Kulturelle Besonder­heiten in Australien

Australier verbringen entweder die meiste Zeit am Strand oder ziehen im Crocodile-Dundee-Style durch den australischen Busch? Das stimmt natürlich ebenso wenig wie das stereotype Bild von den ewig bierseligen, sauerkrautverspeisenden, den Schuhplattler tanzenden Deutschen mit Kuckucksuhr in ihrem Wohnzimmer. Und doch gehören der Strand und das Outback zu den ersten Dingen, die uns beim Gedanken an Australien in den Sinn kommen und die wir als typisch für Down Under empfinden. Es gibt darüber hinaus natürlich noch deutlich mehr kulturelle Besonderheiten in Australien, die vielfach auch durch die Geschichte des Landes bedingt sind.

Ursprünge der australischen Kultur

Australien wurde im 18. Jahrhundert von der britischen Krone kolonialisiert. Dieses Erbe ist auch heute noch prägend für das Leben in Australien. So ist Englisch quasi die Landessprache, auch wenn es keine gesetzlich festgelegte Amtssprache gibt. Wie in Großbritannien herrscht auch in Australien Linksverkehr. Als ehemalige britische Kolonie ist Australien heute Mitglied des Commonwealth of Nations. Australisches Staatsoberhaupt ist Queen Elizabeth II, die in Australien aber nicht als britische Königin, sondern Queen of Australia bezeichnet wird. Dies soll die heutige Unabhängigkeit Australiens von Großbritannien betonen. Die australische Flagge, in der die britische integriert ist, zeugt ebenso von der Geschichte des Landes als britische Kolonie. Bis 1984 war zudem die britische Nationalhymne – mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1974-1976 – gleichsam auch die Hymne Australiens. Die Besiedlung Australiens fand allerdings bereits Jahrtausende vor der Ankunft der Briten statt.

Bereits seit zehntausenden von Jahren leben Aborigines und Torres Strait-Insulaner in dem Land, das wir heute Australien nennen. Nachdem im Jahr 1770 der Kapitän James Cook das Land für die Briten beanspruchte, nutzten diese es ab 1788 als Sträflingskolonie. Darüber hinaus ließen sich ab dem Ende des 18. Jahrhunderts auch freie Siedler in Australien nieder. Im Zuge des Viktorianischen Goldrausches Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine große Einwanderungswelle nach Australien. Viele Einwanderer stammten aus Großbritannien, aber auch aus anderen europäischen Staaten und den USA immigrierten Menschen. Es kamen auch sehr viele Chinesen ins Land, von denen die meisten Australien jedoch wieder verließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten viele Menschen aus Europa und dem Nahen Osten ein. In den letzten Jahrzehnten kamen auch viele Immigranten aus Asien nach Australien. Somit ist die australische Gesellschaft heute multikulturell. Die Bevölkerung Australiens besteht aus Einwanderern aus verschiedenen Erdteilen und indigenen Völkern, den Aborigines und den Torres Strait-Insulanern. Der Anteil von Australiern indigener Abstammung an der Gesamtbevölkerung macht nur noch rund 2,5 Prozent aus.

Mit dem Didgeridoo und dem Bumerang dienen heute zwei typische Elemente der Aboriginekultur als Erkennungsmerkmal Australiens. Im Zuge der Kolonialisierung im 18. Jahrhundert wurde die indigene Kultur in Australien jedoch stark zurückgedrängt. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hatten die Aborigines mit Unterdrückung zu kämpfen.


Merkmale der australischen Kultur

Wie jede Kultur weist auch die australische besondere Merkmale auf, durch die sie sich von anderen Kulturen unterscheidet oder in denen sie anderen Kulturen gleicht. Kulturelle Besonderheiten können sich zum Beispiel im Umgang der Menschen untereinander äußern oder im Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft. Große kulturelle Unterschiede, die Besuchern fremder Länder auffallen, können sogar in einem sogenannten Kulturschock resultieren. Zwar ist die kulturelle Distanz zwischen Deutschland und Australien deutlich geringer als zwischen vielen anderen Ländern, dennoch hat die Kultur Australiens Merkmale, die uns zunächst fremd erscheinen können. Andere Aspekte wiederum sind uns vertraut.

