Studiensystem in Frankreich

Wer sich mit dem Studiensystem in Frankreich befasst, stößt früher oder später auf Abkürzungen wie LMD, DUT oder CM. Auch wenn die Begrifflichkeiten auf den ersten Blick befremdlich wirken, weisen das deutsche und französische Studiensystem weniger Unterschiede auf als zunächst gedacht. Grund ist die Bologna-Reform, in deren Rahmen auch in Frankreich die gestufte Bachelor-/ und Masterstruktur eingeführt wurde.

Durch die Umstrukturierung des französischen Hochschulwesens können sich deutsche Studenten schneller in das Studiensystem einfinden und sich in Frankreich erworbene Studienleistungen leichter anerkennen lassen.

Welche Besonderheiten das Studiensystem in Frankreich aufweist, verrät der folgende Ratgebertext.

Aufbau des Studiensystems in Frankreich

Zwischen Berufsbildungsstätten und Universität: Das Studiensystem in Frankreich ist für seine Durchlässigkeit und Flexibilität bekannt.

Das Hochschulsystem in Frankreich kennt viele verschiedene Studienabschlüsse. Im Allgemeinen lassen sich drei Studienabschnitte unterscheiden. Ähnlich wie in Deutschland absolvieren Studierende in Frankreich zunächst ein grundständiges Studium, das zu einem ersten universitären Abschluss (Licence) führt. Mit diesem ersten Studienabschluss erhalten Studierende Zugang zu einem weiterführenden Studium, dem Master. An diesen kann ein Promotionsstudium angeschlossen werden.

Zusätzlich existiert innerhalb der Hochschullandschaft Frankreichs neben den Bachelor- und Mastergraden eine Reihe von landesspezifischen Abschlüssen:

  • Fach- und berufsorientierte Abschlüsse von Kunst-, Architektur- und Musikhochschulen
  • BTS (Brevets de Technicien Supérieur)
  • DUT (Diplômes Universitaires de Technologie)

Das französische Studiensystem ist so konzipiert, dass bei Vorliegen der entsprechenden Zugangsvoraussetzungen in der Regel ein Wechsel an einen anderen Hochschultyp problemlos möglich ist. Viele Studierende nutzen dies, um beispielsweise von einem Kurzzeitstudium in ein universitäres Studium oder von einer Universität an eine Grande École in Frankreich zu wechseln.

Die sogenannte Admission Parallèle bietet insbesondere internationalen Studierenden die Möglichkeit eines Quereinstiegs an eine Grande École. Wer sich für ein Masterstudium bewerben möchte, kann sich im Rahmen der Admission Parallèle oftmals einem alternativen Bewerbungsverfahren unterziehen. Die Teilnahme an den umfangreichen Aufnahmeprüfungen der Grandes Écoles, Concours genannt, ist somit nicht erforderlich. Meist genügt das Einreichen einer Bewerbungsmappe.


Die klassischen Abschlüsse

Das als Folge der Bologna-Reform eingeführte dreigliedrige Studiensystem in Frankreich setzt sich aus den Studienabschlüssen Licence, Master und Doctorat zusammen. Aufgrund der Anfangsbuchstaben der drei akademischen Grade ist ebenfalls vom LMD-System die Rede. Auch das Kürzel „3-5-8“ kommt regelmäßig zum Einsatz. Dieses spielt darauf an, dass Studierende die jeweiligen Abschlüsse nach drei, fünf beziehungsweise acht Jahren Studium erlangen. Zusätzlich ist die Schreibweise „bac+3“, „bac+5“, „bac+8“ geläufig. Damit wird die Anzahl der Studienjahre im Anschluss an das Abitur (Baccalauréat, kurz Bac) gekennzeichnet.

Licence

Was in Deutschland der Bachelor ist, ist in Frankreich am ehesten mit der Licence zu vergleichen. Während des dreijährigen Studiums erwerben Studierende 180 ECTS-Punkte.

In Frankreich unterteilt sich das Bachelorstudium in drei Abschnitte: L1, L2, L3. Die ersten beiden Studienjahre, L1 und L2, haben meist einführenden Charakter. Häufig dominieren theorieorientierte Vorlesungen, die Cours Magistraux, kurz CM. Im dritten Studienjahr L3 ist es oft möglich, Schwerpunkte zu setzen und sich auf ein Fachgebiet zu spezialisieren.

