College-Contact-Stipendiatin Julia Dorn im Interview
Ob Nachtmärkte, Straßenfeste oder Wochenmärkte - in Wellington ist immer etwas los. Zu diesem Ergebnis kommt Semesterstipendiatin Julia Dorn schon nach zwei Monaten an der Victoria University of Wellington (VUW) in Neuseeland.
Im Interview schwärmt die Architekturstudentin von der entspannten Atmosphäre in der neuseeländischen Hauptstadt. Sie erklärt, wie sich das Architekturstudium an der VUW vom Studium an der TU Wien unterscheidet und wie sie den „laid-back"-Lifestyle der Neuseeländer erlebt.
College Contact:
Seit Anfang Februar bist du in Wellington und verbringst dein Auslandssemester in Neuseeland. Wie waren die ersten Wochen für dich?
Julia Dorn:
Mir gefällt es hier wirklich super gut. Zum einen ist natürlich Sommer. Das ist schon mal ein großer Vorteil. Wellington ist auch eine super schöne Stadt. Es ist immer etwas los, man hat immer was zu tun und das ist natürlich auch gut, wenn man hier ankommt und gleich mal die ganze Stadt kennenlernen kann.
Ich wohne in einem Wohnheim mit recht vielen internationalen Studenten, die ich auch gleich am Anfang alle kennengelernt habe. Deswegen ist auch immer jemand da, der irgendetwas unternehmen will und fragt, ob man mitkommen mag. Also ich habe mich sehr gut eingelebt, und nachdem einen in Wellington nicht unbedingt der große Kulturschock im Vergleich zu Europa erwartet, war das gar kein Problem.
College Contact:
Wie bist du bei der Wohnungssuche vorgegangen und wie kamst du zu deiner Unterkunft im Studentenwohnheim?
Julia Dorn:
Internationale Studenten haben die Möglichkeit, eine Wohnung über die Uni zu bekommen. Man bewirbt sich und gibt drei Präferenzen an. Ich wusste dann, Gott sei Dank, schon bevor ich hergekommen bin, wo ich hingehe, musste also nicht ins Hostel und konnte hier gleich mein Zimmer beziehen.
Das Zimmer ist auch super. Es sind Apartments mit je drei Einzelzimmern und man teilt sich dann zu dritt eine Küche und ein Bad. Es ist leider ein bisschen teuer, aber da kann man nichts machen.
College Contact:
Klappt es denn zumindest gut mit dem Zusammenleben?
Julia Dorn:
Ich wohne mit einer Amerikanerin aus Kalifornien und einem Kanadier zusammen und das geht echt gut. Man hat ja sowieso sein eigenes Zimmer und wenn man seine Ruhe haben will, macht man die Tür zu. Sonst läuft es wie in jeder anderen WG auch. Man kocht mal zusammen, man regt sich auf, wenn einer seinen Teller nicht weggeräumt hat - nein, es läuft wirklich super gut.
In dem Wohnheim sind relativ viele internationale Studenten, dann sind noch ein paar Erstsemester dabei und ein paar ältere Leute. Das mischt sich ganz gut durch, würde ich sagen.
College Contact:
Du hast schon angesprochen, dass Wellington viel zu bieten hat. Schon vor deiner Abreise warst du gespannt auf die ausgeprägte Künstlerszene vor Ort. Was hast du bis jetzt entdecken können?
Julia Dorn:
Wellington ist, glaube ich, die Stadt mit der größten Dichte an Straßenmusikern. An jeder Ecke sitzt einer. Das gibt natürlich ein gewisses Flair. Und die Stadt an sich organisiert auch wahnsinnig viel. Es gibt immer irgendwelche Veranstaltungen, einen Farmers' Market oder Night Market. Letztes Wochenende war ein riesengroßes Straßenfest, wo unterschiedliche Bühnen und Stände aufgebaut waren. Leute haben ihre Sachen verkauft und zu essen gab es auch ganz viel. So geht es eigentlich jedes Wochenende. Da kriegt man schon viel mit.
Die Stadt an sich hat auch einfach viel Charme mit ihren kleinen Straßen. Es gibt viele Fußgängerzonen mit lauter Läden und Cafés und es gibt die Waterfront am Hafen entlang, wo auch überall Restaurants und Bars sind und wo die Leute jeden Abend draußen mit Musik sitzen. Das ist echt richtig schön. Jetzt fange ich schon an zu schwärmen.
College Contact:
Gab es auch etwas, was dich in kultureller Hinsicht total überrascht hat oder was du so bisher nicht kanntest?
Julia Dorn:
Einerseits sagt man ja von den Neuseeländern und Australiern, dass sie „laid-back“ und entspannt sind. Das stimmt auch total, aber andererseits gibt es wesentlich mehr Regeln als bei uns in Europa. Sei es, wenn es um Alkohol geht: Da musst du jedes Mal deinen Reisepass mitnehmen, sonst darf der ganze Tisch kein Bier trinken. Auch bei mir im Wohnheim gab es die ersten zwei Wochen eine „kein-Alkohol“-Regel. Da fühlt man sich wieder wie im Schullandheim mit 15.
Bei uns gibt es ja auch Regeln, aber ich habe das Gefühl, die Leute halten sich weniger daran oder keiner kümmert sich darum, aber hier ist das schon teilweise sehr strikt. Aber da gewöhnt man sich auch dran.
