22 Jan
Erfahrungsbericht von Lisa Sophie K.

San Diego State University


Studienrichtung: BWL
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 08/2015 bis 12/2015
Heimathochschule: Düsseldorf U

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Am 4. August 2015 begann mein Abenteuer: Ein halbes Jahr durfte ich an der San Diego State University im sonnigen Südkalifornien in den USA studieren. Bevor das Semester an der SDSU jedoch begann, stand erst die Wohnungssuche an. Für die ersten zwei Wochen hatte ich ein Hostel gebucht, von wo wir täglich loszogen, um Wohnungen zu besichtigen. Selbst, wenn uns die Wohnung gefiel, musste man noch darum kämpfen, diese auch zu bekommen. San Diego schien ein beliebtes Ziel für Auslandsstudenten zu sein. So war ich erleichtert, nach drei Wochen zusammen mit drei deutschen und zwei schwedischen Mädels in eine schöne Wohnung in Strandnähe ziehen zu können. Zwei der Deutschen kannte ich schon von meinem Hinflug, den wir nach vorheriger Kommunikation über Facebook zusammen gebucht hatten. Die beiden Schwedinnen gesellten sich am Tag der Wohnungsbesichtigung dazu. Das kam uns jedoch gerade Recht, da wir von vornerein geplant hatten, möglichst auch mit anderen Nationalitäten zusammen zu wohnen, um möglichst viel Englisch zu sprechen. Leider stellte sich dies schwieriger als gedacht heraus, da San Diego’s internationaler Studentenanteil von den Deutschen dominiert wurde.

Im Rahmen des Business Course Program der SDSU wählte ich schon von zu Hause aus zwei Businesskurse - Business Plan Development & Multinational Business. Diese sollten mir von der Heinrich-Heine-Universität als Wahlpflichtmodul angerechnet werden können. Im Vergleich zu Deutschland ist die Größe der Lerngruppe in den USA viel kleiner. So waren wir im Durchschnitt 30 Studenten in einem Kurs. In den beiden Businesskursen nahmen leider nur Internationals und keine amerikanischen Studenten teil. Auch die Länge der Kurse ist anders als die mir bekannten anderthalb stündigen Vorlesungen in Düsseldorf. Eine Gruppensitzung dauerte in San Diego ca. zweieinhalb Stunden inklusive zehnminütiger Pause. Meiner Meinung nach ist dieser Zeitraum etwas zu lang um die Konzentration auf die Lerninhalte aufrecht zu halten.

Im Rahmen des Fachs Business Plan Development wurden wir gefordert, ein eigenes Startup fiktiv zu gründen, indem wir im Laufe des Semesters einen Business Model Canvas, einen Business Plan sowie eine Präsentation erarbeiteten sollten. Das Projekt wurde wirklich sehr realitätsnah umgesetzt, da wir potentielle Käufer und Partner interviewen mussten, um unsere Geschäftsannahmen zu überprüfen. Des Weiteren sollten wir einmal im Monat unsere Fortschritte der Klasse präsentieren. Am Ende des Semesters setzte sich die Note dann aus der Präsentation sowie der Endversion der schriftlichen Ausarbeitungen und der Teilnahme sowie der mündlichen Mitarbeit der Studenten zusammen. Ich finde dieses Bewertungssystem sehr gerecht und vor allem leistungsfördernder, da man so während des ganzen Semesters angehalten wird mitzuarbeiten.

Vor Ort ging es dann zusätzlich noch ins Course Crashing, weil ich zwei weitere Kurse aus den General Courses benötigte. Meine Wahl fiel auf Event Coordination sowie Recreation & Tourism Management, da ich mich sehr gerne nach meinem BWL-Bachelor in eine der beiden Richtungen orientieren würde. Im erstgenannten kam jede Woche eine Persönlichkeit aus unterschiedlichsten Bereichen der Eventbranche in die Uni, um aus ihrem beruflichen Alltag zu erzählen. Wir hatten kein Skript, sodass wir uns zu jedem Vortrag ausführlich Notizen machen sollten. Das war aber nicht der Grund, weshalb jeder Student stets aufmerksam zuhörte, vielmehr war es auch hier die Realitätsnähe der von den Gastrednern vorgetragenen Geschichte, die den Unterricht spannend machten. Außerdem konnte ich in diesen beiden fachfremden Kursen Kontakte zu Amerikanern und anderen Internationals knüpfen.

