24 Okt
Erfahrungsbericht von Juliane F.

Riga Stradins University


Land: Lettland
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Humanmedizin
Studientyp: Sonstige Studiengänge
Zeitraum: 04/2016 bis 11/-1

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Hallo an alle,

mein Name ist Juliane und ich habe zum Sommersemster 2016 angefangen an der RSU zu studieren. Für mich stand bereits während der Schulzeit fest, dass ich einen Auslandsaufenthalt in Lettland in Kauf nehmen würde um in der Lage sein zu können Humanmedizin zu studieren. Folglich bewarb ich mich auch realtiv früh, war mir allerdings nicht sicher, ob ich tatsächlich angenommen werden würde. Während meines Bewerbungsprozesses stellten sich mir einige Fragen, die glücklicherweise von CC sehr gut und ausführlich beantwortet wurden. Laura hat mir dort sehr oft weiter geholfen.

Als ich meine Zusage Mitte November erhielt, beschloss ich im Dezember, bereits nach Riga zu fliegen, um mich schon einmal nach einer Wohnung umzugucken. Angesichts der Vorweihnachszeit gab es zu diesem Zeitpunkt für den Autoverkehr fast nur stop and go, so dass ich im Nachhinein eher die öffentlichen Verkehrsmittel für diesen Monat empfehlen würde. Man muss dazu sagen, dass dies nur wenige Leute machen und man natürlich auch die ersten paar Wochen in Hostels unterkommen kann, ich jedoch sehr froh war, bereits eine Wohnung zu haben, als das Studium anfing.

Empfehlenswert finde ich es, sich in der Nähe des Anatomikums eine Wohnung zu suchen, also im Quiet Center, da man nicht nur viel Zeit dort verbringt, sondern dies auch mit eine der schönsten Gegenden ist, preislich allerdings dementsprechend, aber mit vielen kleinen unterschiedlichen Parks und Grünflächen. Dadurch, dass dort viele Konsulate (teils bewacht) angesiedelt sind, handelt es sich auch wohl um eine sichere Gegend, zumindest wurde uns das von Einheimischen gemeldet. Ich würde verkehrstechnisch die Lage um das Nationaltheater empfehlen bei der Wohnungssuche. Wer Lust hat zum Schlittschuhlaufen, sollte beim Kofferpacken Schlittschuhe gleich mitnehmen, es gibt in Riga gute Gelegenheiten diesen Sport zu machen, oder auch einige Fitnessstudios zu besuchen. Die „typischen schwedischen Möbel“ konnten wir ohne Probleme über das Internet bestellen (googlen und per Mail oder telefonisch auf Englisch bestellen) und kurzfristig liefern lassen. Es gibt dort mindestens zwei Anbieter, die, teils aus Österreich, so gut wie alles liefern können, aber zu einem ca. 20% höheren Preis als bei uns. Zwischenzeitlich habe ich auch selbst Wlan installiert und das auf lettisch/russisch. Also, hier ist eben mehr möglich als man denkt.

Als ich anfing zu studieren, wurde mein Jahrgang (bestehend aus ca. 220 Leuten (70% Deutsche) in einzelne Study Groups aufgeteilt mit je ca. 13 Leuten. Mit dieser Study Group hat man dann sämtliche praktische Klassen. Man kann sich vorher aussuchen, ob man lieber in eine nationale oder eine internationale Gruppe will. Da es mir eigentlich egal war, wurde ich einfach zufällig in eine Gruppe gesteckt, die wegen des hohen Anteils an Deutschen in meinem Jahrgang nur aus Deutschen bestand. Die Study Group kann man nach Ende eines Semesters wieder wechseln, wenn man beispielsweise lieber in eine internationale Gruppe möchte. Nach den 4 Semestern löst sich die Study Group automatisch auf und im klinischen Teil hat man dann sogar die Chance mit Letten in eine Gruppe zu kommen.

