24 Mai 2017
Live aus Christchurch

College-Contact-Stipendiat Robin Horst im Interview

Nur eines von vielen Reisezielen in Neuseeland: Stipendiat Robin Horst bei einer Bootstour zu den Wasserfällen des Milford Sound-Nationalparks

Die Lincoln University war sein Favorit für ein Auslandssemester. Für College-Contact-Stipendiat Robin Horst kam keine der Partnerhochschulen seiner Heimatuniversität in Frage – und das trotz der höheren Studiengebühren in Neuseeland.

Haben sich seine Erwartungen an die Lincoln University erfüllt? Das und andere Fragen hat uns Robin in einem ausführlichen Interview beantwortet. Ein Lesetipp für alle Studenten, die sich einen umfassenden Eindruck vom Studienalltag, der atemberaubenden Naturlandschaft und den Kiwis auf der Südinsel Neuseelands machen wollen.


College Contact:
Die wichtigste Frage gleich vorweg: Wie gefällt dir Neuseeland?

Robin Horst:
Neuseeland ist super. Ich bin ein Riesenfan von dem Land geworden. Die Leute sind mega nett. Fast schon komisch, wie nett hier alle sind. Wirklich jeder bedankt sich beim Busfahrer, wenn er hier aussteigt. Es ist echt ein nettes Völkchen.
Die Uni ist auch top und mit den Kursen hat alles gut geklappt. Es am Anfang noch ein paar kleine Missverständnisse an der Uni, aber es hat trotzdem wunderbar geklappt. Ich habe genau die Kurse, die ich auch von Anfang an wollte.

College Contact:
Bleiben wir erstmal bei den Kursen. Bist du mit den Kursen zufrieden?

Robin Horst:
Ja, da wurden alle meine Erwartungen komplett erfüllt. Die Kurse machen mir total Spaß. Es hat mich in den ersten Wochen sehr überrascht, wie es an der Uni hier abläuft. Gerade in den Kursen, in denen ich jetzt bin, ist alles eher klein und familiär gehalten. Ich habe Kursgrößen von drei bis 18 Leuten. Und mit drei Leuten im Kurs, also einem Dozenten auf drei Studenten, ist es natürlich das beste Betreuungsverhältnis, das man sich vorstellen kann.

Geographic Information System ist der größte Kurs mit 18 Leuten, in den ich auch ein bisschen Arbeit stecken muss, da ich von der Materie vorher eigentlich wenig Ahnung hatte und Fuß fassen wollte. Dadurch dass wir nur so wenige Leute sind, kann ich den Dozenten aber jederzeit fragen. Ich kann zu jeder Tages- und Nachtzeit Emails schreiben.

Die anderen Kurse sind Interaction Design und Human Computer Interaction. Die Kurse finden in Christchurch selbst statt und nicht in Lincoln. So komme ich jede Woche mindestens zwei bis dreimal in die Stadt. Einer meiner Kommilitonen wohnt auch direkt ums Eck von mir und wir fahren immer zusammen mit dem Bus hin.

Da die Universität nicht wirklich auf Informatik spezialisiert ist, sind wir in diesen beiden Kursen zu dritt. Also ich habe zwei von drei Kursen nur mit drei Leuten. Das ist superinformell.

Klein aber fein: Die Lincoln University hat ein umfangreiches Angebot an Studiengängen rund um die Thematik Nachhaltigkeit und Umwelt.

College Contact:
Du hast dir die Lincoln University ja auch gezielt wegen der dort angeboten Kurse ausgesucht, richtig?

Robin Horst:
Ja, vor allem eben aufgrund des Kurses Geographic Information System, in dem das Fach Informatik mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpft wird. Dazu gibt es an der Lincoln University mehrere Forschungsgruppen, die nicht nur zu Erdbeben forschen, sondern auch andere Themenfelder abdecken.

