Kulturelle Besonder­heiten in den Nieder­landen

Wer an die Niederlande denkt, hat höchstwahrscheinlich unendliche Tulpenfelder oder verrauchte Coffeeshops vor Augen. Dieses Bild wird unserem vielseitigen Nachbarland allerdings nicht ansatzweise gerecht. Eine optimale Mischung zwischen modernen und traditionellen Bauten, eine breite Kulturlandschaft und ein anwendungsorientiertes Studiensystem gehören beispielsweise ebenfalls zur niederländischen Kultur.

Deutschland verbindet mit seinem drittwichtigsten Handelspartner eine enge Freundschaft. Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur treffen sich regelmäßig für einen Austausch und ein besseres gegenseitiges Verständnis. Auch im Bildungsbereich herrscht vor allem mit den grenznahen Bundesländern eine enge Zusammenarbeit.

Unser Nachbarland ist sowohl ein beliebtes Reise- als auch Studienziel. Dabei gibt es zahlreiche kulturelle Besonderheiten in den Niederlanden zu entdecken. Den gegenseitigen Besuch befördert vor allem die typisch niederländische Offenheit und Neugier. Seien es die großen Fenster in den Wohnhäusern ohne Gardinen oder der Geburtstagskalender auf dem Klo - die Niederlande überzeugen durch ihre sympathische Bodenständigkeit.

Ursprünge der nieder­ländischen Kultur

Viele kulturelle Besonderheiten in den Niederlanden, wie der florierende Handel mit Tulpen, zeugen von der internationalen Vernetzung des Landes.

Auf dem europäischen Kontinent entwickelten sich im Laufe der Geschichte die verschiedensten Nationen und Kulturen, die bis heute eng miteinander verwoben sind. Aufgrund ihrer geografischen Lage galten die Niederlande dabei oft als Pufferstaat gegenüber der Expansion Frankreichs und Deutschlands. Gleichzeitig erarbeitete sich die handelsliebende Nation den Status als „Tor zu Europa“. Der ständige Kontakt mit anderen Völkern beeinflusste die niederländische Kultur maßgeblich.

Ein umfangreiches Handelsnetzwerk brachte den Niederlanden Wohlstand und kulturelle Vielfalt. Schon die ersten keltischen und germanischen Stämme tauschten mit ihren römischen Nachbarn verschiedenste Güter. Zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert bauten die Niederlande ihre wirtschaftlichen Verbindungen in Europa mit der Hanse aus. Mit dem Handel nach Übersee steuerte das verhältnismäßig kleine Land schließlich auf das Goldene Zeitalter zu.

Einen Höhepunkt der niederländischen Expansion bildete die einflussreiche Handelsgesellschaft „Vereinigte Ostindische Compagnie“ im 17. Jahrhundert. Außerdem vernetzten sich die Niederlande als Kolonialmacht in die ganze Welt, sodass in der Folge viele Menschen hier eine neue Heimat fanden. Beispielsweise wanderten im Zuge des Unabhängigkeitskampfes Indonesiens und Neuguineas Mitte des 20. Jahrhunderts viele Papua und Indonesier in die Niederlande aus. Während der sechziger Jahre kamen viele Gastarbeiter aus Italien und Spanien, aber auch Osteuropa, der Türkei und Marokko hinzu. Heute gehören noch die Niederländischen Antillen in der Karibik zu dem europäischen Königreich.

Diese vielfältigen kulturellen Einflüsse von außen prägen die Niederlande bis heute, sodass die Menschen als offen und tolerant gelten. Es erscheint daher wenig überraschend, dass die Grundsätze des Völkerrechts der niederländische Gelehrte Hugo Grotius entwickelte.

Wo verschiedene Kulturen zusammen kommen, sind unterschiedliche Weltanschauungen oder Religionen ebenfalls vertreten. Historisch prägte vor allem der Bildersturm im 16. Jahrhundert den christlichen Glauben in den Niederlanden. Allerdings sichert die Verfassung Schulen und Hochschulen Freiheit in der Ausrichtung der Lehre zu. Durch diese kulturelle Besonderheit in den Niederlanden zählen beispielsweise katholische, jüdische oder humanistische Schulen zu den vielfältigen Bildungsmöglichkeiten in den Niederlanden.

Eine Institution, die jedoch alle Menschen in dem Beneluxstaat eint, ist das volksnahe Königshaus. 1814/15 wurde aus dem Land eine Monarchie und etwa 100 Jahre später eine vollwertige Demokratie. Der König oder die Königin in den Niederlanden ist zwar neutral mit einer begrenzten Macht, äußert sich jedoch trotzdem zu politischen Themen.