In Recreation & Tourism Management ging es um die Vermarktung von Sport- und Freizeitaktivitäten und um die Tourismusbranche. Zu Beginn wurde sehr viel über die Individualität von Definitionen wie bspw. „Freizeit“, „Erholung“ oder „Tourismus“ gesprochen. Damit zusammenhängend wurden wir auch in unseren persönlichen Werten hinterfragt. Eine Hausarbeit bestand darin unseren späteren Traumberuf zu beschreiben, diese Stelle nach erforderlichen Abschlüssen, Kenntnissen und Fähigkeiten zu recherchieren und ggf. auch ein mögliches Gehalt herauszufinden. Wir sollten eine Art Plan aufstellen, wie wir die benötigten Fach- und Sozialkompetenzen auf dem Weg zu unserem Traumjob zukünftig erarbeiten könnten. Unser Professor regte außerdem an, eine Person zu interviewen, die unseren Traumjob bereits ausübt. Obwohl die Aufgabe nicht leicht war, war sie sehr hilfreich und sinnig für jeden einzelnen Studenten. Von mir selber kann ich behaupten, dass es Spaß gemacht hat, seinen weiteren möglichen Lebensweg zu erforschen und ich während meiner universitären Laufbahn selten an so einer nützlichen Aufgabe gearbeitet habe. Bedauernder Weise bezweifle ich, dass so etwas in einem deutschen Curriculum stehen würde.

Zugegeben, die Amerikaner arbeiten in der Uni etwas langsamer und der Stoff erscheint mir an so mancher Stelle auch weniger komplex als in den deutschen Bildungsstätten. Allerdings bleibt dabei aber vielleicht auch mehr in den Köpfen der Studenten hängen, dadurch, dass sich die Professoren mehr Zeit für den Stoff nehmen und zusätzlich noch andere Soft Skills vermittelt werden. Insgesamt lässt sich sagen, dass man als Student in Amerika viel mehr während des Semesters arbeitet, sei es in Form von Gruppenprojekten, Analyse von Fallstudien, mündlicher Mitarbeit oder mehreren Klausuren, anstatt nur einer finalen Klausur am Ende des Halbjahres. Mir hat gut gefallen, dass die Professoren unterschiedliche Medien nutzen, um ihren Studenten die Inhalte zu vermitteln. Ich durfte viele Gastvorträge hören, zwei Bücher über Unternehmensgründung durcharbeiten, Filme schauen oder an Exkursionen teilnehmen. Letztendlich habe ich den Eindruck, dass ich dadurch intensiver und nachhaltiger gelernt habe.

Neben den Pflichtkursen belegte ich außerdem einen Stand Up Paddling- und einen Volleyballkurs. Sport ist ein wichtiger Teil des amerikanischen Unilebens, was ich nicht verpassen wollte. Es ist beeindruckend, welchen Zusammenhalt die Studenten an einer Uni entwickeln, vor allem bei den Heimspielen der Football- oder Basketballmannschaft. Dabei tritt der Sport an sich sogar fast in den Hintergrund. Als eingeschriebener Student der San Diego State University bekamen wir sogar kostenlos Tickets für alle Heimspiele der Uni-Teams. In einem Shop auf dem Campus konnte man sich dementsprechend mit allen möglichen Fan- und Modeartikeln ausrüsten. Die SDSU-Kleidung wurde von den Studenten selbst gerne im Alltag oder beim Sport getragen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich ein deutscher Student so stark mit seiner Universität identifizieren würde, wie man es in den USA erlebt. Hinzu kommt, dass es ebenfalls nicht das Ausmaß an Unikleidung etc. von deutschen Universitäten gibt.

