University of Canterbury
Von Juli 2009 bis April 2010 hielt ich mich im Rahmen meines Auslandssemesters in Neuseeland auf. In diesem Abschlussbericht möchte ich zunächst allgemein meine Eindrücke von Land und Menschen schildern. Im Anschluss gehe ich auf das Leben in Christchurch ein, um dann das Studium an der University of Canterbury, speziell am Mathematisch/ Statistischen Institut zu beschreiben. Immer wieder werde ich kleine Tipps am Rande geben, die ich mir vielleicht vor Beginn meines Studiums gewünscht hätte.
Da ich Neuseeland beschreiben will, drängt sich zu aller erst ein Bild auf, das sich im Juli 2009 schon beim Flug von Australien nach Neuseeland in meinen Kopf gebrannt hat. Ich hatte einen Fensterplatz, sah hinunter auf das Tasmanische Meer, als sich plötzlich die weiße langgezogene Küste Neuseelands in mein Blickfeld schob. Dann ging alles ganz schnell. Die Küste wurde zu einem satten Grün, stieg dann an zu Schnee bedeckten Bergen, fiel wieder ab und wurde zur anderen Küste, zu der, an der Christchurch lag. Kurzum, Neuseeland ist wirklich so schön wie alle sagen.
Beide Inseln bieten tolle Wanderwege. Auf der Südinsel bin ich zum Beispiel den Milford Track gelaufen. Ab November (Mitte November ist auch das zweite Semester vorbei) kann man die gut zu schaffende Viertageswanderung in Angriff nehmen. Der Track führt durch Wälder, in Sumpflandschaften, auf Berge, wo an der ein oder anderen Stelle noch Schnee liegt, und mündet im Sandfly Point, von dem man mit einem Boot nach Milford Sound gebracht wird. In großen, gut ausgestalteten Hütten kann man nachts mit einem DOC Mitarbeiter auf Kiwi-Suche gehen. Beachtet werden sollte, dass der Milford Track heißbegehrt ist, d.h. man sollte schon drei Monate vorher online beim DOC buchen!!! Aber keine Sorge – wenn man nachher doch keine Zeit hat, kann man die Buchung auch wieder löschen.
Vielleicht stellt sich beim ein oder anderen die Frage, warum ich gerade den Milford Track so genau beschreibe. Mir geht es dabei nicht so sehr um den Track, es gibt viele andere (auf der Nordinsel blubbert am Wegesrand sogar der Schlamm), aber es geht darum, zu klären, was Neuseeland ausmacht, was man erwarten kann, und vor allem, was man auf keinen Fall verpassen sollte. Man kann ja meinetwegen auch in Queenstown Bungyspringen, aber man sollte sich auch nach dem Semester etwas Zeit nehmen, Neuseelands Natur zu genießen. Ein kleiner Auszug, von dem was mich begeistert hat:
- Kayaking auf dem Milford Sound: Auf den großen Schiffen gibt es zwar Frühstück, aber im Kajak gibt es die Ruhe und noch einen Wasserfall, der ganz nah besichtigt wird
- Strandurlaub an der KariKari-Peninsula: In Neuseeland ist es schwierig schöne Strände in unmittelbarer Nähe von Backpackern zu finden. Wenn man mit dem Auto unterwegs ist, ist das kein Problem. Leider führt dann an vielen Stränden die Straße direkt dran vorbei, was dem Urlaubsfeeling nicht zuträglich ist. Die KariKari-Peninsula ist sehr isoliert vom Tourismus, vor allem Maoris wohnen dort. Ich habe dort an den Stränden ein Kitesurfkurs gemacht, und war dort im Dezember im Drei-Personen-Kurs der einzige Teilnehmer!
- Die Glowwormcaves in TeAnau sind wunderschön. Man fährt da mit einem kleinen Paddelboot hinein.
- Die Waitomo-Caves sind nochmal um einiges größer, dafür aber auch touristischer.
- Den Franz-Joseph-Glacier kann man sich gerne angucken. Eine Tour hinauf empfehle ich nicht – es kostet sehr viel und besteht aus Warten und das Steigen der Treppen, die der Guide aus dem Eis geschlagen hat, auf das man wiederum wartet. Besonders hoch kommt man so eh nicht.
