San Diego State University
Mein Auslandssemester von August bis Dezember 2015 habe ich mir mehr oder weniger selbst organisiert, mit Unterstützung der für Studenten kostenlosen Agentur College Contact. Die Wahl San Diego fiel mir dabei recht leicht, da mein Favorit Chicago für einen Bachelor in Betriebswirtschaft leider wegfiel und ansonsten nennenswert nur New York und Los Angeles als Option verfügbar waren. Wenn schon Südkalifornien, dann richtig, dachte ich mir und habe mir San Diego nahe der mexikanischen Grenze ausgesucht. Der Bewerbungsprozess war sehr unkompliziert und die Kommunikation, die generell über die Agentur lief, sehr angenehm. Etwas in Bedrängnis geriet ich lediglich, als ich nicht wusste, dass das Sprachzeugnis so früh vorliegen muss und konnte den Test dafür gerade noch rechtzeitig absolvieren.
Eigentlich wird empfohlen, im fünften Studiensemester ins Ausland zu gehen, und ich hatte das auch ursprünglich vor, war aber zu spät dran, so dass es bei mir das sechste geworden ist. Ich bin darüber im Nachhinein allerdings mehr als froh, da die Kurse, die ich wählen konnte, ziemlich grundlegend waren und ich mir wahrscheinlich sowieso keinen davon hätte anerkennen lassen können, da ich mit dem Grundstudium schon fertig war. So war ich vor dem Aufenthalt schon scheinfrei, musste mich darüber nicht ärgern und konnte mir entspannt zwei Kurse aus anderen Fachbereichen ganz nach meinem Interesse wählen, was ich als sehr bereichernd empfunden habe. Dazu kommt, dass die betriebswirtschaftlichen Kurse an der San Diego State University für Ausländer in Special Sessions organisiert sind, an denen keine Amerikaner teilnehmen. San Diego wimmelt von Deutschen und Skandinaviern, was dazu führte, dass in einem meiner Kurse nur ein Student nicht deutsch war. Das entspricht nicht unbedingt dem Anspruch, den man an ein Auslandsstudium stellt, und so war ich sehr zufrieden mit meinem Psychologie- und meinem Fernsehgeschichtekurs aus dem regulären Lehrplan für Amerikaner, in denen sich dann nur wenige Ausländer wiederfanden.
Auch hier konnte ich aber natürlich, mangels Vorkenntnissen, nur Grundlegendes wählen und diesem Umstand ist es wohl auch geschuldet, dass der Anspruch, der an mich gestellt wurde, durchgehend sehr niedrig war. Amerikaner fangen früher als Deutsche an zu studieren, was sich in den ersten Semestern an der Uni auch bemerkbar macht, die teilweise eher wie ein Abitur wirken und während denen sich die Studenten noch auf gar keine Studienrichtung festlegen müssen. Die Klausuren, von denen es zwei bis vier pro Semester (!) gibt, sind fast immer Multiple Choice und so gut wie nie die einzige Gelegenheit, Punkte für die Endnote zu sammeln. Manche Professoren meinen offenbar, das dadurch ausgleichen zu müssen, dass sie ihre Studenten mit Arbeit zuschütten, wovon ich aber zum Glück verschont blieb.
Um eine Wohnung habe ich mich im Vorfeld nicht gekümmert, da es einerseits von allen Seiten hieß, dass das kein Problem ist und man dafür vielleicht sieben, maximal zehn Tage bräuchte und ich andererseits sowieso alleine geflogen bin und meine zukünftigen Mitbewohner zunächst finden und kennenlernen musste. Tatsächlich war es dann so, dass wir zu dritt, alle männlich, extreme Schwierigkeiten hatten, auch nur Rückmeldung von Vermietern zu bekommen. Der Markt war absolut überschwemmt mit Nachfragern und so gut wie alles, was verfügbar war, ging an skandinavische Mädchengruppen. Nachdem wir über zwei Wochen im Hostel mit der Suche verbracht hatten, haben wir über Bekannte, mehr oder weniger durch Glück und direkten Kontakt, eine Wohnung bekommen.
Der vermeintlich für mich in Stein gemeißelte Vorsatz, von dem ich mich dabei als erstes verabschieden musste, war, auf keinen Fall mit Deutschen zusammenzuziehen, da das Ziel ja Englisch lernen war. Auch hierüber bin ich allerdings im Nachhinein nicht besonders böse, da ich dafür, im Gegensatz zu manch anderem mit internationalerer Wohnsituation, eher wie mit Freunden zusammengewohnt habe, mit denen ich dann gemeinsame, internationale Bekannte hatte.
Alltag und Freizeit sind in Kalifornien erwartungsgemäß angenehm und ein Leben am Strand bietet einem im Sommer eigentlich dauerhaft die gleichen Möglichkeiten, wie es ein Strandurlaub tut. Erst ab Anfang Dezember sanken die Temperaturen etwas unter 20 Grad, was mich aber auch kurz vor meinem Rückflug - kurz vor Weihnachten - nicht vom Beach-Volleyball abgehalten hat. Einzig das Nachtleben ist, zumindest im Vergleich zu deutschen Großstädten, ziemlich enttäuschend. Die beste Abhilfe haben hier Trips ins direkt hinter der Grenze liegende Tijuana geboten, wo die Menschen offenbar etwas mehr vom Feiern verstehen.
Ich war vor meinem Aufenthalt deutlich skeptischer als die meisten Studenten, da ich glaube, dass man auch bei so etwas sehr viel Pech haben kann, wurde allerdings eines besseren belehrt und habe ein sehr viel besseres Erlebnis gehabt, als ich erwartet hatte. In jedem Fall ist es die Erfahrung wert, die von ganz außergewöhnlicher Art ist und zu den Dingen gehört, an die man sich auch im hohen Alter noch – hoffentlich gerne – erinnern wird.