9 Jun
Erfahrungsbericht von Anne L.

University of New Brunswick - Fredericton

Stadt: Fredericton
Land: Kanada
Kontinent: Nordamerika
Studienrichtung: Recht und Verwaltung
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 09/2010 bis 04/2011

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

A) Planung

Obwohl es im Studium Rechtswissenschaft ein wenig schwieriger ist, einen Auslandsaufenthalt zu integrieren, da man nichts angerechnet bekommen kann, habe ich mich dazu entschieden, ab dem 4. Semester einen Auslandsaufenthalt in mein Studium aufzunehmen.

Die Gründe dafür waren, dass ich neugierig war auf ein anderes Land, dass ich ein gutes Rechtsenglisch lernen wollte, und dass ich fachlich einen weiteren Horizont bekommen wollte. Ich überlegte, ob ich noch eine dritte Sprache lernen und erst im 6. Semester Deutschland verlassen sollte. Schließlich entschied ich mich aber für ein englischsprachiges Land, denn Englisch ist die Sprache internationaler Kommunikation und ich wollte darin sicher sein, als zwei Sprachen mäßig zu beherrschen.

Zunächst hatte ich mich an meiner Uni für das Erasmus-Programm meiner Fakultät in Irland und Großbritannien beworben, leider bekam ich aber keinen Platz. Ich bewarb mich dann noch für Restplätze anderer Fakultäten in Schottland, ebenso vergebens. Nachdem auch das internationale Büro der Uni wenig Tipps hatte, überlegte ich, wie ich allein einen Auslandsaufenthalt organisieren könnte, und stieß auf die Organisation College Contact. Diese ist in Münster ansässig und vermittelt kostenlos Kontakte zwischen deutschen Studenten und dort angemeldeten ausländischen Unis, die sich um internationale Studenten bemühen. Meine Bewerbung war sehr kurzfristig, und ich war erst einmal überwältigt von der Fülle von Informationen und Fristen, über die man sich bei der Planung informieren musste. Die Organisation hat mir dabei sehr geholfen, weil sie immer kompetente und geduldige Ansprechpartner bot, die ich in der Uni vermisst hatte. Ein weiterer Vorteil war auch, dass College Contact ein Abkommen mit der kanadischen Uni hatte. Studenten, die sie vermittelte, mussten keinen Sprachnachweis einreichen, sondern Schulnoten und ein Schreiben eines Professors genügten. Das ersparte mir einige Zeit und einiges Geld, die ich sonst für einen TOEFL oder Cambridge-Test hätte aufwenden müssen.

Für Kanada habe ich mich entschieden, weil ich es spannend fand, möglichst weit weg zu sein, wegen seiner berühmten Natur, und weil ich gehört hatte, dass die Studiengebühren dort moderater seien als in den USA oder England.

Für den Aufenthalt nahm ich zunächst ein Urlaubssemester. Die beiden kanadischen Semester dauerten bis zum Ende des Aprils an. Anfang April hatte dann schon mein deutsches Semester wieder begonnen, und ich hatte vor, direkt wieder einzusteigen. Allerdings merkte ich einige Zeit vor meiner Rückkehr, dass mein Plan zu ehrgeizig war: Ich würde 5 Wochen verpasst haben. Ohnehin ist es nach acht Monaten illusorisch, sofort wieder konzentriert in den Vorlesungen sitzen zu wollen, da man erst einmal Familie und Freunde sehen will und auch umziehen und sich kurz wieder einleben muss, und daneben Einiges zu organisieren hat. Man sollte auch nicht vergessen, dass man nach einem Jahr, so geht es zumindest mir, sehr vieles vergessen hat. Ich rate daher dazu, einen Auslandsaufenthalt, zumindest in Studiengängen, in denen das Wissen aufeinander aufbaut, so zu planen, dass man vor Studienbeginn in Deutschland noch Zeit zur Auffrischung alten Wissens hat. Aus diesen Gründen habe ich mich auch für das zweite Semester in Deutschland beurlauben lassen.

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B) Vorbereitung

Sprache/Kultur

Ich hatte schon einige Zeit vor meinem Auslandsaufenthalt, seit ca. einem Jahr, englische Sprachkurse der Uni belegt, und darauf geachtet, viele Bücher in Englisch zu lesen und englisches Radio/ Nachrichten zu hören. Ich habe gemerkt, dass man mit Schulenglisch noch weit davon entfernt ist, in einem anderen Land gut zurechtzukommen (zumindest akademisch), und war daher froh, schon früh mit der Vorbereitung angefangen zu haben. Auf kulturelle Unterschiede habe ich mich nicht besonders vorbereitet, denn die kanadische und deutsche Mentalität und Sitten sind nicht so unterschiedlich, dass man sich vorher Kenntnisse aneignen müsste. Ich habe allerdings versucht, mich ein wenig zu belesen über die Geschichte und Politik des Landes.

