Hochschul­landschaft in Tschechien

1348 wurde in Prag die erste Universität Mitteleuropas gegründet: Die Karls-Universität. Ebenfalls eine weit zurückreichende Geschichte hat die Technische Universität Prag. Die Hochschullandschaft in Tschechien ist also reich an Traditionen, was sich bis heute in Ritualen und traditioneller Kleidung wie dem Talar bei der Promotion niederschlägt. Gleichzeitig spielen seit dem frühen 20. Jahrhundert Technik, Innovation und Forschung eine wichtige Rolle. Während der kommunistischen Ära stark zentralisiert und ideologisch beeinflusst, steht an den tschechischen Hochschulen längst wieder akademische Freiheit und Selbstverwaltung an erster Stelle. Sie sind mittlerweile fest in der europäischen Hochschullandschaft integriert und haben auch zum größten Teil die Bestimmungen des Bologna-Prozesses umgesetzt.

Die tschechische Hochschullandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt, ohne dabei jedoch ihre Traditionen und spezifischen Eigenarten aufzugeben. Die Mischung aus Tradition und Innovation lockt immer mehr Studierende aus dem Ausland an. Nicht zuletzt auch deshalb, weil immer mehr Hochschulen in Tschechien auch englischsprachige Studiengänge anbieten, und dies auch in begehrten Fächern wie Human- oder Zahnmedizin. War der Anteil ausländischer Studenten im Jahr 2000 noch unter 5%, so waren es im Jahr 2014 bereits fast 12%. Keine Frage: die Hochschullandschaft in Tschechien hat einiges zu bieten.

Hochschultypen in Tschechien

Genauso wie die malerische Innenstadt Prags kann auch die Hochschullandschaft in Tschechien auf eine lange Geschichte zurückblicken.

Die Hochschullandschaft in Tschechien befand sich in den zwanzig Jahren nach der Wende in einem großen Transformationsprozess, der mittlerweile jedoch als weitestgehend abgeschlossen gilt. War die Anzahl an Hochschuleinrichtungen unseres Nachbarlandes einst recht überschaubar, so ist das Angebot mittlerweile um einiges vielfältiger geworden. Nach der Wende gab es zwei Gründungswellen, die die Hochschullandschaft in Tschechien stark verändert haben:

  • Regionalisierung der Hochschullandschaft, um eine flächendeckende höhere Ausbildung im ganzen Land zu ermöglichen
  • Liberalisierung des Hochschulgesetzes 1998, was die Gründung von Privathochschulen möglich machte

Derzeit gibt es in Tschechien insgesamt 73 anerkannte Hochschulen. Diese sind entweder öffentlich, staatlich oder privat.

Anders als in Deutschland gibt es in Tschechien keine Berufsausbildung in einem dualen System. Sowohl die Berufsausbildung als auch die akademische Ausbildung gehören zum tertiären Bildungsbereich. Auch kennt die tschechische Hochschullandschaft nicht die Unterscheidung zwischen Universität und Fachhochschule. Univerzita und vysoká škola werden daher auch häufig synonym verwendet. Auch deshalb muss man hinsichtlich der Hochschullandschaft in Tschechien grundsätzlich zwei verschiedene Hochschultypen unterscheiden:

  • Universitärer Typ (insgesamt 28 Hochschulen)
  • Nichtuniversitärer Typ (insgesamt 45 Hochschulen)

Universitärer Hochschultyp

Tschechische Hochschulen universitären Typs tragen entweder die Bezeichnung univerzita (Universität) oder vysoká škola (Hochschule) im Namen. Die Bezeichnung univerzita ist in Tschechien geschützt, das heißt, dass Hochschuleinrichtungen in der Tschechischen Republik bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um sich als univerzita bezeichnen zu können.

Derzeit gibt es in Tschechien insgesamt 28 anerkannte Hochschulen universitären Typs:

  • 24 öffentliche Universitäten
  • 2 staatliche Universitäten: Polizei- und Militärhochschule
  • 2 private Universitäten

Universitäre Hochschultypen bieten Studienprogramme auf allen drei Niveaus des Studiensystems in Tschechien an: Bachelor, Master und Promotion. Fast alle öffentlichen Hochschulen in Tschechien entsprechen diesem Typus. Sie sind aufgrund ihrer Größe in verschiedene Fakultäten eingeteilt und verfügen meist über ein sehr breites Angebot an Studienprogrammen. Daneben zeichnen sie sich durch intensive Forschungsleistungen aus.