Der akademische Abschluss Licence existierte bereits vor Bologna. Ursprünglich untergliederte sich das Studium in Frankreich in drei Abschnitte (Cycles). Diese entsprachen dem Grund-, Haupt- und Aufbaustudium. Auf das zweijährige Grundstudium folgte das Hauptstudium (2ème Cycle), welches ebenfalls zwei Studienjahre umfasste. Nach dem ersten Jahr des Hauptstudiums erlangten Studierende ursprünglich die Licence, nach dem zweiten Studiengang die Maîtrise. An der Dauer des Studiums hat sich letztlich nichts geändert. Die Licence wird nach wie vor nach drei Studienjahren verliehen.

Voraussetzung für die Zulassung zur Licence sind das Abitur sowie ausreichende Französischkenntnisse. Letztere lassen sich in Form eines Sprachtests oder Sprachdiploms nachweisen. In vielen Fällen akzeptieren die französischen Hochschulen auch eine ausreichende Abiturnote im Leistungskurs Französisch oder sie überprüfen die Französischkenntnisse der Bewerber auf eigene Faust.

Für die Bachelorbewerbung an einer französischen Université existieren zwei unterschiedliche Vorgehensweisen:

  • Eine Bewerbung für das erste Semester erfolgt bei Abiturienten aus EU-Ländern in der Regel über das Online-Portal Admission Post Bac. Einige Universitäten besitzen zusätzlich eine eigene Bewerbungsplattform. Es ist daher ratsam, sich rechtzeitig über das genaue Bewerbungsprozedere der Wunschhochschule zu informieren.
  • Um sich für das zweite oder dritte Studienjahr eines Bachelorstudiengangs zu bewerben, müssen Studierende die Bewerbungsunterlagen von der entsprechenden Universität anfordern.

Licence Professionelle

Im Zuge der Bologna-Neuerungen wurde ein weiterer Studienabschluss ins Leben gerufen: die Licence Professionelle. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt von Universitäten, Unternehmen und Ausbildungszentren. Ziel der Licence Professionelle ist es, Studierende im Rahmen eines einjährigen, praxisorientierten Aufbaustudiums auf das Berufsleben vorzubereiten.

Die Aufbaustudiengänge sind in der Regel auf einen Bereich spezialisiert und bereiten auf Tätigkeiten in Landwirtschaft, Industrie oder im Dienstleistungssektor vor. Viele Lehrkräfte stammen aus der Wirtschaft und lassen ihre eigenen praktischen Erfahrungen in die Lehrveranstaltungen einfließen. Für einen hohen Praxisbezug des Studiums sorgt zudem ein mehrwöchiges Praktikum gegen Ende der Studienzeit.

Zugang zum Studium haben Bewerber, die über vier Semester Studienerfahrung in einem verwandten Fach verfügen. Wer die Licence Professionelle erlangt, hat die Möglichkeit, ein praxisorientiertes Masterstudium anzuschließen.

Master

Der akademische Abschluss Master („bac+5“) besteht in Frankreich erst seit der Bologna-Reform. Üblicherweise umfasst das Masterstudium 120 ECTS-Punkte und hat eine Dauer von vier Semestern.

Zuvor existierte in Frankreich nur die Maîtrise. Diesen Studienabschluss erlangten Studierende nach insgesamt vier Jahren Studium. Noch heute ist das Masterstudium in Frankreich in zwei Phasen unterteilt: M1 und M2. Das erste Studienjahr, M1, entspricht größtenteils der ehemaligen Maîtrise.

In der zweiten Studienphase variiert die inhaltliche und methodische Ausrichtung der Studiengänge. Es lassen sich zwei Arten von Abschlüssen unterscheiden:

  • Master Professionel: Berufsorientiertes Masterstudium, das auf den Berufseinstieg vorbereitet. Der „Master Pro“ löst den früheren Abschluss DESS (Diplôme d’Études Supérieures Spécialisées) ab.
  • Master Recherche: Forschungsorientierter Master, der dem einstigen DEA (Diplôme d’Études Approfondies) entspricht. Der Studiengang bietet Zugang zu einem Promotionsstudium.

Masterstudiengänge in Frankreich gehören einem Fachbereich (Domaine) an, welchem wiederum mehrere Disziplinen zugeordnet sind. In der Regel haben Masterprogramme eine fachliche Ausrichtung (Mention) und verfügen zusätzlich über eine Spezialisierung (Spécialité). Letztere entscheidet auch darüber, ob das Masterstudium wissenschafts- oder berufsorientiert ist.