Etwas weniger intensiv, aber doch zu spüren, war der amerikanische Teamgeist auch innerhalb meines Volleyballkurses, der fast nur aus Einheimischen bestand. Ich lernte zunächst die englischen Begriffe für die Volleyballtechniken und Taktiken kennen. Vielmehr gefiel es mir aber, wie die Leute sich gegenseitig unterstützten und forderten. Egal auf welchem Niveau jemand spielte, man bekam stets Komplimente für erfolgreiche Schläge oder nett gemeinte Vorschläge für Verbesserungen. Während der Volleyballkurs in einer Sporthalle des universitätseigenen Fitnessstudios stattfand, machte ich mich jeden Dienstagnachmittag auf den Weg zum Mission Bay Aquatic Center, welches sich an einer Bucht gegenüber vom „richtigen Meer“ im Ortsteil Mission Beach befindet. Da unsere Wohnung nahe der Bucht gelegen war, konnte ich mit dem Fahrrad - einem beliebten Verkehrsmittel in San Diego - zu meinem Stand Up Paddlingkurs fahren. Ich hatte das Gefühl, einen Wassersportkurs belegen zu müssen, um Kalifornien so authentisch wie möglich zu erleben. Genau dieses Gefühl kam während der Kurse auch rüber: Meist saß man die erste halbe Stunde einfach nur an einem sonnigen Plätzchen auf der Wiese, ehe alle da waren und man mit den Boards aufs Wasser ging. Doch schon alleine die Geduld und Gelassenheit, die hier vermittelt wurde, übertrug sich schnell auf einen selber und macht für mich auch das Leben an der kalifornischen Küste aus. Da ich diesen Kurs nur spaßeshalber gewählt hatte, kam mir die lockere Gestaltung nur entgegen. Neben den grundlegenden Paddletechniken, machten wir eine SUP Yoga Stunde, ein Moonlight SUP sowie einen Kostümwettbewerb auf den Brettern. Aber auch ohne diese Events hat mir der Sport Freude bereitet, sodass ich in Deutschland im Sommer sicher mal nach einer Möglichkeit zum SUP Ausschau halten werde.

Rückblickend habe ich außer dem studienbezogenen Teil aber noch viel mehr während meiner Zeit in Amerika dazugelernt: Angefangen beim Leben in einer Wohngemeinschaft - da ich in Deutschland noch bei meinen Eltern wohne - über kulturelle Unterschiede, bis hin zu Veränderung so mancher Grundeinstellung. Um etwas genauer zu werden, ich habe praktisch das erste Mal in meinem Leben jeden Schritt ganz alleine geplant und war für dessen Konsequenz auch allein verantwortlich. Das zur gleichen Zeit auch noch in einer anderen Sprache zu regeln, ist leichter gesagt, als getan. Ich bin nun um einiges selbstständiger geworden und habe gelernt, mit schwierigen Situationen gelassener umzugehen. Zugleich habe ich an Selbstbewusstsein dazu gewonnen, denn ein halbes Jahr eigenständig durch ein fremdes Land zu reisen, anders zu leben und auf einer anderen Sprache zu studieren, macht einen sogar ein bisschen stolz.

Wenn ich nun beschreiben muss, was ich in dem halben Jahr in Amerika alles dazugelernt habe, würde ich nicht unbedingt mit dem universitären Teil starten. Die sprachlichen Fortschritte machen natürlich einen großen Anteil aus, das ist klar. Gleichzeitig habe ich aber auch gelernt, in den USA zu leben. Das bedeutet, die Gewohnheiten der Amerikaner kennen zu lernen und sich diesen ggf. anzupassen. Angefangen bei anfänglicher Verwirrung auf die Frage „How are you?“, die einem oft von völlig fremden Personen gestellt wurde wie z.B. dem Kassierer im Supermarkt. So erfuhren wir, dass man entweder gar nicht antwortet, oder aber kurz „Fine and you?“ antworten kann, dein Gegenüber aber nicht zwangsweise an deinem wirklichen Zustand interessiert ist.

Ein anderes Beispiel ist der Verkehr: Auf den amerikanischen Straßen herrscht kein „rechts vor links“, sodass man an jeder Kreuzung anhalten muss. Wer zuerst da ist, fährt zuerst. Auf der Autobahn gibt es ebenfalls keine Regel, dass nur links überholt werden darf. Die Geschwindigkeitsbegrenzung liegt hier allerdings unter der deutschen Norm. Fährt man auf kalifornischen Straßen, lernt man die Bemühungen der Deutschen, den Zustand der Straßen durch zahlreiche Baustellen aufrecht zu erhalten, erst zu schätzen. Ich habe selten so viele Schlaglöcher umfahren müssen wie in Kalifornien. Trotzdem hat so gut wie jeder Amerikaner ein Auto. Die Busse fahren zwar regelmäßig, für den Fernverkehr gibt es jedoch nur wenige Zugverbindungen. Ebenfalls mehr zu schätzen weiß ich nun die Lebensmittelpreise in Deutschland: Obst und Gemüse waren definitiv ein teures Vergnügen, sowie auch Milchprodukte und Fleisch. Daher ist es leicht nachvollziehbar, warum die Amerikaner die günstigere Variante bei einem der zahlreichen Fastfood-Ketten vorziehen. Mit der Zeit entdeckten wir aber, in welchen Märkten Obst und Gemüse recht günstig angeboten wurde, oder, dass man in den Großmärkten Schnäppchen durch den Einkauf großer Mengen machen konnte.

