jedoch noch einen bekommen. Im Laufe des Sommers haben sie an der VUW einige Wohnheime abgerissen, was dazu führte, dass ich und noch ein paar andere Internationals nicht in unser eigentliches Wohnheim ziehen konnten. Trotz anfänglichem Kommunikationschaos war das aber gar kein Problem. Im Endeffekt war ich froh, dort zu wohnen. Es war ein super Wohnheim, du hattest immer Ansprechpartner vor Ort, die viele Aktionen organisiert haben, das hat super gepasst. In der ersten Woche beispielsweise waren wir wandern, Lasertag spielen und hatten Spieleabende im Gemeinschaftsraum.
Während Corona war natürlich alles ein wenig eingeschränkter, aber unter normalen Umständen wäre es perfekt gewesen. Für die Zeit des Lockdowns bin ich mit paar Freunden in eine Vierer-WG gezogen und am Ende habe ich noch anderthalb Monate alleine in einer Zweier-Wohnung gewohnt, nachdem mein Mitbewohner zurück in die USA musste. Der Preis war schon heftig, aber ich glaube, es ist trotzdem die beste Wahl, wenn man in Wellington studieren will. Die Lage in der Innenstadt war echt gut, ich war in zwei Minuten im Stadtzentrum und habe zehn Minuten zur Uni gebraucht, da konnte man sich echt nicht beschweren.
College Contact:
Kurz nach Beginn deines Auslandssemesters ging es ja richtig mit Corona los. Magst du uns ein bisschen über die Situation in Wellington erzählen?
Fabio:
Ja, das stimmt, ich glaube, ich hatte genau vier Wochen ohne irgendwelche Einschränkungen, bis sich die Lage in Neuseeland verändert hat. Anfangs wurde noch behauptet, dass Neuseeland aufgrund seiner geographischen Lage sehr sicher sei und dass man sich nicht sorgen müsse. Jedoch hat sich die Regierung schließlich dazu entschieden, das öffentliche Leben einzuschränken. Ich erinnere mich noch, dass wir zusammen in der Uni saßen und es dann plötzlich hieß, dass der Lockdown morgen um 12 Uhr beginne. Unter den internationalen Studierenden brach dann schon ein bisschen Panik aus, da man sich innerhalb von mehr oder weniger einer Woche entscheiden musste, ob man in Neuseeland bleibt oder in die Heimat zurückfliegt.
Grob geschätzt kamen 80% der Internationals aus Amerika, die überwiegend von ihren Heimatunis zurückgerufen wurden. Die restlichen internationalen Studierenden, die sich entschieden haben, vor Ort zu bleiben, kamen hauptsächlich aus Europa. Nachdem ich den Kontakt zur deutschen Botschaft aufgenommen habe und mir gesagt wurde, dass man abwarten solle, da man zu jenem Zeitpunkt noch keine konkreten Aussagen machen konnte, habe ich mich entschlossen, in Neuseeland zu bleiben – im schlimmsten Fall würde ich schon irgendwie wieder nach Deutschland kommen, dachte ich mir.
Da viele meiner internationalen Freunde wieder zurück in ihre Heimat geflogen sind, waren wir nur noch eine relativ kleine Gruppe vor Ort. Dann ging's auch schon in den dreiwöchigen Lockdown, der strenger als in Deutschland war. Bis auf Supermärkte hatten durchweg alle Geschäfte geschlossen, man durfte sich offiziell nur einen Kilometer von seinem Wohnort weg bewegen und musste innerhalb seiner Kontaktgruppe bleiben. Im Endeffekt war es aber halb so schlimm, wie anfangs gedacht. Alle Leute haben sich an die Regeln gehalten und mitgemacht und jedem war bewusst, dass wenn die Einschränkungen drei Wochen lang eingehalten werden, Corona besiegt wäre – genau so hat es dann ja auch funktioniert.