- Wer im europäischen Sommer einmal Ski oder Snowboard fahren will, kann dies in Neuseeland natürlich tun. Zu große Erwartungen sollte man aber nicht haben. In manchen Skigebieten gibt es nur Ankerlifte. In anderen gibt es auch Sessellifte, aber mit den Pisten in den Alpen ist das natürlich nicht zu vergleichen, obwohl es ganz schöne Funparks gibt.
- Sonst kann man noch jagen, tauchen, fischen, Schafe scheren usw. Das habe ich zwar nicht alles gemacht, aber mir tolle Geschichten zu angehört.
Noch eine Sache zum Reisen:
In Neuseeland sind sehr viele Backpacker unterwegs, vor allem Deutsche Abiturienten. Das kann zugegeben enttäuschend sein, weil man ja nicht deswegen ans andere Ende der Welt gereist ist. Umso empfehlenswerter ist es, Alternativen zum gewöhnlichen Backpacking zu finden – sich etwa in Hochschulgruppen anzumelden, sich in kirchlichen Gemeinden zu engagieren, vielleicht Weihnachten in einer Neuseeländischen Familie zu verbringen, sich beim Sport anzumelden. So ergeben sich dann Möglichkeiten, das Land und die Leute nochmal ganz anders kennenzulernen.
Apropos Leute. Wie sind denn die Neuseeländer eigentlich?
Um dies zu beantworten, muss man ein bisschen unterscheiden, obwohl auch diese Unterscheidung durchlässig sein wird. Fangen wir mit den älteren Neuseeländern an, also den Eltern der Studenten, mit denen ich studiert habe. Diese sind unglaublich down to eath und hands on – wirklich ganz normale Leute, viele sind Farmer oder stammen aus einer Familie, in der man über Generationen hinweg Farmer war. Manch einer geht gern jagen oder fischen, guckt sich Rugby Matches an und trinkt dabei ein paar Bier. Die Frauen arbeiten halbtags, kümmern sich um den Haushalt und halten die Familie zusammen. Natürlich verallgemeinere ich jetzt, aber so ist der Eindruck, den ich bekommen habe. Manch einer war noch nie auf der Südinsel, aber schon ein paarmal in Europa - Verwandte aus Großbritannien besuchen. Auf Hochzeiten wird bis in die Nacht hinein getanzt – es gibt einen großen Verwandtschaftskreis. Ich wurde immer herzlich aufgenommen. Irgendwie gab es auch immer eine entfernte Verwandtschaftsbeziehung nach Deutschland, oder natürlich zumindest nach Europa. Wenn man positiv über Neuseeland sprach, kam das auch immer gut an, so als genieße man ab und an eine Bestätigung von außen, da weltpolitisch Neuseeland ja keine große Rolle spielt. Auf Maoris waren viele Neuseeländer europäischen Ursprungs, die ich traf, zugegeben nicht so gut zu sprechen. Manch einer hat Vorbehalte, sieht eine gewisse Ungerechtigkeit in der Behandlung. Dabei muss man dazu sagen, dass es in Neuseeland eine Maoripartei gibt, viele Maoris Wiedergutmachung fordern. Es gibt hohe Arbeitslosigkeit unter den Maoris, die Sozialleistungen sind verhältnismäßig hoch. Ob man dies den polynesisch stämmigen Neuseeländern vorwerfen kann, ist zweifelhaft. Wenn man einen Maori als Freund gewonnen hat, wird man praktisch Familienmitglied, dann kennt die Gastfreundschaft keine Grenzen. Hier noch ein kleines Beispiel, um das Lebensgefühl in Neuseeland zusammenzufassen: Immer, wenn ein Neuseeländer nach der Fahrt einen öffentlichen Bus verlässt, ruft er dem Fahrer noch entgegen: „Thanks, mate!“
Die jüngere Generation Neuseelands liebt den Sport, die Natur, ihre Autos und das Feiern. Manche Freitagabende verbringen sie den ganzen Abend im Auto. Auf der Rückbank wird getrunken und gefeiert, der Fahrer liefert sich kleine Rennen mit anderen Boyracern, wie sie genannt werden. Klar ist das auch nur ein kleiner Teil, der so seinen Freitagabend verbringt, aber man bekommt das schon mit, wenn man in Christchurch wohnt. Die Studenten sind ambitioniert, man hat das Ziel, irgendwann eine Familie ernähren zu können. Zu viel Erfolg und zu viel Geld, kommen aber nicht gut an. Dies entspricht der down to eath Mentalität, die ich schon weiter oben einmal angesprochen hatte.