Im Folgenden wollen wir einen Überblick über die verschiedenen Merkmale der australischen Kultur und spezifische kulturelle Besonderheiten in Australien geben.

Gleichheit

Die Dozenten mit Vornamen anreden und in den Lehrveranstaltungen locker diskutieren? Das ist an australischen Hochschulen gang und gäbe. An der Uni und auch in anderen Lebensbereichen in Australien geht es eher ungezwungen zu. Die informelle Anrede sollte allerdings zunächst immer von der älteren Person ausgehen, wie es ja auch in Deutschland üblich ist.

Der lockere Umgang miteinander, auch über den privaten Bereich hinaus, hängt damit zusammen, dass die so genannte Machtdistanz in Australien gering ist. Ausgeprägte hierarchische Strukturen gelten in Australien nicht als erstrebenswert. Das zeigt sich zum Beispiel auch im alltäglichen zwischenmenschlichen Kontakt, etwa in der bereits angesprochenen Anrede mit Vornamen. Viele Australier bezeichnen ihr Gegenüber auch gern als Mate, also Kumpel. Dass man einander gut kennt, ist für eine solche Anrede keine Voraussetzung. Ein weiteres Exempel ist wohl die antiautoritäre Note des australischen Humors, die ihre Wurzeln in der Kolonialzeit hat. So mancher Gesetzesbrecher konnte sich damals mit Humor aus der Affäre ziehen.

Sich mit Statussymbolen zu schmücken oder auf Titeln zu bestehen, ist in Australien nicht üblich und ruft in der Regel Ablehnung hervor. Eher spielen Australier die eigenen Erfolge herunter – schließlich möchten sie ja mit allen gut auskommen.

Mateship

Eine der kulturellen Besonderheiten in Australien ist das Konzept des Mateship. Historisch liegt es in der Kolonialzeit begründet und auch heute noch ist es bedeutsam für das Miteinander in Australien. In jener Zeit waren die Menschen in der unwirtlichen Umwelt des Landes auf die Unterstützung des jeweils anderen angewiesen, um ihr Überleben zu sichern. Mateship steht somit nicht nur für Freundschaft, sondern auch für Loyalität und Gleichheit, was sich wiederum zur Erklärung der flachen Hierarchien in Australien heranziehen lässt. Auch die typische Hilfsbereitschaft könnte sich dadurch erklären lassen. Die Bedeutung des Mateship für die Australier zeigt der Vorstoß, den Begriff in die Präambel der australischen Verfassung aufzunehmen. Dies wurde allerdings zurückgewiesen. Auch als Teil eines Einbürgerungstests wurde das Konzept bereits in Erwägung gezogen.

Individualismus und Freiheit

Trotz des kameradschaftlichen Ideals ist die australische Gesellschaft, wie auch die deutsche, eine individualistische Gesellschaft. Das heißt, jeder ist erstmal selbst für sich und seine Familie verantwortlich. Auch im Berufsleben wird unabhängiges Arbeiten begrüßt.

Typisch für die Gesellschaft in Australien ist auch ihre Nachsichtigkeit. Das heißt, die Moralvorstellungen sind sehr viel weniger streng als in anderen Ländern, sodass die Menschen sich frei entfalten können. Das Leben zu genießen und Spaß zu haben, frei nach dem Motto No Worries, ist in Australien wichtig. Freizeit hat somit einen hohen Stellenwert. In Australien wird diese gern am Strand verbracht. Mit dem Lebensstil in Australien gehen eine positive Lebenseinstellung und Optimismus einher. Weil der „typische“ Deutsche zu einem strengen Arbeitsethos und Pessimismus geneigt scheint, ist die relaxte Lebensweise der Australier für viele eine angenehme Abwechslung.

Die Lockerheit der Australier bedeutet übrigens keinesfalls fehlende Leistungsorientierung. Australien hat eine so genannte maskuline Gesellschaft. In einer solchen Gesellschaft spielen Erfolge, etwa in Schule, Uni und Beruf, durchaus eine wichtige Rolle und erfüllen einen mit Stolz. Allerdings ist es nicht üblich, wie bereits erwähnt, mit Erfolgen anzugeben und sich aufgrund dieser Erfolge über andere zu stellen.