Im Gegensatz zu Deutschland ist der Master in Frankreich an Universitäten in der Regel nicht zulassungsbeschränkt, sodass Bachelorabsolventen allgemein Zugang zum ersten Studienjahr haben. Dafür findet nach dem ersten Jahr, der ehemaligen Maîtrise, an vielen Hochschulen eine stärkere Selektion statt. Gewöhnlich müssen Studierende für das zweite Studienjahr nochmals eine Bewerbung einreichen.

Mastère Specialisé

Einen Sonderfall stellt der Mastère Specialisé (MS) dar. Die Verleihung dieses berufsorientierten Studienabschlusses ist Mitgliedern der Conférence des Grandes Écoles vorbehalten. Diese Art des Studiums erlaubt eine gezielte Spezialisierung in einem bestimmten Bereich. Studierende können sich beispielsweise technikbezogene Fähigkeiten oder Managementkompetenzen aneignen. Das Studium dauert normalerweise ein Jahr.

Ob eine Promotion im Anschluss möglich ist, hängt vom Studiengang ab. Der Mastère Specialisé gehört nicht zu den staatlichen Abschlüssen, die Verleihung des Abschlusses erfolgt durch die Grandes Écoles. Daher gilt es im Einzelfall zu klären, ob das französische Bildungsministerium den Abschluss anerkennt.

Um sich für einen Mastère Specialisé zu bewerben, benötigen Studierende einen Master oder vergleichbaren Abschluss. Im Gegensatz zu anderen Studienprogrammen der Grandes Écoles ist für einen Mastère Specialisé kein aufwendiges Auswahlverfahren vorgesehen. Meist genügt es, eine Bewerbungsmappe einzureichen.

Die Masterstudiengänge der Grandes Écoles sind oftmals komplett englischsprachig und international ausgerichtet. Deshalb sind sie besonders bei internationalen Studenten beliebt.

Doctorat

Der höchste akademische Grad des französischen Studiensystems ist der Doktortitel. Voraussetzung für ein Promotionsstudium an einer französischen Universität ist ein wissenschaftsorientierter Masterabschluss. Das dreijährige Studium führt nach erfolgreich verteidigter Dissertation zum Doctorat.

Seit 2006 ist das Promotionsstudium in Frankreich in sogenannten Écoles Doctorales organisiert. Eine École Doctorale gleicht einem Promotionskolleg und gehört einer Universität oder einer anderen Einrichtung an, die zur Verleihung eines Doktortitels berechtigt ist. In einer École Doctorale schließen sich meist Forschergruppen eines Fachgebiets einer oder mehrerer Hochschuleinrichtungen zusammen. Sie sind für die Ausbildung der Doktoranden zuständig und koordinieren die Promotionsstudiengänge.

In Frankreich werden Promovenden während des Studiums wissenschaftlich betreut und erhalten häufig zusätzlich Unterstützung bei ihrem Berufseinstieg. So finden teilweise im Rahmen des Studiums Seminare und Praktika statt, die die Doktoranden auf den Arbeitsmarkt vorbereiten sollen.

Einige Écoles Doctorales sind in internationalen Netzwerken organisiert und bieten binationale Doktorandenkollegs an - auch gemeinsam mit Instituten deutscher Universitäten. Die Betreuung der Dissertation erfolgt dann durch einen deutschen und französischen Professor. Nach erfolgreich verteidigter Dissertation erhalten die Promovenden zwei Doktortitel.


Die landesspezifischen Abschlüsse

Neben den international anerkannten universitären Abschlüssen existieren innerhalb des Hochschulsystems in Frankreich verschiedene landesspezifische Studienprogramme. Es handelt sich überwiegend um Kurzstudiengänge, die besonders bei einheimischen Studenten beliebt sind.

Brevet de Technicien Supérieur (BTS)

Französische Fachoberschulen und Gymnasien bieten ein zweijähriges, berufsorientiertes Kurzstudium an. Das Brevet de Technicien Supérieur, kurz BTS, ist am ehesten mit einem Dualen Studium zu vergleichen. Parallel zum Studium ist eine praktische Ausbildung in einem Betrieb möglich (BTS en alternance).

Die Studiengänge bilden überwiegend für Berufe im Dienstleistungssektor aus. Viele Absolventen schließen jedoch ein universitäres Studium an die Ausbildung an. Mit dem BTS qualifizieren sie sich für die Licence Professionelle an einer Universität.