Einreiseformalitäten

Man braucht ein sogenanntes study permit. Es ist auch möglich, ohne eines einzureisen, wenn man weniger als 6 Monate studiert. Wenn man sich unsicher darüber ist (ich hatte zunächst auch überlegt, nur ein Semester zu bleiben), sollte man es aber besser vorsichtshalber beantragen, denn es kann nur außerhalb Kanadas beantragt werden. Man müsste also sonst, sollte man sich zu einem längeren Aufenthalt entschließen, sonst wieder ausreisen, um eines zu beantragen. Die Kosten für das study permit beliefen sich auf 95 Euro. Da ich, zunächst auf meinen Erasmus-Platz vertrauend, sehr kurzfristig geplant hatte, war das Warten auf das Dokument sehr nervenaufreibend. Wenn möglich, sollte man es so früh wie möglich beantragen, da die Botschaft keinerlei Garantie für eine schnelle Ausstellung übernimmt und dieses sich auch Monate hinziehen kann.

Unterkunft

Für die ersten Tage habe ich in einem Hostel gewohnt, das ich online gebucht hatte (Tipp: unbedingt Nummer einspeichern, falls man doch später ankommen sollte, weil viele Hostels ab einer gewissen Zeit kein Personal mehr an der Rezeption haben, wenn man nicht Bescheid sagt). Danach gab es ein Orientierungsprogramm, bei dem ich auf dem Campus gewohnt habe. Ich hatte dann eigentlich vor, im Studentenwohnheim einzuziehen. Allerdings hatte die Uni meine Bewerbung dafür scheinbar nicht bearbeitet, und nun konnte man mir nur noch ein sehr teures Zimmer anbieten, dass mehr als 1000 Dollar im Monat kosten sollte (inklusive Essen). Ich habe mir dann eine private Wohnung gesucht, in einer WG. Das Zimmer war sehr klein, etwa 8qm, aber es hat eben nur 300 Dollar gekostet.

Generell war in Fredericon (und ich glaube, das gilt für ganz Kanada) das Wohnen im Studentenwohnheim ein anderes:

Die residences sind mehr als bloße Wohnungen. Sie sind auf dem Campus, gleich neben den Unigebäuden, so dass man sehr kurze Wege hat. Es gibt eine dining hall pro Haus, in denen die Leute den ganzen Tag essen können. Die Häuser haben ihre eigenen Vertrauensstudenten, eigene Lieder, Wappen und Sitten, und veranstalten viele gemeinsame Events. Gerade für Erstsemester und internationale Studenten sind sie also sehr praktisch, um Kontakte knüpfen zu können und eine Art Kollektivgefühl zu erleben, und bieten ein einigermaßen komfortables Leben, weil man sich nicht um das Essen kümmern muss.

Der Nachteil ist allerdings, dass, anders als in Deutschland, das Studentenwohnheim nicht billiger, sondern um einiges teurer ist, auch, wenn man das Essen mit einrechnet (es gibt nämlich auch die Möglichkeit, trotz externen Wohnens dining halls zu nutzen). Außerdem ist das ‚Internatsgefühl‘, das die residences bieten, nicht jedermanns Sache. Da viele jüngere Studenten in den Wohnheimen leben, die zum ersten Mal allein wohnen, gibt es viele Vorschriften, um die Wohnheime nicht zum ständigen Partyort werden zu lassen. Das führt dazu, dass die Hausvorsteher sich auch das Recht nehmen, Zimmer zu kontrollieren oder Anweisungen zu geben. Wenn man also viel Wert auf Selbstständigkeit legt, oder auch spezielles Essen benötigt und gern selbst kocht, oder wenig Geld zur Verfügung hat, sollte man überlegen, privat zu wohnen.

Krankenversicherung

Ich hatte mich bei meiner Krankenkasse erkundigt und erfahren, dass ich im Ausland nur für eine kurze Zeit versichert sein würde. Es gab dann die Möglichkeit, für 860 CAD in der Uni versichert zu sein, und die unieigenen Ärzte zu besuchen.


C) Situation am Ort

Einleben

Eine Woche vor Studienbeginn gab es eine fakultative Orientierungswoche, die zusätzliche 200 Dollar kostete. Dabei wurden viele organisatorische Dinge erklärt, die Stadt gezeigt und man konnte die anderen internationalen Studenten kennenlernen. Ein solches Programm ist auf jeden Fall sehr zu empfehlen, weil es sehr schwierig ist, mit der Flut von Informationen allein umgehen zu müssen.

Fachliche Qualität

An der UNB, Fredericton (University of New Brunswick, Fredericton) habe ich ein Fach namens ‚Law in Society‘ studiert, welches Rechtswissenschaft aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet (soziologisch, ökonomisch, politikwissenschaftlich). Das war insgesamt ein gutes, interessantes Programm, allerdings gab es ein paar Probleme: Wegen der Interdisziplinarität des Faches hatte ich oft das Gefühl, überall und nirgends zu sein, und es gab wenige Studenten, die das gleiche studierten. Internationale Studenten gab es in meinem Fach gar nicht, und es war oft wegen der exotischen Wahl schwer, einen Anpsprechpartner zu finden, der sich zuständig fühlte.