„,...man braucht sich nur zwei Minuten mit einer Karte an die Straßenecke stellen und schon kommt jemand und fragt, ob er einem helfen kann."
Ansonsten sind alle natürlich wahnsinnig nett und offen und man braucht sich nur zwei Minuten mit einer Karte an die Straßenecke stellen und schon kommt jemand und fragt, ob er einem helfen kann. Es kommt mir so vor, als ob die Menschen hier einfach wesentlich höflicher und freundlicher sind als bei uns.
College Contact:
Und wie studiert es sich als Architekturstudent in Neuseeland?
Julia Dorn:
Ich finde, das Studium ist grundsätzlich ganz anders aufgebaut als bei uns. Bei uns hat man entweder Studios, wo man am Ende ein Design abgeben muss - das ist hier ziemlich ähnlich. Aber alle Vorlesungen sind hier ganz anders. Zu Hause hat man ein halbes Jahr Vorlesung und am Ende schreibt man eine Prüfung, meistens Multiple Choice, und das war es dann.
Hier muss man mindestens drei bis vier Essays über das Semester abgeben. Dadurch reflektiert man viel mehr über das, was man eigentlich lernt. Ich glaube, man lernt dadurch auch mehr, weil wenn ich in einer Woche ein Buch auswendig lerne, merke ich mir natürlich nichts. Wenn ich aber wirklich darüber schreiben und nachdenken muss, dann hat das glaube ich schon einen wesentlich besseren Effekt.
College Contact:
Dein Ziel war es auch, durch das Studium in Neuseeland etwas über neue Baustrukturen zu lernen. Was konntest du aus deinen Kursen bereits mitnehmen?
Julia Dorn:
Ich habe einen Kurs in Städtebau belegt, was wirklich super ist. Dadurch dass die Städte verhältnismäßig jung und weitläufig sind, gibt es mehr Potenzial als bei uns, was man im Städtebau alles machen kann, in der Hinsicht dass man etwas verbessern kann. In den Vororten ist es wirklich so, dass die Leute dort nur wohnen, sonst gibt es da nichts. Jeder hat sein Auto, mit dem er überall hinfährt. Als Architekt kann einem da ganz schön viel einfallen, was man noch alles verbessern kann.
College Contact:
Was für Anregungen konntest du dir denn zum Beispiel aus deinen Kursen holen?
Julia Dorn:
Ein Thema ist zum Beispiel „Mixed-Use“, dass man die Leute sozusagen davon wegbringt, morgens ins Auto einzusteigen, in die Arbeit zu fahren und wieder zurückzukommen. Das schafft man dadurch, dass man eine „Mixed-Use-Area“ schafft, in der Wohnen, Arbeiten, Einkauf und Schule nebeneinander funktionieren. Das ist natürlich auch in gewisser Weise nachhaltig, weil man nicht mehr so viel Auto fährt und entspricht auch eher dem, wie traditionelle Städte aufgebaut sind: Unten hat man meistens Büros und Einkaufsmöglichkeiten, obendrüber die Wohnungen.
„Es ist einfach mit nichts vergleichbar, was man zu Hause erleben könnte.“
Und es geht auch darum, dass man ein bisschen mehr Topografie in der Stadt schafft. Die Häuser hier bestehen nur aus einem Stockwerk und einem Dach. Durch das Ausbilden von mehreren Stockwerken kann man eine verbesserte Stadtstruktur schaffen.
Dann habe ich noch einen anderen Kurs belegt, Sustainable and Regenerative Design. Da geht es um Nachhaltigkeit, um nachhaltiges Design und wie man das am besten umsetzt. Den Kurs gibt es so in Wien nicht, deswegen ist das etwas total Neues für mich und macht mir wirklich Spaß.
College Contact:
Dein Plan war es, das College-Contact-Stipendium eventuell dafür zu benutzen, um in mehrere größere Städte in Neuseeland zu reisen. Was ist daraus geworden?
Julia Dorn:
Das steht immer noch auf der Liste. Wir haben jetzt auch Ferien, da fahre ich nach Auckland und schaue mir natürlich auch ein bisschen die Natur an. In Neuseeland muss man das ja machen. Auf dem Rückweg, bevor ich nach Hause fliege nach München, werde ich nochmal einen Zwischenstopp in Asien machen. Da kann man sich natürlich auch riesige Städte anschauen. Das ist der Plan.
College Contact:
Wie würdest du deine bisherige Zeit in Wellington rückblickend bewerten?
Julia Dorn:
Auf einer Skala von 0 bis 10 mit 10. Ich kann es wirklich nur jedem empfehlen. Es ist super. Man lernt viele tolle Leute kennen, hauptsächlich Amerikaner. Man erlebt jeden Tag etwas Neues. Es ist einfach mit nichts vergleichbar, was man zu Hause erleben könnte. Daher 10 von 10 Punkten.
Einmal volle Punktzahl von Julia für ihre bisherige Zeit in Wellington. Ihr möchtet euch ein eigenes Urteil über die Kulturhauptstadt Neuseelands bilden und ein Auslandssemester in Neuseeland verbringen? Auf dem Hochschulprofil könnt ihr euch über sämtliche Studienoptionen an der VUW informieren. Unsere Studienexpertinnen helfen bei Fragen gerne weiter.