18 Jan
Erfahrungsbericht von Michael O.

San José State University


Land: USA
Kontinent: Nordamerika
Studienrichtung: Materialwissenschaft
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 08/2015 bis 12/2015
Heimathochschule: München TU

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Seit 2011 studiere ich „Applied and Engineering Physics“ an der Technischen Universität München. Bereits zu Beginn meines Studiums war es mein Wunsch ein Auslandssemester zu absolvieren, um meine fachliche Hochschulausbildung zu ergänzen und mich persönlich weiterzuentwickeln. Über den eigenen fachspezifischen Tellerrand zu blicken, fremde Kulturen und Mentalitäten zu erfahren und das eigene interkulturelle Verständnis zu erweitern, sind nur einige der unzähligen Gründe, die für einen längeren Auslandsaufenthalt sprechen.

In diesem Zusammenhang habe ich von August bis Dezember 2015 ein Semester an der San Jose State University studiert. Während dieser Zeit habe ich nicht nur fachlich viel gelernt, sondern vor allem viele Freundschaften mit Amerikanern aber auch mit Leuten verschiedenster anderer Nationalitäten geschlossen. Somit konnte ich tiefere Einblicke in verschiedenste Kulturen und Lebensweisen erhalten. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen während dieses Auslandssemesters schildern.

Planung und konkrete Vorbereitung

Es empfiehlt sich die Planungen für ein Auslandssemester, besonders für einen Aufenthalt außerhalb Europas, frühzeitig zu beginnen. Zwei Jahre vor meiner Abreise stand zunächst die Wahl des Gastlandes an. Bezüglich des Studienlandes fiel meine Wahl auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Vereinigten Staaten beeinflussen aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Vormachtstellung auch außerhalb ihrer Landesgrenzen viele Lebensbereiche. Darüber hinaus gehören die Vereinigten Staaten zu den weltweit führenden Nationen im Bereich der Forschung und Entwicklung. Die dort gesammelten Erfahrungen und Eindrücke stellen also sowohl für meine berufliche Laufbahn als auch für mein alltägliches Leben einen unschätzbaren Wert dar. Innerhalb der USA wurde ich aufgrund meines wissenschaftlich technischen Studiums schnell auf die Bay Area mit den dort ansässigen High-Tech-Unternehmen aufmerksam. Meine Wahl der Gasthochschule fiel deshalb auf die San José State University im Herzen des Silicon Valleys. Diese bietet nicht nur eine Vielzahl an interessanten materialwissenschaftlichen Kursen an, sondern stellt durch ihre praxisorientierte Ausrichtung und den guten Beziehungen zu den im Silicon Valley ansässigen High- Tech-Unternehmen auch einen ersten Kontakt zur Arbeitswelt her.

Im Zuge meiner Recherchen stieß ich auf College Contact, die mir bei dem Bewerbungsprozess sehr hilfreich zur Seite stand und die Bewerbung an der Universität deutlich erleichterte. Es musste für das Studium in den USA ein Visum beantragt werden und eine Krankenversicherung bei der Partnerversicherungsgesellschaft der Universität abgeschlossen werden. Außerdem ist es unbedingt erforderlich eine Kreditkarte zu beantragen, da in den USA fast ausschließlich damit bezahlt wird. Außerdem benötigt man beim Buchen von Hotelzimmern oder zum Mieten eines Autos ein Kreditkarte. Trotz des etwas höheren Mietpreises als auf dem freien Wohnungsmarkt, entschied ich mich, mich für das Studentenwohnheim am Universitätsgelände zu bewerben. Um eines der wenigen Einzelzimmer in den Wohngemeinschaften zu erhalten, empfiehlt es sich, sich bereits ein halbes Jahr vor Beginn des Semesters zu bewerben. Das Leben direkt am Campus birgt neben den kurzen Wegen zu den Vorlesungen auch den Vorteil, sofort Kontakte zu internationalen und nationalen Studenten knüpfen zu können.

Mit meinen amerikanischen und brasilianischen Mitbewohnern konnte ich während des Semesters eine enge Freundschaft aufbauen. Auch die wohnheiminternen Gemeinschaftsräume bieten immer wieder die Möglichkeit für internationalen Austausch und zu geselligem Beisammensein, woraus sich für mich ebenfalls enge Freundschaften ergeben haben. Darüber hinaus befinden sich auch ein universitätseigenes Fitnessstudio sowie ein Ärztehaus der Universität auf dem Campusgelände. Innerhalb der Wohngemeinschaft mussten aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten viele Kompromisse geschlossen werden. Ich musste mich jedoch trotz eines eingeführten Putzplans an andere Hygienestandards gewöhnen. Zu meinem Erstaunen konnte ich die Küche unseres Apartments ganz alleine nutzen, da meine Mitbewohner es bevorzugten - typisch amerikanisch - hauptsächlich auf Fastfood zurückzugreifen.