Ein sehr trauriger Unterschied zu Deutschland ist das Sozialversicherungssystem in den Staaten, welches Ursache für eine große Population an obdachlosen Einwohnern ist. Gerade in Großstädten wie San Diego, Los Angeles oder San Francisco begegnet dir an jeder Straßenecke jemand, der nach Geld bettelt. Ich finde es schwer, zu sagen, dass man sich mit der Zeit an diese Begegnungen gewöhnt. Tatsache ist, dass du lernst, dass diese Menschen nicht gefährlich sondern oft ausgesprochen freundlich sind. Trotzdem weiß ich bis heute nicht, wie ich mit ihnen umgehen soll. Des Weiteren wird mit dem Konsum von Drogen in den USA weniger streng umgegangen als in Deutschland, sodass man des Öfteren Leute auf der Straße in Deutschland verbotene Substanzen zu sich nehmen sah. Auf der anderen Seite ist der Konsum von Alkohol erst ab 21 Jahren erlaubt. Dies betraf mich persönlich, da ich laut amerikanischem Gesetz noch „underage“ (unter 21) bin und mir somit der Zutritt zu den meisten Parties verwehrt blieb. Die Widersprüchlichkeit mancher Gesetze, nämlich, dass ich zum Beispiel hätte Zigaretten kaufen dürfen, sei hier mal in Frage gestellt. Trotzdem musste ich nicht immer abends zuhause bleiben, da die Verbindungen der Uni - die sogenannten „Fraternities“ und „Sororities“ - gerne am Wochenende die eine oder andere Hausparty schmissen. Somit kann ich nur bestätigen, dass das amerikanische Collegeleben nicht ohne Grund dafür bekannt ist, ausgiebiger gefeiert zu werden als bei uns zu Hause. Hinzu kommt, dass man in Kalifornien den sogenannten „Taco Tuesday“ eingebürgert hat, an dem Bewohner auch innerhalb der Woche feiern: Man geht erst zusammen Tacos essen, die Dienstags für ein bis zwei Dollar angeboten werden, und zieht anschließend weiter in die Bars.

Ein Vorurteil, welches ich widerlegen möchte, ist, dass die Mehrheit der Amerikaner dick ist. Mein Eindruck ist, dass die Gegensätze einfach sehr stark sind, sodass die dickeren Menschen vermutlich dadurch auch eher auffallen. So sieht man einerseits viele Übergewichtige und darunter leider auch einen großen Anteil an Kindern, auf der anderen Seite gibt es zugleich aber auch viele sportliche, motivierte und ernährungsbewusste Amerikaner. Gerade in San Diego sieht man an jeder Ecke jemanden joggen und neben den Fastfood-Restaurants gibt es auch sehr viele trendige Läden, die Smoothies, Acaibowls, Salate usw. anbieten. Diese vielfältigen Möglichkeiten kenne ich aus Deutschland hingegen nicht. Dafür habe ich in den USA eine richtige Bäckerei vermisst, vor allem das Brot…

Am besten hat mir allerdings die Art und Weise des Lebens in Kalifornien gefallen. Die Menschen scheinen fast immer glücklich zu sein und lassen sich selten aus der Ruhe bringen. Du wirst überall mit einem Lächeln empfangen. Natürlich könnten das konstant gute Wetter und der Strand Hauptgründe dafür sein…Trotz allem könnten wir Deutschen uns sicher etwas von dem stressfreieren und unbesorgtem Lebensstil der Kalifornier abschauen.

Während meiner Zeit in San Diego habe ich zudem gelernt, jede Sekunde zu genießen und bin wirklich dankbar, mein Auslandssemester gerade dort verbracht haben zu dürfen. Ich nehme definitiv auch einen Teil der Unbeschwertheit und der Fröhlichkeit der Bewohner mit zurück nach Deutschland. Auch wenn ich nicht weiß, zu welchem Zeitpunkt, aber ich werde auf jeden Fall eines Tages nach San Diego zurückkehren!