Kulturelle Besonderheiten in Irland

Keltische Mythen, Riverdance und James Joyce - Die irische Kultur ist vielseitig. Am St. Patrick‘s Day am 17. März feiert das irische Volk seinen größten Nationalfeiertag. Weltweit sind die irischen Pubs an diesem Tag meist hoffnungslos überfüllt. Die Art und Weise der Feierlichkeiten mit traditioneller Musik und einer großen Parade verrät einiges über die irische Kultur. Aber eben nicht alles.

Während eines Auslandssemesters oder Studiums in Irland entdecken internationale Studierende nach und nach die vielen Facetten der irischen Kultur. Zur kulturellen Vorbereitung ist es hilfreich, sich mit einigen der kulturellen Besonderheiten in Irland vorab auseinanderzusetzen.

Ursprünge der irischen Kultur

Eine kulturelle Besonderheit in Irland ist, dass viele historische Stätten bis heute gut erhalten sind.

Die Insel Irland teilt sich heute in die Republik Irland und Nordirland, das zu Großbritannien gehört. Beide Teile haben jeweils eigene Gesetze, Regierungen, Währungen und Religionen. Die vier Provinzen der Insel, Connacht, Leinster, Munster und Ulster, gehen auf die Zeit der englischen Besatzung ab etwa 1100 n. Chr. zurück und gliedern sich derzeit in 32 Counties. Heutige kulturelle Besonderheiten in Irland begründen sich in der Geschichte des Landes und dem Einfluss anderer Völker.

Seit sich die ersten sesshaften Menschen der Jungsteinzeit etwa 4500 v. Chr. auf der Insel ihr Leben aufbauten, fielen immer wieder andere Kulturen in die Dörfer ein. Allen voran nutzten die Wikinger früh den für die Schifffahrt günstig gelegenen Ort und errichteten unter anderem die Siedlung Dublin. Später folgten die Anglo-Normannen, die das irische Volk gezielt zurückdrängten. Neben der Einnahme von Landbesitz verboten sie sogar die irische Sprache und Gebräuche.

Ab dem 16. Jahrhundert führte die Ansiedlung anglikanischer und presbyterianischer Siedler zu Religionskriegen gegen irische Katholiken. Durch den heiligen St. Patrick kam das irische Volk im fünften Jahrhundert zum christlichen Glauben. Mit dem Act of Union 1801 vereinigt sich Irland mit Großbritannien. Während der großen Hungersnot zwischen 1845 und 1851 überließ die britische Krone jedoch das Land sich selbst, sodass Millionen von Iren gezwungen waren, zu emigrieren, vor allem in die USA. Diese Erfahrung prägte das Land nachhaltig. Im Zuge der jüngsten Wirtschaftskrise wanderten viele junge Iren nach Großbritannien oder Australien aus, um ihre Existenz zu sichern.

Die Beziehung zu Großbritannien war noch lange Zeit schwierig. Seit 1948 besteht die Republik Irland und seit 1973 ist das Land EU-Mitglied. Die Grenze zu Nordirland ist offen. Religiös motivierte Unruhen zwischen den beiden Ländern führten zwischen 1972 und 1993 immer wieder zu blutigen Straßenschlachten. Den sogenannten Blutsonntag vom 30. Januar 1972 verarbeiteten viele Iren mithilfe der Musik, beispielsweise U2 in ihrem Song „Sunday Bloody Sunday“.

Die Bedeutung von Religion ist in der irischen Gesellschaft zurückgegangen. Viele Iren sind bis heute religiös und gehören überwiegend der römisch-katholischen Kirche an. Meist gehen sie jedoch nur noch zu besonderen Anlässen in das Gotteshaus.

Traditionen, Feiertage und Symbole

Den Ruf als „grüne Insel“ verdankt Irland vermutlich dem regenreichen Wetter, das eine vielseitige Pflanzenwelt hervorbringt. Das Land wird daher oft mit der Farbe Grün assoziiert. Zum St. Patrick’s Day erleuchten einige irische Städte und der Liffey ebenfalls in Grün.

Ihr keltisches Erbe pflegen die Iren bis heute. Gälisch ist in der Republik Irland neben Englisch eine der Amtssprachen, Pflichtfach in der Schule und findet sich auf allen Ortsschildern. Eines der größten keltischen Feste feiern mittlerweile viele andere Teile der Welt in abgewandelter Form: Halloween geht ursprünglich auf Oíche Shamhna zurück.

Das Opernfestival in Wexford ist nur eines von vielen Festivitäten, die den kulturellen Kalender in Irland reichlich füllen.