Traditionen, Feiertage und Symbole

Aufgrund der engen Verbundenheit zum Königshaus ist der Königstag am 27. April einer der wichtigsten Feiertage in den Niederlanden. Das Datum richtet sich nach dem Geburtstag des Staatsoberhauptes. Auch am Prinsjesdag, am dritten Dienstag im September, versammeln sich die Niederländer in den Straßen Den Haags, um der Königsfamilie in einer goldenen Kutsche zuzujubeln. Der Monarch hält an diesem Tag seine Thronrede mit den politischen Leitlinien für das kommende Jahr.

Am 4. Mai ist Volkstrauertag in den Niederlanden. Am Nationalen Dodenherdenking gedenken die Niederländer der Opfer von Krieg und Friedenseinsätzen, was den engen Zusammenhalt der Bevölkerung unterstreicht.

Die besondere Stimmung der Nederlandse Gezelligheid findet sich beispielhaft beim gemeinsamen Kaffeetrinken, dem kopje koffie zwischen 10 und 11 Uhr morgens. Diese niederländische Tradition ähnelt dem Afternoon Tea in Großbritannien und ist den niederländischen Seefahrern zu verdanken, die Tee und Kaffee nach Europa brachten. Umgekehrt exportieren die Niederlande bis heute ihren Hering in die ganze Welt. Am Fähnchentag im Juni begrüßen die Niederländer den neuen Hering in Scheveningen und starten jedes Jahr mit einem traditionellen Straßenfest in die neue Saison.

Am Koningsdag färbt sich zur Feier des Königs das ganze Land orange.

In unserem Nachbarland sind christliche Feiertage wie Ostern, Himmelfahrt oder Pfingsten ein fester Bestandteil im Kalender. Eine kulturelle Besonderheit in den Niederlanden ist die Bedeutung von Sinterklaas am 5. Dezember. Dieser Tag ist wichtiger als Weihnachten und basierte ursprünglich auf Nikolaus von Myra. Der Amsterdamer Lehrmeister Jan Schenkman veränderte das Fest Mitte des 19. Jahrhunderts und brachte die Komponente des Belohnens und Bestrafens ein. Heute reist Sinterklaas mit der umstrittenen Figur des Zwarte Piet traditionell mit dem Schiff aus Spanien an, um Geschenke zu verteilen.

Viele der typischen Symbole für die Niederlande sind ein Beispiel für die globale Vernetzung der Nation. Die Tulpe, deren Zwiebel die niederländischen Kaufleute als Spekulationsobjekt nutzen, brachten Seefahrer im 16. Jahrhundert aus der Mongolei mit. Die Delfter Keramiken haben das chinesische Porzellan zum Vorbild. In ihrer Nationalhymne, dem Wilhelmus, besingt das Volk den deutschen Ursprung der Königsfamilie. Und die Klompen, die typischen Holzschuhe, nutzen viele bis heute auch in Frankreich, der Schweiz oder Dänemark.


Merkmale der nieder­ländischen Kultur

Während eines Auslandsstudiums in den Niederlanden lernen Studierende die großen und kleinen kulturellen Unterschiede zu Deutschland hautnah kennen. Dazu zählen nicht nur innovative Lehrmethoden, die auf Gruppenarbeit und Praxisnähe setzen. Kulturelle Besonderheiten in den Niederlanden sind außerdem eine positive Herangehensweise an unbekannte Probleme und die Suche nach kreativen sowie langfristigen Lösungen.

Bescheiden und Kompromissbereit

Ein typisches Merkmal der niederländischen Kultur ist Bescheidenheit. Viele stellen sich nicht gerne in den Vordergrund, um ihre Ansichten und individuellen Interessen durchzuboxen. Vielmehr arbeiten sie im Team zusammen, sodass jeder seine oder ihre Expertise und Stärken einbringen kann. Gemeinsam erarbeiten sie eine Lösung, die alle zufrieden stellt. Dadurch herrscht nicht nur an den niederländischen Hochschulen eine persönliche Arbeitsatmosphäre mit flachen Hierarchien und direkter Kommunikation. Durch die geringe Machtdistanz streben viele Niederländer Chancengleichheit an und betonen die Errungenschaften als Team.

Multikulturell und solidarisch

Der am dichtesten besiedelte Flächenstaat vereint die verschiedensten Kulturen und Glaubensrichtungen, sodass die Niederlande als besonders liberal gelten. Das Christentum ist dort zwar weit verbreitet, aber Angehörige des Islams, Judentums, Buddhismus oder Hinduismus haben ebenfalls ihren Platz in der niederländischen Gemeinschaft.

Die niederländische Hauptstadt Amsterdam ist bei Studenten aus der ganzen Welt beliebt.

Amsterdam bildet einen besonderen Hotspot der niederländischen Kulturszene. Dazu zählen nicht nur das berühmt berüchtigte Nachtleben, sondern auch zahlreiche Bühnen und Museen. Die Niederlande schätzen ihre Künstler, vor allem in der Malerei und veranstalten gern Festivals, um die Menschen zusammen zu bringen.