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Studium und Universität

Die San José State University präsentierte sich mir gegenüber mit zwei Gesichtern. Zum einen begegneten mir Professoren und Mitarbeiter, insbesondere Mitarbeiter des International Offices, sehr freundlich und hilfsbereit. So ermöglichte es mir beispielsweise eine Mitarbeiterin des International Office noch vor Beginn des eigentlichen Semesters meinen Koffer bei ihr zu Hause zwischenzulagern, während ich mich mit meinen besten Freunden auf einen Road Trip durch Kalifornien begab. Auch bei anderen Problemen stand mir das International Office immer mit Rat und Tat zur Seite. Andererseits merkte ich schnell, dass ich für die Universität primär eine Geldquelle darstellte, da ich als Austauschstudent nicht in ein reguläres Bachelor- oder Masterprogramm ihrer Universität eingeschrieben war. So musste ich mich im Rahmen des sogenannten „Class crashings“ bei jedem einzelnen Professor persönlich nach freien Plätzen in den jeweiligen Vorlesungen erkundigen. Da die Anzahl der Studenten pro Vorlesungen beschränkt waren, und zunächst die heimischen Studenten Vorrang hatten, konnte ich einige meiner Wunschvorlesungen leider nicht besuchen. Auch für das universitätseigene Fitnessstudio wurden für Austauschstudenten meines Programmes zusätzlich Gebühren fällig. Nichtsdestotrotz habe ich das Leben und Studieren an der San José State University sehr genossen. Während der Semestereinführungstage zu Beginn des Semesters, konnte ich Kontakte zu vielen internationalen Studenten knüpfen. Erwähnenswert hierbei ist, dass es einen großen Anteil an deutschen Studenten gibt.

Das Studieren selbst unterscheidet sich jedoch sehr stark von dem Studium an einer deutschen Hochschule. Mit vielen benoteten Hausaufgaben, Stehgreifaufgaben und einer Menge an Zwischenklausuren erscheint das Studieren etwas verschult und ist sehr arbeitsintensiv. Obwohl es sich bei der San José State University um eine der besten State Universities Kaliforniens handelt, erschien mir das Niveau vergleichsweise niedrig. Das vergleichsweise geringe Niveau könnte teilweise darauf zurückgeführt werden, dass selbst für eine Vielzahl an nichtakademischen Berufen, wie beispielsweise dem Beruf einer Krankenschwester, Bachelorabschlüsse in den USA als Voraussetzung gelten. Viele der Kurse fokussieren sich daher meiner Meinung nach mehr auf die Vermittlung von Allgemeinbildung. Die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung ist zumindest fraglich. Zudem besteht das Bachelorprogramm in den USA aus vier Jahren, wobei während des ersten Jahres im Rahmen der „General Education“ vorwiegend Allgemeinbildung gelehrt wird.

Im Allgemeinen sind amerikanische Studenten sehr beschäftigt, weil sie meist in ein oder zwei Nebenjobs beschäftigt sind, um die hohen Studienkosten tragen zu können. Deshalb ist es oft schwierig, geeignete Zeitpunkte für gemeinsame Unternehmungen zu finden.

An der Universität findet sich eine Vielzahl an fachspezifischen oder sportspezifischen Klubs, denen man je nach eigenen Interessen beitreten kann. Zudem werden Outdoor Aktivitäten und Unternehmungen des International Office angeboten. Besonders angetan war ich von der Idee eines internationalen Hauses, in dem Studenten mit Wurzeln aus aller Welt unter einem Dach zusammenleben. Jeden Dienstag wurde in diesem Haus ein Kaffeeabend veranstaltet, den ich gerne zum Austausch und geselligem Beisammensein nutzte.

Sportteams sind ein wesentlicher Bestandteil von amerikanischen Universitäten. Sie stellen das Aushängeschild der Universität dar und tragen zu dem starken Zusammengehörigkeitsgefühl der Studenten bei. Ich bin selbst ein stolzer „Spartaner“ geworden und habe besonders das Football- und Basketballteam bei Heimspielen unterstützt. Vor jedem Football-Spiel findet ein sogenanntes Tailgate statt, eine Parkplatzparty vor dem Stadion. Ich habe selten so verrückte Feiern rund um Sportereignisse wie hier in den USA erlebt. Ein besonderes Ereignis stellte das sogenannte Homecoming dar, bei welchem jeder Alumni herzlich eingeladen war für ein wichtiges Football Spiel zurück zu seiner ehemaligen Universität zu kommen, das Team anzufeuern und zu feiern. In diesem Rahmen gab es auch ein großes Event mit vielen Ständen und einer großen Bühne, um die Studenten und die Alumni auf das große Spiel einzustimmen. Rückblickend war das einfach grandios. Durch den Sport und die damit verbundene emotionale Bindung werde ich immer mit großer Begeisterung an die San José State University zurückdenken.


