27 Okt 2016
Hillary Clinton vs. Donald Trump

Ein Auslandssemester mitten im US-Wahlkampf

Ein Auslandssemester in den USA zu Zeiten des Wahlkampfes ist ein ganz besonderes Erlebnis.

Einen besseren Zeitpunkt hätten unsere Studenten für ihr Auslandssemester in den USA kaum wählen können. Der Wahlkampf um das amerikanische Präsidentenamt ist kurz vor Ende spannender denn je und die ersten Wähler geben ihre Stimmen ab. Dazu zählen auch einige der Kommilitonen unserer Studenten in den USA. Als Erstwähler erleben sie einen Wahlkampf, den es mit solch kontrovers diskutierten Kandidaten schon lange nicht mehr gab.

Wir haben uns gefragt, welche Rolle Politik an den amerikanischen Unis spielt und wie die politische Stimmung auf dem Campus ist. Zu diesem Zweck haben wir mit zwei unserer derzeitigen Semesterstudenten in den USA gesprochen: Johannes, der an der UCSD Politikwissenschaft studiert, und Celina, die am Brooklyn College Media Studies belegt, haben uns von ihren Eindrücken in den Küstenstaaten Kalifornien und New York berichtet.

Political Activity auf dem amerikanischen Campus

Ähnlich wie in Deutschland sind auch die Universitäten in den USA grundsätzlich politisch neutral und vertreten öffentlich keine politische Gesinnung. Gleichzeitig ist die Uni aber auch ein Ort an dem verschiedene Meinungen und Positionen diskutiert werden sollen.

Die Kandidaten für das Präsidialamt Hillary Clinton und Donald Trump haben beide erfolgreich an amerikanischen Universitäten studiert und das politische Campusleben der späten sechziger Jahre erlebt. Der Wahlkampf, auch um die Erstwähler, findet allerdings seit langem außerhalb der Uni statt. In den USA gilt: Entweder sprechen alle Kandidaten bei gleichen Bedingungen an der Hochschule- oder keiner.

Damit die Hochschulen und ihre Ressourcen nicht als politische Plattform genutzt werden, halten sie sich an einen Kodex, der auch für die Mitarbeiter und Studentenschaft gilt. An der UCSD sorgten im April Pro-Trump Graffitis auf dem Campusgelände für Aufruhr. Die Uni nutzte den Vorfall, um ihre Neutralität und die befürwortete kulturelle Diversität zu betonen.

Einige kritisieren diesen Kodex als Zensur, andere sehen weiterhin ihr Recht auf freie Meinungsäußerung gewahrt. Die Studenten organisieren sich im Rahmen des amerikanischen Campuslebens in politische Gruppen, die jedoch keinen konkreten Kandidaten, sondern eine bestimmte Partei unterstützen. Johannes bestätigt, dass an der UCSD „kein aktiver Wahlkampf“ stattfindet und die politischen Studierendengruppen im Vergleich zu den Verbindungen kaum auffielen.


Wahlkampf an der Ost- und Westküste

Der US-amerikanische Wahlkampf spielt sich hauptsächlich außerhalb des Brooklyn College in NYC ab und vor allem im World Wide Web.

Die Küstenstaaten Kalifornien und New York gelten als politisch liberale Staaten, in denen traditionell die Präsidentschaftskandidaten der demokratischen Partei die Nase vorn haben. Celina und Johannes sehen daher auch kaum Wahlwerbung in den Straßen. Vermeintlich „sichere“ Staaten werden von beiden Parteien nicht fokussiert, um sich voll und ganz auf die sogenannten Swing States zu konzentrieren, in denen mal die eine und mal die andere Partei die Oberhand hat. „Hier ist eigentlich keine politische Stimmung in der Uni“, bemerkt Johannes.

Er hat auch den Eindruck, dass der Wahlkampf der Republikaner vor allem in den sozialen Netzwerken stattfindet. „Das ist ganz komisch“, wundert sich Johannes „eigentlich dachte ich, es wäre eine sehr aufgeheizte Stimmung (…), aber ich glaube, das ist dann eher in den mittleren USA so“. Er erinnert sich an ein Gespräch mit einer Mitfahrerin aus Arizona, einem der aktuellen Swing States. Dort seien Anhänger beider Parteien viel stärker vertreten. In Kalifornien, vermutet er, sei das Konfliktpotential durch fehlende Anhänger der Republikaner geringer.

Trotz der fehlenden Sichtbarkeit im Stadtbild ist der Wahlkampf natürlich Thema in den Vorlesungen. „In den Kursen werden die Debatten auf jeden Fall geguckt“, erzählt Johannes. In den technisch modernen Räumen der UCSD verfolgten die Studenten die TV-Debatten auf der Leinwand und besprachen sie gemeinsam. Die Dozenten seien sich des Diskussionsbedarfs bewusst und sprechen das Thema gezielt an.