In den Vorlesungen dazu werden relativ oft auch Projekte dazu vorgestellt, in denen man analysiert, welche Auswirkungen ein Erdbeben hatte und wie man das darstellen kann. Oder was man denn genau von diesem Erdbeben gemessen hat und was man in Zukunft messen kann. Das ist hier schon ein großer Fokus.

College Contact:
Wie läuft der Unterricht im Vergleich zu deiner Heimatuni ab?

Robin Horst:
Die Kurse sind schon ein bisschen mehr Arbeit. Das muss man schon sagen. Hier wird durchaus erwartet, dass man regelmäßig mitarbeitet, nicht so wie in Deutschland. Das ist es ja eher so, dass man sich während des Semesters berieseln lässt und dann am Ende eine große Klausur schreibt, deren Note für das ganze Semester zählt. Hier musste ich schon in der zweiten, dritten Woche etwas abgeben, was bewertet wird. An dieses Durchstarten von Anfang an musste ich mich erstmal gewöhnen.

Aber im Endeffekt ist es ziemlich cool, weil man zu jeder Zeit weiß, woran man in dem Kurs ist und ob man in ein Thema lieber nochmal mehr Zeit rein investieren sollte. Dadurch dass wir nur drei Leute im Kurs sind und sowohl an Projekten als auch theoretisch arbeiten, ist der Stoff so gefestigt, dass ich das auch noch nach meinem Studium behalten werde. Da bin ich mir ziemlich sicher. Und ich werde am Ende des Semesters viel relaxter aus der Uni gehen. Wie jetzt gerade auch. Von daher gesehen ist alles ziemlich gut mit den Kursen. Da kann man nicht meckern.

College Contact:
Wie sehen die Prüfungen denn aus?

Robin Horst:
Bei mir im Master ist es wohl gang und gäbe, dass man hauptsächlich für Projektarbeiten und Vorträge Noten erhält. Ich schreibe tatsächlich keinen einzigen schriftlichen Test, sondern habe jetzt zum Beispiel im Geographic Information System Kurs drei große Projekte, von denen zwei mit 25 Prozent und eines mit 50 Prozent in die Note einfließen.

Es gibt dann einen Theorieteil, für den wir bis zu 10 Seiten schriftlich abgeben müssen, und meistens noch ein Artefakt, also so etwas wie eine Karte. Die Ergebnisse müssen wir dann auch präsentieren, um zu erklären, was wir uns dabei gedacht haben: Zum Beispiel, warum stellen wir auf der Karte genau diese Faktoren da?

Sportliche Leistung: der Aufstieg zum Krater des Mount Ngauruhoe, auch als "Schickalsberg" aus der "Herr der Ringe"-Triologie bekannt, im Tongariro National Park.

College Contact:
Du hast deinen Studienalltag ja schon ein bisschen beschrieben. Welche Aktivitäten gibt es an der Lincoln University auf und um den Campus?

Robin Horst:
In Lincoln sind alle tatsächlich relativ sportlich unterwegs. Neuseeland ist ja eine Rugby-Nation und ich habe mir sagen lassen, dass aus dem universitätseigenen Rugby-Team schon einige Kapitäne für das All Blacks Nationalteam gekommen sind, obwohl die Uni eben so klein ist. Dafür ist das schon relativ beachtlich. Tatsächlich war ich auch bei einem Spiel „live“ dabei. Bei dem Eröffnungsspiel der Saison. Das war direkt in Christchurch.

Es ist ein ziemlich cooler Sport und man muss dafür als Rugbyspieler schon hart gesotten sein. Wie ich hier von den Kiwis, den Einheimischen, so mitbekommen habe, wird man als europäischer Fußballfan ein bisschen belächelt. Ein bisschen kann ich es auch verstehen, wenn man das mit Vollkontakt-Rugby ohne irgendwelche Schutzkleidung vergleicht. Als ich das erste Mal gesehen habe, wie die aufeinander zu laufen, ohne Kopfschutz oder so… Das knallt schon ganz schön.