Ansonsten waren die Vorteile des Studiums kleine Klassen, interaktiver, diskussionreicher Unterricht und Professoren, die viel Zeit, auch für einzelne Studenten, hatten. Allerdings war das Niveau der Vorlesungen z.T. viel schlechter als in Deutschland. Dass der Schwierigkeitsgrad gering war, war auf der einen Seite angenehm, auf der anderern ärgerlich, wenn es zu sehr langweilte. Was mich oft ärgerte, war, dass bei der Überprüfung von Leistungen manchmal einfache Standards nicht eingehalten wurden, die eine objektive Bewertung ermöglichen. Ein Manko war auch, dass das Programm und die Professoren davon ausgingen, Nichtjuristen vor sich zu haben, so dass ich mir vieles anhören musste, was schon bekannt war.

Soziale Kontakte, Freizeit und Sport

Das internationale Büro der Uni und auch die Orientierungswoche machten es sehr einfach, soziale Kontakte zu knüpfen mit anderen internationalen Studenten, außerdem hatte ich sehr nette Mitbewohner in meiner WG. Dass die Stadt sehr klein war, begünstigte es auch, schnell jemanden wiederzutreffen.

Weitaus schwerer war es, zu Kanadiern feste Freundschaften aufzubauen, vor allem auch, weil ich ja in jedem Kurs andere Kommilitonen hatte. Smalltalk und ein nettes Lächeln gibt es in Kanada aber oft und überall. Ich fand es viel leichter, auf der Straße oder in Läden mit Leuten ins Gespräch zu kommen als in Deutschland. Kanadier sind auch sehr offen gegenüber anderen Kulturen und Ländern, weil ja fast das ganze Land ein Schmelztiegel aus Immigranten, oder zumindest den Nachkommen solcher, ist.

Kanadische Unis legen mehr Wert auf Sport, vor allem professionellen, als deutsche Unis. Es gehört dort zur Identität einer Uni, z.B. ein gutes Hockeyteam zu haben. Auch ansonsten gab es einige Clubs und Vereine, allerdings weniger und weniger unterschiedliche, als ich es von Jena gewohnt war, weil auch die Uni nur halb so groß war.

Lebenshaltungskosten

Die privaten Mieten in Fredericton waren etwas teurer als hier (aber eben verglichen mit dem Osten Deutschlands), auch das Essen ist ein wenig teurer. Kleidung kostet genau so viel. Was aber viel schlechter, und damit auch teurer ist als in Deutschland, ist der öffentliche Transport. Damit sind dann auch meine Reisepläne, in denen ich viel von Kanadas Natur sehen wollte, kürzer und weniger geworden.


D) Situation nach der Rückkehr

Freischuss

Nach einigem Gerangel mit dem Justizprüfungsamt (wegen meines exotischen Faches) ist es mir gelungen, die nötigen Semesterwochenstunden anerkennen zu lassen, so dass ich immer noch nach 8 Semestern meinen Freischuss (Möglichkeit, dass Examen einmal mehr zu versuchen) ablegen kann.

Persönliche Entwicklung, Perspektiven

Ich selbst kann natürlich schlecht beurteilen, ob ich mich weiternetwickelt habe - wenn, dann ist das schrittweise geschehen. Ich bin jedenfalls stolz, mich in einer anderen Sprache und ohne Mitstudenten aus Deutschland ins Ausland gewagt zu haben, und so viele nette Leute kennengelernt zu haben.

Ich habe schon vorher gedacht, dass ich später gern einen internationalen Beruf hätte, darin bin ich jetzt uneingeschränkt bestärkt worden. Am liebsten würde ich nach dem Jurastudium einen Master im Ausland machen, am liebsten in den USA, ein Fach dafür habe ich bei meinem Studium in Kanada gefunden: Law and Economics.

Ein weiterer positiver Effekt eines Auslandsstudiums, den man nicht unterschätzen sollte, ist folgender: Weil ich jetzt 8 Monate etwas anderes gemacht habe als deutsches Recht, bin ich viel motivierter. Bevor ich wegging, hatte ich einen Motivationstiefpunkt erreicht, und ich glaube, dass meine Motivation weiter gesunken wäre und ich angefangen hätte, mein Studium schleifen zu lassen. Nun bin ich 8 Monate lang weg gewesen, und habe wieder ein wenig die Euphorie eines Erstsemesters für mein Studium.

Erneut planen?

Müsste ich das Jahr noch einmal planen, würde ich auch nach Kanada gehen, und, wenn möglich, das Gleiche studieren. Allerdings würde es mich dann wohl nicht in eine kleine Stadt an der Ostküste ziehen (Fredericton hatte 50.000 Einwohner), sondern ich würde versuchen, in eine größere Stadt zu kommen.