Australischer Umgang mit Zeit

Etwas gegensätzlich zur typischen australischen Lässigkeit steht die Pünktlichkeit der Australier. Diese ist in Australien – wie ja bekanntermaßen auch in Deutschland – ein hohes Gut. Sich signifikant zu verspäten, gilt auch in Australien gemeinhin als unhöflich.

Als sogenannte normative Kultur sind Australier gesellschaftlichem Wandel gegenüber eher wenig aufgeschlossen. Sie halten an ihren Traditionen fest und sind eher vergangenheits- und gegenwarts- als zukunftsorientiert. Das äußert sich zum Beispiel daran, dass weniger gespart wird und in Arbeitsprozessen schnelle Ergebnisse erwartet werden. Darin besteht ein Unterschied zur deutschen, einer so genannten pragmatischen, Kultur. Hier denkt man eher zukunftsorientiert und ist geduldig und beharrlich, wenn es darum geht, Ziele zu erreichen. Sparen ist hier fast schon Volkssport. Außerdem werden Traditionen in Deutschland auch schon mal an neue Gegebenheiten angepasst.

Verbindung zu Strand und Hinterland

Die meisten Australier leben in Küstennähe, viele sogar nah genug am Strand, um dort regelmäßig Zeit zu verbringen. Die ausschließlich öffentlichen Strände Australiens sind ein beliebter Ort für Freizeitaktivitäten. Dazu gehört natürlich auch das Surfen, das quasi ein australischer Nationalsport ist. Der berühmteste Strand Australiens ist der Bondi Beach in Sydney. Besucher aus aller Welt verbringen hier jedes Jahr ein etwas anderes Weihnachtsfest. Die Strände Australiens bieten nicht nur Freizeitvergnügen, sondern auch Arbeitsplätze, etwa in der Tourismus- oder Fischereibranche. Der Strand ist auch ein wiederkehrendes Motiv in australischer Kunst und Literatur.

Der Strand ist genauso bedeutend für die nationale Identität Australiens wie der australische Bush. Diesen Begriff verwenden die Australier für alle dünn besiedelten Regionen sowie für Regionen außerhalb der australischen Großstädte. Der Begriff Outback bezeichnet eher die trockenen Gebiete im Inland. Der Bush unterschied sich deutlich von dem, was die größtenteils britischen Einwanderer aus ihrer Heimat kannten. Daher galt er als typisch australisch. Australische Dichter leiteten daraus nationale Ideale ab, was wiederum zur Herausbildung einer eigenen australischen Identität beitrug.

Sportbegeisterung

Wie in so vielen Ländern der Erde, sind auch in Australien viele Menschen sportbegeistert. Auch wenn Fußball, wohl die Lieblingssportart der Deutschen, in Australien mittlerweile sehr beliebt ist, sind es andere Sportarten, die Australier besonders begeistern. Zwei davon sind Cricket und Rugby, die in mehreren Ländern des Commonwealth of Nations sehr beliebt sind. Darin wird wiederum der Einfluss der britischen Kultur auf die ehemalige Kolonie Australien deutlich. Doch auch eine echt australische Sportart hat sich in Down Under entwickelt und ist somit eine große kulturelle Besonderheit Australiens. Diese Sportart nennt sich Australian Football oder auch Australian Rules Football und wird nur in Australien professionell ausgeübt. Amateurteams gibt es allerdings auch in anderen Staaten. Ein vielbeachtetes Sportevent in Australien ist der Melbourne Cup, ein bekanntes Pferdrennen. Sport ist in Australien ein beliebtes Gesprächsthema.


Verhaltenstipps für Australien

Auch in einer Kultur wie der australischen, die der unseren im Vergleich zu beispielsweise asiatischen Kulturen gar nicht so unähnlich scheint, gibt es für Besucher einige Fallstricke. Wer nicht weiß, welches Verhalten erwartet wird, merkt vielleicht gar nicht, warum die Person gegenüber so merkwürdig reagiert. Deshalb kommen hier einige Verhaltenstipps, die helfen sollen, Fettnäpfchen zu umgehen.