Diplôme Universitaire de Technologie (DUT)

Das Diplôme Universitaire de Technologie (DUT) zählt ebenfalls zu den berufsorientierten Abschlüssen in Frankreich. Im Gegensatz zum BTS wird das DUT in Frankreich an sogenannten Instituts Universitaires de Technologie (IUT) angeboten. Diese Berufsbildungsstätten agieren weitgehend selbstständig, gehören aber formal den Universitäten an.

Das DUT verbindet Theorie und Praxis. Studierende absolvieren im Laufe des zweijährigen Studiums Betriebspraktika und arbeiten an verschiedenen Projekten mit. Aufgrund der fundierten theoretischen Ausbildung entscheiden sich viele einheimische Studenten nach dem DUT zu einem berufsorientierten Bachelorstudium an einer Universität (Licence Professionelle).

Weitere Abschlüsse des Studien­systems in Frank­reich

Parallel zu den IUT existieren in Frankreich die Instituts Universitaires Professionalisés (IUP). Im Gegensatz zu den DUT und BTS sind die Studiengänge an den IUP nur für Abiturienten mit ein oder zwei Jahren Studienerfahrung geöffnet. Die Programme sind überwiegend auf technische, naturwissenschaftliche und kaufmännische Berufe ausgerichtet. Sie dauern meist drei Jahre und führen häufig zunächst zur Licence und anschließend bis zu Abschlüssen auf Masterebene.

Landesspezifische Abschlüsse werden in Frankreich zusätzlich durch die fachlich spezialisierten Hochschulen verliehen. Die Écoles Specialisées bieten vor allem Studiengänge aus den Bereichen Architektur, Gastronomie und Hotellerie, Kunst, Mode und Musik an. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Studiendauer. Die Spanne liegt bei zwei bis fünf Jahren. Auch in Bezug auf die Studienabschlüsse besteht keine Einheitlichkeit. Da nicht alle Abschlüsse staatlich anerkannt sind, ist es in jedem Fall empfehlenswert, sich vorab Informationen über den genauen Status des Abschlusses einzuholen.


Kürzere Studien­aufent­halte in Frankreich

Für Studierende, die kein komplettes Studium in Frankreich absolvieren möchten, gibt es mehrere Studienoptionen:

  • Auslandssemester: Ein Semesteraufenthalt in Frankreich ist für internationale Studenten eine tolle Gelegenheit, an einer französischen Hochschule zu studieren und den Studienalltag in Frankreich kennenzulernen. In vielen Fällen können neben französischsprachigen auch englischsprachige Kurse belegt werden.
  • Summer Sessions: Einige Hochschulen in Frankreich bieten mehrwöchige Sommerprogramme für internationale Studenten an - in englischer und französischer Sprache. Summer Sessions ermöglichen es, sich Kenntnisse in bestimmten Fächern anzueignen und in die französische Kultur einzutauchen. Unternehmensbesuche und Gastvorträge von Fachexperten sind häufig ebenfalls Teil des Programms.
  • Sprachkurse: Um die eigenen Französischkenntnisse zu verbessern, ist ein Sprachkursaufenthalt in Frankreich ideal. Viele Hochschulen bieten Sprachkurse verschiedener Niveaustufen an. Auch die Dauer der Kurse variiert, sodass Studenten sich das für sie passende Kursmodell aussuchen können.

Das Studien­system in Frank­reich im Vergleich zu Deutschland

Seit der Bologna-Reform sind die akademischen Abschlüsse in Frankreich und Deutschland besser vergleichbar und es bestehen nur noch wenige Unterschiede. Das Hochschulsystem in Frankreich ist jedoch nach wie vor durchlässiger und flexibler als das deutsche System. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der Zugang zum Bachelor- und Masterstudium an einer französischen Universität in der Regel nicht zulassungsbeschränkt ist. Eine Selektion findet erst nach dem ersten Masterstudienjahr statt. Auch gestaltet sich der Wechsel von einer Berufsbildungsstätte an eine Universität oder von einer Universität an eine Grande École meist unproblematisch.

Zwar haben Deutschland und Frankreich ihre Studienstrukturen auf das Bachelor-/Mastersystem umgestellt, dennoch existieren in Frankreich weiterhin landesspezifische Abschlüsse. Dazu zählen das DUT und BTS sowie die hochschuleigenen Abschlüsse, die von einigen Écoles Specialisées vergeben werden. Da es an deutschen Hochschulen kein Äquivalent zu diesen Studienabschlüssen gibt, ist es wichtig, sich vorab über die Anerkennungschancen in Deutschland zu informieren.