Vor allem Mythen und Sagen der Kelten geben die geselligen Iren in Form von Gedichten oder Liedern weiter. Zahlreiche historische und kulturelle Festivals veranstaltet das Land, um die Bewohner und Besucher zusammen zu bringen. Hier werden irische Künstler geehrt oder neue entdeckt. Traditionell irische Musik findet sich auf dem Fleadh Cheoil na hÉireann Mitte August. Literaturfans treffen sich Anfang Juni zum Festival in Listowel. Auch der Bloomsday zieht Leser von James Joyce‘s Ulysses jedes Jahr an. Beim Kilkenny Arts Festival kommen internationale und einheimische Künstler aus allen Bereichen zusammen.

Musikalische Highlights sind das Cork Jazz Festival Ende Oktober und das Wexford Opera Festival, eines der drei größten Opernfestivals der Welt. Bei der ausgeprägten Liebe zur Musik verwundert es nicht, dass die Harfe ein typisches Symbol für Irland ist, das sich auch auf den Euro-Münzen wiederfindet.

Das Symbol des dreiblättrigen Kleeblatts erinnert in Irland an St. Patrick, der mithilfe der kleinen Pflanze das Christentum leicht verständlich erklärte. Zur Vorbereitung auf das Weihnachtsfest hat der irische Adventskranz fünf Kerzen: drei violette für die Buße, eine rosafarbene für die Vorfreude und eine weiße für das Fest am 24. Dezember.

Der Claddagh Ring ist ebenfalls ein typisch irisches Symbol, das sich vor allem Verliebte schenken. Er besteht aus zwei Händen, die ein Herz mit einer kleinen Krone halten. Diese stehen symbolisch für Freundschaft, Liebe und Loyalität.


Merkmale der irischen Kultur

Heute leben in der Republik Irland 4,3 Millionen Menschen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung ist unter 29 Jahre alt und ein Großteil lebt in der verhältnismäßig reichen Region Leinster. Hier liegt auch die Hauptstadt Dublin. Zu den kulturellen Merkmalen der Iren zählen vor allem Gastfreundschaft, Kreativität und ein großes Traditionsbewusstsein.

Vom „Armenhaus“ Europas entwickelte sich das Land zum Celtic Tiger, der internationale Konzerne und Fachkräfte gleichermaßen anzieht. Internationale Studierende sollten folgende kulturelle Besonderheiten in Irland beachten.

Optimismus und Gelassenheit

Tritt in Irland ein Problem auf, ist eine hektische Lösungssuche keine geeignete Reaktion. Viel üblicher ist es, gelassen zu bleiben und beherzt zu einer Übergangslösung zu greifen. Kreativität und Optimismus sind beliebte Eigenschaften in Irland. Die Iren sind Krisenerprobt und wissen, dass sich die Erde trotzdem weiter dreht. Das gilt auch in Sachen Pünktlichkeit. Ein paar Minuten Verspätung sind meist erlaubt.

Traditionsbewusst und Aufgeschlossen

In Irland sind alte Geschichten und traditionelle Bräuche allgegenwärtig. Vor allem in der Region Munster betonen die Bewohner ihre gälische Herkunft. Irische Erzählungen zur Entstehung Irlands kennt jedes Kind und gern singt man von den alten Mythen beim abendlichen Zusammensein im Pub.

Musik und Literatur spielen bei dem gefühlsbetonten Volk eine wichtige Rolle. Einige irische Schriftsteller wie George Bernard Shaw oder Samuel Beckett sind heute weltberühmt. Daher erscheint es sinnvoll, dass auf Bücher in Irland keine Mehrwertsteuer anfällt.

Auch die zahlreichen gut erhaltenen Burgen, Kloster und Ruinen aus der Zeit der Kelten machen die historischen Ursprünge der irischen Kultur erlebbar. Trotz ihres ausgeprägten Geschichtsbewusstseins ist das irische Volk aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen oder Lebensweisen und verharrt nicht in alten Traditionen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen seit Mai 2015.

Geselligkeit trotz Individualismus

Auf den Straßen Irlands ist immer etwas los und der Pub eine erste Anlaufstelle für die Kontaktaufnahme.

Treffpunkt schlechthin ist in Irland der Pub, was eine Abkürzung von Public House ist. Ein gemeinsames Essen oder Trinken mit Freunden und Kollegen sind beliebte Freizeitaktivitäten. Bei Live-Musik gibt jeder eine Runde für seine Gruppe aus und genießt die Zeit, statt jeden Cent zweimal umzudrehen.

Die irische Pop- und Rockmusik ist weltweit bekannt, nicht nur durch die Erfolge beim Eurovision Song Contest. Songs wie „Whiskey in the Jar“ geben einen Eindruck der urigen Stimmung in den Pubs. Kritik an der Politik ist Bestandteil vieler Kassenschlager, aber Außenstehende sollten sich eher damit zurückhalten.