Ich denke, dass das Medizinstudium in Lettland vor allem in den ersten 4 Semestern anders aufgebaut ist als in Deutschland. Das erste Semester ist zum Glück nicht allzu schwer, sodass man vor allem in den ersten 6 Monaten erst mal noch Zeit hat sich ein wenig einzuleben und sich an die Uni zu gewöhnen. An der RSU werden vergleichsweise viele Zwischenprüfungen und Tests geschrieben im Vergleich zu Deutschland, was den positiven Nebeneffekt hat, dass die Examen (wenn man an welchen teilnehmen muss) nicht ganz so schwer fallen, da diese eigentlich nur Wiederholungen von den Zwischenprüfungen sind.

Die meisten Lehrer, vor allem in den wichtigen Schwerpunktfächern wie z.B. Anatomie oder Molekularbiologie, sprechen sehr gutes Englisch. Man kann sie gut verstehen und ebenfalls auch viel fragen. Ich und einige andere Kommilitonen waren vorher bereits in einem englischsprachigen Ausland, um die Sprache zu erlernen, das hat das Studium natürlich erleichtert.

An der RSU besteht eine Anwesenheitspflicht in den praktischen Klassen. Die Vorlesungen sind an sich optional, teilweise wird dort jedoch auch die Anwesenheit überprüft, sodass Leute, die an allen Vorlesungen teilgenommen haben, beispielsweise während eines Tests bereits eine bestimmte Punktzahl gutgeschrieben bekommen. Verpasste praktische Klassen muss man in der Regel nachholen. Zugegebenermaßen ist die lettische Sprache nicht gerade einfach zu lernen, der Sprachkurs ist aber machbar. Ob es ausreichen wird, später im klinischen Teil, sich damit ausreichend verständigen zu können, lässt sich schwer beurteilen. Die International Group und die lettischen Studenten haben anfangs eher weniger Kontakt miteinander, so dass man dadurch in den Sprachkenntnissen eher noch nicht so profitiert. In Riga sprechen bei Bedarf zumindest die Letten gutes Englisch, so dass man eher nicht auf die lettische Sprache angewiesen ist. Dagegen ist aber ein größerer Bevölkerungs- und Patientenanteil russisch, zur Kommunikation benötigt man dann Lettisch.

Riga ist eine sehr schöne Stadt, neben den vielen Sehenswürdigkeiten in der Stadt und Old Town, den vielen Jugendstilhäusern, der schönen und modernen Bibliothek. Oft sprechen die Leute Englisch, teilweise sogar Deutsch. Die Verständigung ist somit gut möglich. Im Winter sollte man allerdings bedenken, dass es teilweise bis zu -30 Grad werden kann. Man sollte also entsprechende Kleidung mitnehmen. Mit dem Zug ist es nicht weit nach Jurmela zum Meer, was insbesondere im Frühjahr eine schöne Abwechslung ist, der letzte Teil der Zugfahrt wird durch einen wunderschönen Fahrradweg bis zum Meer begleitet. Die Stadt bietet eben auch viel Erholungsmöglichkeiten und Platz, um wieder Energie zu tanken oder bei einer Bootsfahrt die Daugava entlang die Umgebung zu genießen.

Die Leute sind meines Erachtens etwas reserviert, aber klar und hilfsbereit, was von manchen vielleicht als Unfreundlichkeit interpretiert werden könnte. Ich habe dort nicht nur mit den Menschen durchweg gute Erfahrungen gesammelt, sondern habe auch durch meine hier erworbene Selbstständigkeit persönlich sehr profitiert und auch viele nette Kommilitonen, auch internationale, kennengelernt. Nicht von Nachteil ist auch der in vereinzelten Dingen eher bescheidenere Standard, obwohl Riga durchaus Metropolcharakter hat, einen eher aufstrebenden und nicht nur sprachlich einen sehr weltoffenen Eindruck hinterlässt, insbesondere auch die jüngere, lettische Generation.

Alles in allem kann ich bis jetzt sagen dass ich sehr zufrieden mit der RSU bin und sie nur weiterempfehlen kann; die Universität hat mit ihrem Angebot den Einstieg ins Medizinstudium zumindest deutlich verkürzt. Da die kleinen Lerngruppen und die Betreuung aber optimal dort sind, ist das Pensum bei ausreichendem Engagement und Fleiß durchaus zu bewältigen, auch wenn man nicht gerade zu den klassischen Einserkandidaten zählt. Durchhaltevermögen und Sitzfleisch sind trotzdem auch in Riga notwendig.