Celina verfolgte die erste TV-Debatte im Studentenwohnheim. So wie sie haben viele Studenten das Duell zwischen Clinton und Trump gemeinsam mit ihren Kommilitonen vor dem Fernseher geschaut. Die in den USA üblichen Untertitel waren da hilfreich. Celina erzählt: „Es wird gelacht und wird sich dann natürlich darüber aufgeregt, was hauptsächlich Trump sagt.“ Nach der zweiten TV-Debatte war sogar ein Tweet des Englisch-Professors Moustafa Bayoumi vom Brooklyn College einer der meistgelesenen in den USA.

„Ansonsten ist es schwierig sich ein Bild davon zu machen, was die Amerikaner so denken“, stellt Johannes ernüchtert fest. Viele Profs der UCSD behalten ihre persönliche politische Meinung für sich.


Das erste Mal wählen - #vote und #2016election

Fehlende Inhalte waren ein verbreiteter Kritikpunkt unter den amerikanischen Studierenden nach den TV-Debatten. Themen wie Mindestlohn oder Studiengebühren wurden nur gestreift. Dabei bewegen sich die Unterstützer beider Parteien durchs Netz und versuchen vor allem die jungen Wähler anzusprechen, erzählt Celina. Generell ist ihr vor allem die emotionale Art des Wahlkampfes aufgefallen: „In den politischen Werbespots (…) geht es nicht darum, wie toll Hillary ist, sondern wie schlecht Donald Trump ist.“ Beide Kandidaten würden den Fokus auf die schlechten Eigenschaften des Gegners lenken, statt auf sich selbst. „Man muss sich im Klaren sein darüber, wie Medien arbeiten und wie sie operieren“, resümiert sie.

Die Wahlbeteiligung der 18 bis 24-jährigen ist in den USA seit 1962 kontinuierlich gering. Bei der Wahl von George W. Bush 2004 stieg sie zuletzt stark an und bei Barack Obama 2008 vor allem in der Gruppe der jungen Wähler. Trotzdem ergab eine Umfrage der Washington Post und ABC News, dass nur 41% der Millennials (18 bis 29-jährige) am 8. November sicher wählen gehen wollen.

Sowohl am Brooklyn College als auch an der UCSD laufen Kampagnen, um die Erstwähler zu registrieren und sie an ihre Möglichkeit der politischen Mitbestimmung zu erinnern. Je nach Staat variieren die Deadlines zur Registrierung, denn am Wahltag selbst ist dies nicht mehr möglich. Auch mit Kampagnen wie Rock the Vote engagieren sich die Studenten, um ihre Kommilitonen zum Wählen zu bewegen. Trotzdem scheint dies noch nicht im großen Stil stattzufinden. „Aktiv, um wählen zu gehen, haben sie keine Werbung gemacht“, findet Johannes.


Wahlen am 8. November

"One Vote, Two Votes, I Vote, You Vote": Die Geisel Library an der UC San Diego fördert beispielsweise mit der Dr. Seuss Collection politische Bildung für jedes Alter.

Am 8. November wählen die USA den 45. Präsidenten. Hatte die anstehende Wahl für Celina und Johannes Einfluss auf die Planung eines Auslandssemester in den USA?

Für Celina war die anstehende Wahl eher ein zusätzliches Plus: „Ich bin sowieso im Herzen ein amerikanisches Kind und ich wäre auf jeden Fall gegangen.“ Schon die letzte Wahl 2012 hatte sie nachts aus Deutschland mitverfolgt. „Wir haben jetzt noch ungefähr einen Monat (…) und für mich macht es das Ganze eigentlich eher noch ein bisschen aufregender.“ Johannes sagt klar: „Mit Blick auf die Wahl war Amerika schon Ziel Nummer eins“ und fügt hinzu: „Das ist einfach sehr interessant, bei so einer Wahl nah dabei zu sein. Und vor allem dann auch mit Amerikanern ins Gespräch zu kommen darüber.“

Für den Wahltag planen Johannes und Celina sich jeweils unter das amerikanische Volk zu mischen. „Das würde ich witzig finden, (…) dass man raus geht und guckt was die anderen so machen. Dass man das alles mitnimmt, diesen ganzen Vibe“, hofft Celina. Auch wir sind gespannt und werden nach der Wahl noch einmal bei Celina und Johannes nachfragen, wie sie den Wahltag erlebt haben.

Bis zur nächsten Wahl sind es noch vier Jahre. Genug Zeit, um das Land während eines Auslandssemesters oder Academic Gap Years in Ruhe kennen zu lernen - egal wer dann im Oval Office des Weißen Hauses die Entscheidungen trifft. Für weitere Infos und bei all euren Fragen helfen euch unsere Studienberaterinnen gerne weiter.