Der Zusammenhalt irischer Familien mit ihrer sozialen Umgebung ist groß. Trotzdem zwingt die wirtschaftliche Lage des Landes viele junge Iren anderswo ihr Glück zu suchen. Zielstrebigkeit und kompetitives Verhalten sind in Irland genauso angesehen wie Solidarität. Wer nach Hilfe fragt, bekommt sie auch.

Flache Hierarchien

In der irischen Arbeitswelt, an der Uni und im Alltag begegnen sich die Menschen auf Augenhöhe. Die Dozenten haben für die Probleme und Ideen ihrer Studenten ein offenes Ohr. Auch ein Plausch zwischendurch ist immer willkommen. Ein Treffen mit den Einheimischen findet oft mit der Familie statt.

Die soziale Herkunft spielt in Irland keine Rolle. Die persönliche Leistung zählt und Einsatz wird geschätzt. Aber: Wer sich mit seinen Leistungen rühmt und sich über andere stellt, kommt bei den Menschen in Irland nicht gut an.

Sportbegeisterung

Auch im Sport zeigt das irische Volk Teamgeist. Viele gälische Sportarten wie Hurling, Rugby oder Gaelic Football haben in der traditionsbewussten Region Munster ihr Zuhause. Am ersten Sonntag im September finden die All Ireland Hurling Finals statt. Die weibliche Variante Camogie ist ebenfalls beliebt und holt viele Zuschauer ins Stadion.

Sport hält in Irland die Gemeinschaft zusammen. Die geografischen Gegebenheiten ermöglichen nicht nur Wandern und Klettern, sondern auch Surfen oder Skifahren. Der Pferdesport zieht vor allem internationales Publikum an. Studierende lernen das Outdoor-Paradies auch durch zahlreiche Sportkurse der Hochschulen kennen.


Verhaltenstipps für Irland

Um kulturelle Besonderheiten in Irland zu berücksichtigen, ist es hilfreich ein paar Verhaltenstipps für das Leben vor Ort zu beachten. Im Allgemeinen sind die Menschen in Irland sehr hilfsbereit und nachsichtig, sodass sie eventuelle Fehltritte Außenstehender entschuldigen. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, einfach zu fragen.

Es braucht Zeit, um das Land und seine Bewohner richtig kennenzulernen. Dem ständigen Vergleich mit anderen Kulturen, eine typische Erscheinung eines Kulturschocks, begegnen Iren mit patriotischer Skepsis. Wie in vielen anderen Ländern sind politische Diskussionen eher den Einwohnern vorbehalten und ein eher ungeeignetes Thema beim Smalltalk.

Der Straßenverkehr in Irland ist für viele Besucher eine Umstellung, denn hier herrscht Linksverkehr.

In Irland angekommen, stellen deutsche Studierende zunächst die Uhr eine Stunde zurück, um sich der Ortszeit anzupassen. Auch wenn das Leben in Irland meist etwas langsamer verläuft, sind die größeren Städte moderne Hotspots, in denen zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas los ist. Wer abends unterwegs ist, muss wissen, dass Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit nicht gestattet ist. Auch das Rauchen in öffentlichen Gebäuden zieht hohe Bußgelder nach sich.

Durch die Serviceangebote von Hochschulen in Irland finden internationale Studierende schnell Anschluss. Beim gemeinsamen Abend im Pub bestellt jeder eine Getränkerunde für die Gruppe. Das sollten Besucher auf keinen Fall vergessen, denn sonst trinken sie beim nächsten Mal ihr Guinness alleine. Sláinte!

Das Auto bleibt in Irland spätestens ab 0,5 Promille stehen. Außerdem gilt es, auch als Fußgänger, den Linksverkehr zu beachten. Autos mit einem großen L-Aufkleber erhalten besondere Aufmerksamkeit, da der Fahrer als Learner Driver noch keinen Führerschein besitzt.

Dos und Don‘ts

Dos Don'ts
Gelassen bleiben. Aufgesetztes oder überdrehtes Verhalten ist nicht beliebt in Irland. Politische Themen oder Kritik an Irland sind für Smalltalk nicht geeignet.
Gezahlt wird im Pub in der Regel bei der Bestellung. Trinkgeld nehmen Barkeeper meist nur an, wenn es heißt „Have one for yourself later.“ Im Pub gibt jeder eine Runde für die Gruppe aus. Wer das vergisst, gilt schnell als unsozial.
Ein kurzer Gruß auf der Straße wird gern erwidert. Auch entgegenkommende Autofahrer grüßen sich auf schmalen Straßen. Umarmungen oder Wangenküsse sind zur Begrüßung eher unüblich. Ein Handschlag reicht aus.
Kleine Gastgeschenke sind bei einer Einladung immer willkommen. Rauchen ist in öffentlichen Gebäuden verboten.
Nach einer Sightseeing-Tour erhalten die Guides oft ein kleines Trinkgeld von der Gruppe. Wie in Neuseeland und Australien ist das umgekehrte V-Zeichen eine obszöne Geste.