In Neuseeland war zu jener Zeit Spätsommer, ich konnte jeden Tag spazieren gehen oder wandern und für mich war es überwiegend eine Zeit, in der ich die Natur der Region kennenlernen konnte. Während des Lockdowns habe ich mit drei Freunden in einer WG im Wohnheim gewohnt und aufgrund der Tatsache, dass man mit niemandem sonst Kontakt haben durfte, war das auch mal eine Erfahrung wert (lacht). Nach insgesamt fünf Wochen war mehr oder weniger alles überstanden, dann gab es nur noch leichte Einschränkungen und ab Anfang Juni war alles quasi wieder wie vorher. Blöderweise war das genau die Zeit meiner Klausurenphase, die ich größtenteils dann in der Uni verbracht habe. Danach bin ich aber vier Wochen lang durch Neuseeland gereist und hatte als gefühlt einziger Tourist im ganzen Land keinerlei Beschränkungen. Die Corona-Situation hätte für mich echt nicht besser laufen können, zwar habe ich am Anfang quasi drei Wochen verloren, konnte aber nach dem Semester noch länger bleiben und reisen und das war’s echt wert! Die Neuseeländer haben die Krise echt super geregelt, besser hätte man es nicht machen können!
College Contact:
Das hört sich echt nach einem guten Management seitens der neuseeländischen Regierung an! Wie verlief denn deine Rückkehr nach Deutschland?
Fabio:
Für mich war es anfangs echt komisch, weil ich so gar keine Corona-Regeln mehr gewohnt war (lacht). Abgesehen davon hatte ich ein paar Probleme mit den Flügen, weil es keine Direktflüge mehr von Auckland aus gab. Also musste ich über Australien fliegen und hatte dort eine riesige Pause. Ich bin insgesamt knapp 34 Stunden unterwegs gewesen und das komplett mit Maske und Face Shield, da zu jener Zeit in Australien noch alles abgeriegelt war. Davor hatte ich drei Monate lang keine Maske mehr getragen, das war sehr ungewohnt für mich.
Als ich schließlich in Deutschland ankam, waren die Regeln vor Ort natürlich sehr gewöhnungsbedürftig. Ich musste mir alles erklären lassen und habe über Wochen jedes Mal meine Maske vergessen, wenn ich aus dem Haus gegangen bin (lacht). Es war schon ein kleiner Schock, aber man hat sich schnell dran gewöhnt.
College Contact
In Deutschland studierst du Politikwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Hattest du die freie Auswahl bei deinen Kursen oder musstest du dich nach den Vorgaben deiner Heimatuniversität richten?
Fabio:
Bezüglich der Kurswahl hatte ich schon Vorgaben von der Johannes Gutenberg-Universität. Wichtig war, dass ich mindestens Level 2 Kurse wählte, deren Themen einen politischen Bezug haben. An der Victoria University gab es mehrere Veranstaltungen in den Bachelorstudiengängen Political Science, International Relations und Security Studies, aus denen ich wählen konnte. Was ich tatsächlich ziemlich cool fand, war, dass man eine wesentlich breitere Fächerwahl hatte. Ich wollte etwas in Richtung internationaler Politik machen und dachte, es macht Sinn, von Neuseeland aus einen anderen Blickwinkel darauf zu bekommen. Ich habe dann neun Vorschläge abgegeben, von denen ich mir schließlich meine drei Favoriten ausgesucht habe.
College Contact:
Magst du uns ein wenig über die Kurse erzählen?
Fabio:
Der erste Kurs hieß „Cyber Power in International Relations“, in dem es um digitale Politik im internationalen Raum ging. Im zweiten Kurs, „Politics of Forced Migration“, wurde das Thema Fluchtbewegung mit all seine Auswirkungen thematisiert, das war auch sehr interessant. Der dritte Kurs war „International Politics of China“, eine sehr spezialisierte Veranstaltung, die ich so in Mainz nicht kriegen würde. Alle drei waren Kurse, die wesentlich tiefer in die Materie reingingen, als ich es von meinem vorherigen Studium kannte. Dort haben wir in grob vier Monaten echt alles durchgenommen, zwar sehr detailliert, aber auch sehr gut. An den Kursen gab’s echt gar nichts auszusetzen.