Den asiatischen Anteil in der Bevölkerung hatte ich vor meinem Aufenthalt völlig unterschätzt. Zehn Prozent der Bevölkerung sind Asiaten. Entsprechend findet man in den Städten zahlreiche asiatische Restaurants und Supermärkte. Die kulturelle Diversität ist faszinierend.
Die University of Canterbury liegt in Christchurch, fünfzehn Minuten mit dem Bus zur Innenstadt. Im Gegensatz zur Hauptstadt hatte Christchurch viel Platz sich auszubreiten. Die Stadt liegt auf einer weiten, flachen Ebene, wodurch alles gut mit dem Rad erreichbar ist (günstige Räder kann man sich auf www.trademe.co.nz ersteigern). Wer darauf keine Lust hat, kann das gute öffentliche Verkehrsnetz benutzen. Für Neuseeländische Verhältnisse ist Christchurch mit knapp 360 000 Einwohnern groß, ich glaube sogar die größte Stadt auf der Südinsel.
Ich bin in Sonoda untergekommen, ein Gebäudekomplex, das zu den University Halls gehört, also zu den Studentenunterkünften, die von der Universität bereitgestellt werden. Sonoda besteht aus einer Reihe von zweistöckigen Häusern, die durch Grünflächen voneinander getrennt sind. Es gibt einen großen Gemeinschaftsraum mit Billard, Tischtennis und Sky-TV. Überdies hinaus wird jeden Abend ab 17:30 Uhr ein warmes Abendessen im Speiseraum serviert. Die eigentlichen Wohnungen sind Fünfzimmer WGs mit Küche und Fernseher. Einmal in der Woche werden die Wohnungen, bis auf die privaten Zimmer, von Personal gereinigt. In Sonoda wohnen viele Neuseeländer, die ihr Studium gerade erst begonnen haben, als eine Art Übergangslösung bis man sich in der Universität eingelebt hat und eine WG gründet. Neben den Neuseeländern gibt es viele Asiaten, die im benachbarten College of Education Englisch lernen. Neben Sonoda gibt es auch noch andere University Halls, manche auch ohne Verpflegung, in denen viele US Amerikaner unterkommen. Wenn ich mich jetzt nochmal für eine Unterkunft entscheiden müsste, würde ich mich gegen die University Halls entscheiden. Zum einen sind die meisten Studenten dort sehr jung, oder aber internationale Studenten, zum anderen ist die Miete sehr hoch. Man kann auch gut von Deutschland aus nach Christchurch kommen, dort erst einmal in einem Backpackers in der Stadt unterkommen und sich dann eine Wohngemeinschaft suchen, in der man sich aussuchen kann, mit wem man zusammenwohnt. Speziell zu Beginn des Semesters sieht man immer viele Gesuche an den Informationswänden der Universität.
Die Einführungswoche für internationale Studenten zu Beginn des Semesters ist sehr gut organisiert. Man bekommt eigentlich alle Informationen, die man braucht. Am Anfang des Semesters findet auch der club day statt. Zentral auf dem Unicampus stellen sich sämtliche Universitätsclubs vor, und davon gibt es eine Menge. Ob Ultimate Frisbee, Rugby, Wandern, Ruderclub, Tauchen, Mangaclub, Fantasybücherclub, man wird fündig.
Die University of Canterbury ist eine Campusuniversität. Nahe bei liegen große Sportfelder, Tennisplätze und ein Fitnessstudio. Es gibt keine Mensa auf dem Campus. Stattdessen gibt es ein kleines Indisches Restaurant, ein Bistro und einen Fast Food Asiaten, bei dem man gut essen kann. Mensapreise sind das dann natürlich nicht, weswegen man sich dann doch häufiger etwas von zu Hause mitnimmt. Den Studenten des postgraduated Bereichs stehen in den einzelnen Fakultäten auch Küchen mit Mikrowelle und Herd bereit. Es gibt sogar Duschen in den Fakultäten.