Die Australier sind bekannt für ihre Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit. Deshalb sollten Besucher sich in Australien ebenso freundlich und offen verhalten. Die Freundlichkeit und verbale Kumpelhaftigkeit sowie die Anrede „Mate“, sollte man jedoch nicht mit einer schnell geschlossenen Freundschaft verwechseln. Genau wie in Deutschland, braucht es auch in Australien in der Regel Zeit, bis sich Freundschaften entwickeln.

Hilfsbereitschaft und Humor gelten für Australier als typisch und sind auch gern gesehen. Ganz anders übrigens als direkt vorgebrachte Kritik, zu der viele Deutsche neigen, ohne es böse zu meinen. In Australien fallen sie damit jedoch unangenehm auf. Zum guten Ton gehört es, vorgebrachte Kritik möglichst nett zu verpacken.

Genau wie in den USA ist auch in Australien die Frage „How are you?“ meist nicht mehr als eine Begrüßungsformel. Niemand sollte daraufhin sein Herz ausschütten. Die gemeinhin erwartete Antwort ist: „Fine, thanks.“ Überhaupt sind Probleme kein gern gesehenes Thema für Smalltalk. Das gilt übrigens auch für die Tatsache, dass Australien aus einer Sträflingskolonie heraus entstanden ist, sowie die mit der Kolonialisierung verbundene Situation der Aboriginies. Diese sollte man in Australien ohnehin besser als Indigenous Australians oder Aboriginal People bezeichnen. Der Ausdruck „Aboriginie“, in Deutschland selbstverständlich verwendet, hat in Australien nämlich eher eine abwertende Bedeutung. Respekt erweist man den australischen Ureinwohnern, indem man deren spirituell bedeutsame Orte, etwa den Uluru, besser bekannt als Ayers Rock, nicht unerlaubt betritt.

Beim Ausgehen in einen Pub ist es oftmals üblich, Runden zu trinken. Das heißt, innerhalb einer Gruppe sollte jeder einmal ein Getränk ausgeben. Wer auf Einlass, beispielsweise in Clubs, oder etwa auf Bedienung an Serviceschaltern wartet, sollte in Australien geduldig in der Schlange anstehen. Sich vorzudrängeln, kommt gar nicht gut an. Gäste eines Barbecues, umgangssprachlich auch Barbie genannt, bringen üblicherweise Getränke und manchmal auch Grillfleisch oder andere Lebensmittel mit. Bei einer Einladung zu einem Abendessen ist es üblich, Wein oder Schokolade als Gastgeschenk zu überreichen. Es gilt als höflich, die Gastgeber zu fragen, ob man selbst eine Speise beisteuern soll, und beim Abräumen zu helfen.

Mit Gesten, die hierzulande positiv konnotiert sind, können Ausländer in Australien auch schnell anecken. Handzeichen wie „Daumen hoch“ oder „Peace“ beziehungsweise „Victory“ haben in Australien und manchen anderen Ländern nicht dieselbe Bedeutung wie in Deutschland. Stattdessen stellen sie eine Beleidigung dar. Die kulturellen Unterschiede zwischen Australien und Deutschland manifestieren sich also auch in Handzeichen.

Die Dos and Don'ts in Australien im Überblick

Dos Don'ts
Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit Auf die Frage „How are you?“ von den eigenen Problemen berichten
Hilfsbereitschaft Unpünktlichkeit
Humor Politische Diskussionen über Aboriginies
Lockerheit Gespräche über die Geschichte Australiens als britische Strafkolonie
Vornamen benutzen Handzeichen, die in Australien eine Beleidigung darstellen
Beim Ausgehen mit anderen eine Runde spendieren In Warteschlangen drängeln
Kritik nett verpacken Spirituell bedeutsame Orte der Aboriginies ohne Erlaubnis betreten
Bei Einladungen zum Barbecue Getränke und zum Teil auch Lebensmittel mitbringen
Gastgeschenk bei Einladungen zum Abendessen machen