College Contact:
Hast du beim Studieren schon viele Kiwis kennengelernt?

Robin Horst:
Es ist sehr, sehr gemischt. Gerade wegen des fachlichen Schwerpunkts auf landwirtschaftliche, nachhaltige Studiengänge, studieren viele internationale Studenten in Lincoln. Im Bachelor sind es deutlich mehr, aber auch im Master kommt nur etwa ein Drittel des Kurses aus Neuseeland selbst. Auf meinen einen Kurs umgerechnet, geht das tatsächlich genau auf. Da ist einer von drei aus Neuseeland. Und bei den anderen Kursen würde ich es grob schätzen. Und weil die Kurse so klein sind, kommt man mit den Leuten eben nicht nur einmal, sondern öfter in Kontakt. Anders als wenn man einer von etwa hundert Studenten im Kurs ist. Es ist also ein guter Mix, ich kriege von allem etwas mit.

In Christchurch gibt es mehr Einheimische als in Lincoln. Die erkennt man auch daran ganz gut, weil Neuseeländer oft barfuß oder in Gummistiefeln rumlaufen - bei Wind und Wetter. Auch jetzt, wo es gerade Winter wird, laufen bei zwölf Grad einige nur barfuß und mit kurzen Hosen rum. Viele tragen auch Gummistiefel, ganz unabhängig vom Wetter. Vor der Bibliothek gibt es dafür sogar extra kleine Abstellboxen, explizit für Gummistiefel.

College Contact:
Wie ist der Campus denn ansonsten aufgebaut?

Robin Horst:
Der Campus ist sehr überschaubar. Man ist hier in Lincoln ja weit ab von allem. Bis zu der Bushaltestelle auf dem Campus, von der aus jede halbe Stunde ein Bus nach Christchurch fährt, brauche ich 2 Minuten. Wenn ich zwei Minuten Laufen anhänge bin ich an der anderen Seite des Campus rausgelaufen.

Bis zur Mitte von Christchurch braucht man ungefähr eine Stunde mit dem Bus und ich sage mal 40 Minuten von dieser Stunde fährt man eigentlich nur an Feldern vorbei. Sonst ist hier gar nichts und dann kommt dieser Campus und der Campus ist mitten in der Natur. Rundherum gibt es auf den Feldern pro Hektar wahrscheinlich mehr Kühe als Einwohner. Es ist also superidyllisch, auch auf dem Campus selbst.
Man merkt leider noch ein bisschen, dass hier eben auch durch die letzten Erdbeben das ein oder andere Gebäude noch gesperrt ist. Es gibt hier also einen Mix aus neuen Gebäuden, aber auch aus alten Fachwerkhäusern.

Typisch neuseeländisch:Wegen der Vorliebe für Gummistiefel gibt es vor den Seminaren sogar boxen für die "Gumboots". 

College Contact:
Wie stark nimmst du die Auswirkungen der letzten Erdbeben noch wahr?

Robin Horst:
Vor allem in Christchurch selbst ist das noch gut spürbar. Nach meiner Ankunft bin ich durch die Stadt gelaufen und mir ist tatsächlich an jeder Ecke eine große Baustelle aufgefallen. Dadurch ist das definitiv noch in allen Köpfen verankert. Was ich mich jetzt gefragt habe, ist folgendes: Wie werden diese Gebäude jetzt gebaut? Also stellt man sich jetzt eher darauf ein, dass jetzt ein neues Erdbeben kommt?

Baut man die Gebäude aus Plastik und Holz oder aus massiven Materialien, damit sie nicht einkrachen. Bei dem was ich rundherum so sehe ist der Konsens eher, dass man tatsächlich Gebäude baut, bei denen es nicht so schlimm ist, wenn die zusammen fallen. Die Gebäude sind alle einfach verglast und haben relativ dünne Wände. Es gibt ja zum Beispiel auch diese Cardboard Cathedral hier in Christchurch, die komplett aus Plastik und Holz aufgebaut ist. Man lässt sich also nicht unterkriegen.