Nichtuniversitärer Hochschultyp

Einige Hochschulen, die in der Regel die Bezeichnung vysoká škola im Namen tragen, gehören nicht dem universitären Hochschultyp an. Derzeit gibt es 45 tschechische Hochschulen, die zum nichtuniversitären Typ gehören:

  • 2 öffentliche Hochschulen
  • 43 private Hochschulen

Nichtuniversitäre Hochschulen bieten in erster Linie Bachelorprogramme und nur teilweise auch Masterprogramme an. Sie verfügen jedoch nicht über das Promotionsrecht und sind auch nicht in verschiedene Fakultäten unterteilt. Die Anzahl der angebotenen Studienprogramme sind begrenzt und auf bestimmte Fachbereiche fokussiert. In diesem Sinne ähneln sie in etwa den deutschen Fachhochschulen.

Sonstige Hochschulen

Von den oben genannten Hochschulen nichtuniversitären Typs sind die sogenannten vyšší odborná škola (deutsch etwa: Höhere Fachschule) und die konzervator (Konservatorium) zu unterscheiden. Diese sind zwar dem tertiären Bildungsbereich zuzuordnen, stellen aber keine Hochschulen dar, an denen man einen anerkannten akademischen Abschluss erlangen kann.

Eine vyšší odborná škola bietet eine drei- bis dreieinhalb-jährige praktisch ausgerichtete Ausbildung an, an deren Ende man den Titel eines Diplomovaný specialista („diplomierter Spezialist“) erhält. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen akademischen Abschluss. Konservatorien bieten eine praktische Ausbildung in künstlerischen Bereichen.


Qualität tschechischer Hochschulen

Dass die Lehre und Forschung tschechischer Hochschulen qualitativ hochwertig ist und internationalen Vergleichen locker standhält beweisen diverse Hochschulrankings. In den Times Higher Education World University Rankings 2015/16 sind neun und im QS World University Ranking 2015/16 sind fünf tschechische Unisversitäten gerankt.

Die Qualitätssicherung von Hochschulen in Tschechien findet sowohl auf hochschulinterner als auch auf hochschulexterner Ebene statt. Alle öffentlichen und privaten Hochschuleinrichtungen unterstehen dem tschechischen Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Die beiden staatlichen Einrichtungen unterstehen hingegen dem Verteidigungsministerium beziehungsweise dem Innenministerium.

Die jeweiligen Ministerien verteilen die finanziellen Mittel an die Einrichtungen und sind daher auch dazu berechtigt, zu erfahren, wie die einzelnen Hochschulen die Gelder verwenden. Die tschechischen Hochschulen sind zur Selbstevaluation verpflichtet und reichen beim Ministerium jährlich einen Bericht über ihre verschiedenen Tätigkeiten, Maßnahmen und die Verwendung der finanziellen Mittel ein.

Für die Qualitätssicherung auf externer Ebene ist die Akkreditierungskommission (akreditační komise) zuständig. Diese beurteilt die Qualität der Hochschulausbildung in Bezug auf Lehre, Forschung, Entwicklung und veröffentlicht anschließend die Ergebnisse. Außerdem ist die Kommission für die Bewertung und Zulassung einzelner Studiengänge zuständig.

Hinsichtlich der Qualitätssicherung und der Mechanismen der Akkreditierung finden in der Hochschulpolitik Tschechiens derzeit umfassende Umstrukturierungen statt. Ziel ist es, die Unabhängigkeit der Hochschulen zu stärken und die Abläufe zu vereinfachen, denn bisher ist der Prozess zur Akkreditierung von Studiengängen langwierig und bürokratisch.

Seit September 2016 ist der neue Higher Education Act in Kraft, in dem es vorrangig um die Reform der Qualitätssicherung und um die Ausarbeitung neuer Mechanismen zur Akkreditierung geht:

  • Neue Regelungen für Akkreditierungen
  • Gründung eines unabhängigen Accreditation Office
  • Ein neues Evaluationssystem zur Qualitätssicherung innerhalb von Hochschulen

Zukünftige Entwicklungen des tschechischen Hochschul­systems

Der Transformationsprozess, also die Angleichung des Hochschulsystems an europäische Standards, ist in Tschechien längst abgeschlossen. Doch wie in allen anderen EU-Ländern befinden sich auch hier die Hochschullandschaft und das Studiensystem im Zuge des Bologna-Prozesses weiterhin im Wandel. Wettbewerbsfähigkeit spielt schließlich auch in Tschechien zunehmend eine wichtige Rolle. Ziele im Hochschulbereich sind unter anderem:

  • Internationalisierung: Steigerung der Mobilität, mehr Kooperationen, Ausbau des Angebots englischsprachiger Studiengänge
  • Stärkerer Fokus auf Forschungsleistung: Reform der Doktorandenausbildung und Etablierung von Graduiertenkollegs, mehr Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtung
  • Größere Differenzierung zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung sowie mehr Praxisorientierung in der Lehre