Am Anfang war’s ein wenig schwierig aufgrund der Sprachbarriere und dem neuseeländischen Akzent. Ich habe einfach ein bisschen Zeit gebraucht, um in das akademische Englisch reinzukommen und das akademische Niveau ist schon ziemlich hoch an der VUW. Im Allgemeinen gab es immer sehr viel zu lesen, das war eindeutig ein höheres Arbeitspensum als in Deutschland. Nach knapp vier Wochen war ich echt drin, dann kam aber Corona und vom einen auf den anderen Tag wurde die Präsenzlehre abgebrochen. Der Unterricht wurde dann erst einmal pausiert und nach zwei Wochen hatte die Uni ein perfektes Digitalkonzept, was ja hier in Deutschland nach über einem halben Jahr immer noch nicht funktioniert (lacht).
Die Umsetzung des Unterrichts lag in den Händen der Dozentinnen. In zwei Kursen wurden vorher aufgenommene Videos einfach zweimal pro Woche rausgeschickt, eine andere Dozentin hat Arbeitsräume in der Unisoftware Blackboard installiert, wo einmal pro Woche eine Gruppenarbeit hochgeladen werden musste. Durch die individuellen Konzepte war jeder Kurs am Ende komplett anders, aber es hat überall super funktioniert.
College Contact:
Das hört sich echt gut an! Welche Ecken Neuseelands hast du denn während deiner Reisen sehen können?
Fabio:
Zwei Freundinnen und ich haben uns ganz spontan einen 75 Stunden-Pass für das nationale Bussystem gekauft, das alle Städte, die mehr als drei Häuser haben, verbindet (lacht). Die Busse fahren sowohl auf der Nordinsel als auch auf der Südinsel an den Küsten entlang. Zusammen sind wir dann auf der Südinsel vom Norden an der Ostküste runter bis ganz nach Christchurch, wo wir uns ein Auto geholt haben und bis zur Südspitze Neuseelands gefahren sind. Eine Woche lang sind wir in der Gegend zwischen Queenstown und Wanaka geblieben und sind dort Skifahren und wandern gegangen. Das war die krasseste Gegend überhaupt, Natur wie da findest du sonst nirgends auf der Welt! Dort haben wir uns dann getrennt, ich habe mir an der Westküste ein Auto geliehen und bin da noch in einen Nationalpark gefahren und habe mir Gletscher angeschaut, bevor es nach Wellington ging.
Dort habe ich mich bei all meinen Freunden verabschiedet und bin mit denen nochmal eine Runde feiern gegangen, weil ich wusste, dass das die nächsten Monate in Deutschland nicht machbar sein wird (lacht). Von Wellington aus bin ich nach Auckland geflogen und habe vor meinem Flug nach Deutschland noch Hobbiton besucht, das war auch mega cool!
College Contact:
Hast du Ratschläge für Leute, die überlegen, an der Victoria University of Wellington ein Auslandssemester zu verbringen?
Fabio:
Mein erster Ratschlag wäre, dass man frühzeitig mit der Vorbereitung anfängt. Bei mir hat zwar alles geklappt, aber teilweise hätte schon einiges schief gehen können (lacht). Ansonsten kann ich euch ans Herz legen, das Leben in Wellington zu genießen. Wellington war so eine geile Stadt und ich würde so gerne wieder zurück. Für mich war das Beste an allem der Lebensstil in Wellington, es war einfach echt entspannt. Die Leute waren cool drauf und du hast jede Woche irgendetwas anderes entdeckt. Es ist eine mega junge, progressive und auch irgendwie kulturell anspruchsvolle Stadt. An jeder Ecke hast du super coole Straßengraffitis - irgendwie ganz anders als Städte in dieser Größenordnung, die ich aus Deutschland so kenne. Wellington war ein Schmelztiegel aus hunderten verschiedenen Kulturen, das war so beeindruckend! Du hast während des Semesters nicht nur etwas über Wellington, sondern bei Veranstaltungen und anderen Events immer etwas über die Geschichte Neuseelands und die Kultur der Maoris erfahren.
College Contact:
Vielen Dank für das schöne Interview, Fabio.
Unser Interview mit Fabio hat euch Lust auf ein Auslandssemester in Wellington gemacht? Bei unserer Studienberaterin Stephanie bekommt ihr alle Infos zum Semesterprogramm der Victoria University Wellington!
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