College Contact:
Du bist mithilfe des College-Contact-Stipendiums ja schon vor deinem Auslandsaufenthalt gereist. Kannst du kurz deine Reiseroute skizzieren?

Robin Horst:
Ich bin hier tatsächlich zur schönsten Zeit mitten im Sommer angekommen. Es hätte nicht besser sein können. Das muss man einfach so sagen. Die Uni ging hier ja so Anfang Februar los und tatsächlich habe ich die Finanzspritze genutzt, um komplett vier Wochen vorher hier anzutanzen. In den vier Wochen hatte ich maximal zwei Tage Regen. Das war wirklich ein brachial gutes Wetter, die ganze Zeit über.

Da ich nicht wusste, wo man mit dem Reisen am besten anfangen sollte, habe ich einfach geographisch geschaut, wie man an den Strecken weiterkommt. Es gibt hier nämlich kein so gutes Verkehrsnetz, man kommt nur mit Überlandbussen. Deswegen habe ich direkt in Auckland angefangen, also ganz, ganz oben. Ich bin dann systematisch mehr oder weniger im Zickzack-Rhythmus nach Süden runter.

Gestartet bin ich auf der Nordinsel und habe da Auckland selbst mitgenommen. In Hobbiton war ich auch, das war ja eines der groß ausgeschriebenen Ziele, wo ich auf jeden Fall hinwollte. Es ist zwar sehr touristenmäßig, das wusste ich auch vorher schon, aber da wollte ich definitiv hin. Das war auch superschön.

Dieses Ziel stand ganz oben auf Robins "Must see"-Liste: Ein Besuch in legendären Hobbiton, das Zuhause von Bilbo Beutlin.

Im Tongariro-Nationalpark habe ich die größte Wanderung unternommen und bin an zwei Vulkanen vorbeigeklettert. Einer der Vulkane ist der Schicksalsberg aus Herr der Ringe. Den bin ich halb hochgeklettert und dann drum herum gelaufen. Über verschiedene kleinere Stationen bin ich dann auch noch zwei Tage nach Wellington gereist. Das war mein Kultururlaub. Dort gibt es auch ein riesiges Museum über die Geschichte Neuseelands. Das fand ich megaschön.

Danach bin ich mit dem Boot runter auf die Südinsel und dort westlich, über verschiedene Nationalparks weitergefahren. Da ging es von den Vulkanen in den Urwald. Zwischendurch gab es dort dann immer wieder kleine Strände und Inseln, auf denen sich Robbenkolonien getummelt haben. Weiter südlich bin ich dann am Franz Josef-Glacier vorbei und habe dort eine Gletscherwanderung gemacht.

Um richtig in den Süden zu fahren, habe ich mir dann ein Auto gemietet. Denn die Straßen sind dort so eng, dass es mit dem Bus gar nicht machbar gewesen wäre. Ich bin dort zum Milford Sound-Nationalpark, also den berühmten Fjord, wo ich auch eine Bootstour gemacht habe – an verschiedenen Wasserfällen vorbei und sogar unter einem Wasserfall hindurch.

Über einen Schlenker nach Dunedin bin ich dann schlussendlich nach Christchurch. Ich habe also über Gletscher, Strände, Geysire, Vulkane, Urwälder, Wasserfall und Hobbiton, wo ich noch schön im Grünen Drachen ein Hobbit-Bier getrunken habe, wirklich alles mitgenommen, was in den vier Wochen so ging.

College Contact:
Klingt als hättest du deine Zeit in Neuseeland und das College-Contact-Stipendium bisher hervorragend genutzt. Vielen Dank für das Interview!


Mehr Infos über die Lincoln University und das auf Nachhaltigkeit und Umwelt fokussierte Studienprogramm findet ihr im Hochschulprofil. Bei allen Fragen zu einem Auslandsstudium in Neuseeland helfen wir euch gerne weiter.