Leben in Kalifornien / San José

Die Bevölkerung in Kalifornien ist durch den mexikanischen und asiatischen Einfluss sehr divers. Die Frage der ethnischen Herkunft spielt in den USA im Allgemeinen eine viel wichtigere Rolle und muss auf verschiedensten Formularen immer wieder angegeben werden. Politische und religiöse Diskussionen sind zumeist nicht zielführend, da die Amerikaner sehr von ihrem Land und ihrer eigenen Meinung überzeugt sind. Zudem tragen die politisch sehr eingenommenen Nachrichten zu sehr subjektiven Bewertungskriterien der Bevölkerung bei. Deshalb ist es sehr schwer Kompromisse zu schließen oder Überzeugungsarbeit zu leisten. Je ländlicher die Regionen desto konservativer die politischen Überzeugungen. Dieser Effekt ist deutlich mehr ausgeprägt als in Deutschland.

Insgesamt sind die Menschen aber sehr freundlich und hilfsbereit. An Thanksgiving konnte ich die amerikanische Gastfreundschaft am eigenen Leibe erleben. Die Familie eines amerikanischen Freundes lud mich und acht weitere internationale Studenten ein, zusammen mit ihnen das Thanksgiving-Wochenende zu verbringen. Dieses warme und herzliche Zusammensein zählt zu meinen schönsten Erlebnissen in den USA.

Die amerikanischen Städte sind mit ihren breiten und in Quadratmustern angeordneten Straßen ideal für das primäre Verkehrsmittel - das Auto - ausgelegt. Öffentliche Verkehrsmittel sind nur unzureichend vorhanden, unzuverlässig oder nicht frequentiert genug. Obwohl die Bay Area eine der am besten ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel besitzt, welche man als Student zu einem gewissen Umkreis um die Universität kostenlos nutzen kann, ist man doch auf ein Auto angewiesen.

Aufgrund meiner kurzen Aufenthaltszeit von nur einem halben Jahr und der teuren Parksituation rund um die Universität, entschied ich mich dennoch gegen den Kauf eines Autos. Mit einem Fahrrad und Freunden mit Autos war dennoch alles Nötige gut erreichbar. Für ein ganzes Auslandsjahr würde ich jedoch den Kauf eines Autos empfehlen, zumal auch die Mietwagen aufgrund einer Gebühr für Fahrer unter 25 Jahren ziemlich teuer sind. Zum Fahrrad sei noch erwähnt, dass Fahrräder in Großstädten regelmäßig gestohlen werden. Einem meiner Freunde wurden während des Semesters ganze zwei Fahrräder gestohlen.

Die Kriminalität ist allgemein ein Problem in den Vereinigten Staaten. Die Umgebung der Universität galt nicht als besonders sicher. Regelmäßig erhielten wir E-Mails der Campus-Polizei, die uns über Raubüberfälle in der Umgebung der Universität hinwiesen und uns dazu anhielten, abends nur in Gruppen unterwegs zu sein. Zwei meiner brasilianischen Freunde mussten leider miterleben wie abends in ihre Richtung geschossen wurde. Glücklicherweise konnten sich beide in Sicherheit bringen. Ich fühlte mich abends auf den Straßen nie richtig sicher und war immer hell wach und achtete genauestens auf alles, was um mich herum geschah. Andererseits wollte ich mich aber auch nicht das ganze Semester in meinen eigenen vier Wänden verstecken. Ich bin froh, dass ich während meines Aufenthaltes nie einen Zwischenfall erleben musste.


Situation nach Rückkehr

Amerika ist auch heute noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich bewundere den Enthusiasmus, die Spontanität und den Mut, den die Amerikaner an den Tag legen. Viele Studenten gründen Start-up Unternehmen. Ich hoffe, ich kann neben den vielen Freundschaften und kulturellen Erfahrungen auch etwas von dem Amerikanischen Unternehmergeist mit nach Hause nehmen und meinen Hang, Dinge zu überplanen und zu vorsichtig zu agieren teilweise ablegen.

Insgesamt hat mir der Auslandsaufenthalt sehr gut gefallen und ich konnte viel für mein weiteres Leben mitnehmen. Ich kann jedem einen Auslandsaufenthalt wärmstens empfehlen. Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.