In der ersten Woche finden noch keine Kurse statt, die beginnen dann in der zweiten Woche, nachdem man alles Organisatorische erledigt hat und sich schon ein bisschen auskennt. In meiner mathematischen/ statistischen Fakultät gab es dann keine Einführung mehr. Ich hatte mir vier 300/400 Level Kurse ausgesucht. 400 Level Kurse entsprechen dem postgraduated Bereich, was für mich mit meinem Vordiplom + zwei Semestern gut zu schaffen war. Dabei muss ich sagen, dass nur zwei Kurse davon entsprechend arbeitsintensiv waren, es also auch ein wenig von der Kurswahl abhängt, wie beschäftigt man sein wird. Ich würde im Nachhinein drei Kurse empfehlen, damit man auch noch genug Zeit für Clubaktivitäten und anderes übrig hat.
Die Kurse finden in überschaubaren Seminarräumen statt. Die Teilnehmerzahl schwankte je nach Kurs zwischen fünf und zwanzig Studenten. Die Professoren arbeiten häufig mit Slides, ich hatte aber auch einen Kurs, in dem vorne angeschrieben wurde und die Studenten mitschrieben. Bücher muss man sich nicht kaufen. Die Bibliothek hat eine gute Auswahl, außerdem gibt es zu jedem Kurs einen sogenannten Course Reader, ein gebundenes Skript, das am Anfang des Semesters auf dem Campus verkauft wird. Da steht eigentlich alles drin, was man braucht. Die Vorlesungen dauerten jeweils nur eine Stunde, wurden aber zweimal in der Woche gehalten. Außerdem gab es bei einigen noch eine Übung, die auch eine Stunde dauerte. Jede Woche mussten entweder Assignments, also Übungen, abgegeben werden, oder es wurde über einen längeren Zeitraum an kleinen Projekten gearbeitet, über die dann ein Bericht verfasst werden musste. Die Übungen wurden nicht als Gruppenabgabe eingereicht. Die Abgaben zählten anteilsweise zur Endnote, auf die aber auch eine Abschlussklausur noch großen Einfluss nahm.
Statistik und Reine Mathematik sind in Neuseeland zwei unterschiedliche Studiengänge. Wenn man also als Deutscher Mathematikstudent Kurse aus dem Bereich Statistik wählt, sind diese viel angewandter als man es von der heimischen Fakultät gewöhnt ist. Es wird den Beweisen nicht so viel Zeit eingeräumt, es geht eher um die tatsächliche Umsetzung der Theorie. So geht es mehr um die Anfertigung von Berichten, die Analyse von Daten und den Umgang mit Programmen wie R, Matlab und LaTeX. Viele honoured students, das sind Studenten, die durch gute Leistungen den Master-Abschluss schneller erhalten können, arbeiten an Datenanalysen, die von externen Behörden, wie dem department of conservation (DOC) in Auftrag gegeben worden sind. Auch wenn man in diesem Bereich noch nicht so viele Erfahrungen sammeln konnte, ist das kein Problem. Man kommt da schnell rein und es wird auch alles erklärt. Die Professoren sind immer ansprechbar. Man spricht sich mit Vornamen an, und ist generell sehr locker im Umgang miteinander.
Wenn einem ein paar Kurse am Anfang des Semesters nicht gefallen, oder es Überschneidungen mit anderen Kursen gibt, kann man Kurse auch noch kostenlos umwählen, oder sogar ganz abwählen. Dann bekommt man die Gebühren ohne Abzüge zurück.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich nur jedem ein Auslandssemester empfehlen kann. Die Kurse haben mich universitär weitergebracht, das Land und die Menschen haben mir tolle Momente geschenkt. Der beste Beweis dafür ist wohl, dass ich meinen Aufenthalt noch um drei Monate verlängert habe und ich schon bald wieder nach Neuseeland fliege.