Der Zusammenhalt der multikulturellen Nation ist auch in Krisensituationen groß. Beispielsweise bauten sich die Niederlande mithilfe der genügsamen Bevölkerung nach dem verheerenden zweiten Weltkrieg einen umfangreichen Sozialstaat auf. Solidarität ist den Niederländern wichtig.

Vorausschauend

Die zahlreichen Veränderungen der Staatsstrukturen oder Landesgrenzen in den Niederlanden erforderten eine ständige Anpassung an die neuen Gegebenheiten. In den Niederlanden begegnen bis heute viele dem Ungewissen mit einer vorausschauenden und ideenreichen Planung. Eine Neigung zum Sparen ist dabei genauso ausgeprägt wie die Bereitschaft langfristig zu investieren und geduldig auf die Ergebnisse zu warten.

Innovative und langfristige Lösungen sind beispielsweise im Umgang mit dem Wasser notwendig, dass das Land umgibt. Nach der Flutkatastrophe 1953 begannen die Niederlande mit dem Bau riesiger Hochwasserschutzanlagen und arbeiten kontinuierlich daran, sich mit dem Wasser zu arrangieren.

Im Hochschulbereich zeugt unter anderem die Einbindung der englischen Sprache in die Studienprogramme von der Zukunftsorientierung des Landes. Im Studium und im Alltag sind jedoch weiterhin Mindestkenntnisse des Niederländischen hilfreich, um die niederländische Kultur kennenzulernen.

Tolerant und offen für Neues

Traditionen und Moralvorstellungen gelten in den Niederlanden nicht als statisch. Stattdessen sind kulturelle Verhaltensweisen und Regeln flexibel und hängen eher vom Kontext ab. Dahinter stehen eine grundsätzliche Offenheit und ein Pragmatismus, die das Zusammenleben der verschiedenen Menschen in den Niederlanden vereinfachen. Dadurch sind beispielsweise traditionelle Feiertage anderer Glaubensrichtungen, wie das Zuckerfest, eine Selbstverständlichkeit im Jahreskalender.

Die Neugierde vieler Niederländer befördert außerdem ihre Reiselust, sodass sie an vielen Orten der Welt anzutreffen sind. Der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus führt zu einer toleranten Einstellung gegenüber anderen Sichtweisen.

Gesunde Work-Life-Balance

Die Niederlande gelten als typisch feminine Kultur, in der die Freizeit einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Selbstverwirklichung ist den Niederländern in allen Bereichen des Lebens wichtig. Statt mit der eigenen Leistung andere zu übertreffen, sehen viele darin eher den persönlichen Fortschritt. Spaß und eine positive Einstellung stehen im Vordergrund. Das spiegelt sich auch im Hochschulwesen wieder, wo Dozenten eher als Coach der Studierenden fungieren. Langfristig inspiriert der ausgeglichene Lebensstil zwischen Arbeit und Freizeit den einzelnen und damit die Gesellschaft als Ganzes.


Verhaltens­tipps für die Nieder­lande

Trotz der großen Toleranz und Kompromissbereitschaft der Menschen in den Niederlanden gibt es konkrete Regeln und Normen für alle Bewohner und Besucher. Ein typisches Beispiel ist die Annahme, dass weiche Drogen überall im Land erlaubt seien. Wie in Deutschland sind das Mitführen und der Konsum streng gesetzlich geregelt.

Kulturelle Besonderheiten in den Niederlanden führen dazu, dass internationale Studierende sich spätestens vor Ort auf andere Gepflogenheiten einstellen. Aufgrund der freundlichen und offenen Art vieler Niederländer ist es ratsam, einfach nachzufragen, falls etwas unklar ist. Viele kommen gerne ins Gespräch.

Allgemein ist es hilfreich, sich an das inoffiziellen Motto der Niederlande zu halten: „Verhalte dich normal, das ist verrückt genug.“ Für ein unbeschwertes Studentenleben in den Niederlanden finden sich im Folgenden einige hilfreiche Verhaltenstipps.

Dos und Dont’s in den Niederlanden

Dos Don'ts
Humorvoll und optimistisch sein Angeben und Prahlen, denn auf Statussymbole oder akademische Titel legen viele Niederländer kaum Wert
Eine Begrüßung mit Handschlag oder drei Küsschen jeweils abwechselnd auf die Wange Niederländer pauschal als Holländer zu bezeichnen. Holland ist nur die gleichnamige Provinz im Nordwesten des Landes
Nacktbaden, wo es erlaubt ist Fußballwitze auf Kosten der Niederländer
Bei einem längeren Aufenthalt ist es sinnvoll, Niederländisch zu lernen Niederländer wie selbstverständlich auf Deutsch ansprechen, lieber höflich nachfragen, ob derjenige Deutsch oder Englisch spricht
Kleine Gastgeschenke bei Einladungen mitbringen, vor allem Pralinen oder Blumen Spontan bei jemandem ohne Vorankündigung vorbeischauen
Zum Rauchen vor die Tür oder in ausgewiesene Bereiche gehen Sich zu sehr zu verspäten