Lehr­veran­staltungen in den USA

Per Du mit dem Professor? Was an vielen Hochschulen in Deutschland undenkbar erscheint, ist in den USA gängige Praxis. Studenten aus aller Welt sind fasziniert von der Studienatmosphäre an US-amerikanischen Universitäten und Colleges. Neben dem einzigartigen Campusleben sind es auch die Lehrveranstaltungen in den USA, die bei internationalen Studenten einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Auf den ersten Blick scheinen sich Lehrveranstaltungen an amerikanischen und deutschen Hochschulen kaum zu unterscheiden, gibt es doch Vorlesungen und Seminare in beiden Ländern. Wer jedoch in den USA studiert hat, weiß: Die Kurse sind anders aufgebaut, der Arbeitsaufwand unterscheidet sich und die Atmosphäre ist grundverschieden.

Viele Eindrücke vom Studienalltag vermitteln auch die zahlreichen Erfahrungsberichte über ein Studium oder Auslandssemester in den USA von ehemaligen Kunden von College Contact. Darin geben die Studierenden häufig Tipps zur Kurswahl und den Prüfungsvorbereitungen, die für die eigene Studienplanung nützlich sein können.

Arten von Lehr­veran­staltungen in den USA

Zu den klassischen Lehrveranstaltungen in den USA gehören die Seminars. Sie finden oftmals in kleinen Seminarräumen statt, wie hier an der UC Berkeley.

Ähnlich wie in Deutschland gibt es unterschiedliche Arten von Lehrveranstaltungen in den USA. Welche Lehrformen überwiegen, hängt vom Studientyp und Studienfach ab.

Lectures

Was in Deutschland Vorlesungen sind, sind in den USA Lectures. Allerdings sind Vorlesungen an amerikanischen Hochschulen im Allgemeinen stärker auf Interaktion ausgelegt als hierzulande.

Viele Lectures haben einführenden Charakter und führen die Studierenden an ein Thema heran. Oftmals gibt es kein Skript, stattdessen basieren die Kurse auf einem Lehrbuch, das der Professor im Laufe des Semesters durcharbeitet.

Discussion Classes

Vorlesungen in den USA werden häufig durch sogenannte Discussion Classes beziehungsweise Discussion Sections ergänzt. Es handelt sich um vorlesungsbegleitende Tutorien, in welchen wissenschaftliche Hilfskräfte (Teaching Assistants) den Stoff der Vorlesung wiederholen und teilweise auch Hausaufgaben besprechen.

Seminars

Seminars gibt es in den USA auf Undergraduate-Niveau, sie sind aber besonders im fortgeschrittenen Stadium des Studiums und im Graduiertenbereich verbreitet. In Seminaren auf Masterlevel werden überwiegend fachspezifische Fragestellungen diskutiert.

Der Aufbau eines Seminars ist von Fachbereich zu Fachbereich verschieden. Teilweise erinnern die Veranstaltungen mehr an eine Vorlesung. Vor allem in den Sprach- und Kulturwissenschaften herrscht allerdings gewöhnlich eine rege Diskussionskultur. Der Dozent diskutiert mit den Studenten über aktuelle Forschungsergebnisse oder tauscht sich mit ihnen über fachliche Fragen aus.

Laboratories

In den Natur- und Ingenieurwissenschaften sind Laboratories üblich. Ähnlich wie in Deutschland besuchen die Studenten Laborkurse oder absolvieren ein Praktikum im Labor. Die Labore an amerikanischen Hochschulen sind oftmals hervorragend ausgestattet, sodass Studierende hier exzellente Studienbedingungen vorfinden.

Studio Classes

Praktisches Arbeiten spielt in Fächern wie Kunst, Design, Fotografie oder Musik traditionell eine große Rolle. In sogenannten Studios geht es daher um den künstlerischen Ausdruck und kreatives Arbeiten. Oft besuchen Studierende beispielsweise einen Zeichenkurs, der sich in einen theoretischen Teil, etwa eine Vorlesung, und einen praktischen Part, einen Studio Course, untergliedert.

Fieldwork

Zusätzlich zu den Laboratories gibt es Fieldwork Courses, Clinical Courses und Practica an amerikanischen Hochschulen. All diesen Unterrichtsformen ist gemeinsam, dass sie nicht an Seminarräume oder Hörsäle gebunden sind. Oftmals handelt es sich um Veranstaltungen mit Exkursionscharakter.

Independent Study Courses

Zusätzlich zu den genannten Lehrformen lassen sich sogenannte Independent Study Courses anführen. Sie sind nicht Teil des regulären Kursangebots, sondern kommen nur dann zustande, wenn sich ein Student mit einem Professor auf ein individuelles Studienprogramm verständigt.

In einem Independent Study Course können Studierende beispielsweise auf einem bestimmten Gebiet unter Anleitung eines Professors forschen oder sich einer wissenschaftlichen Problemstellung widmen. Da in diesen Kursen ein hohes Maß an Selbstständigkeit und strukturiertes Arbeiten gefragt sind, stehen sie meist erst Studenten aus den höheren Semestern offen.

Kursarten

In den USA lassen sich nicht nur verschiedene Formen von Lehrveranstaltungen, sondern auch unterschiedliche Kursarten unterscheiden:

  • Core Courses: Pflichtveranstaltungen, die fester Bestandteile eines Studiengangs sind.
  • Major Courses: Kurse, die einem Studienschwerpunkt (Major) zuzuordnen sind. Im Rahmen des Bachelorstudiums können sich Studenten in der Regel ab dem dritten Studienjahr spezialisieren und ein oder zwei Hauptfächer belegen. Die Kurse des Hauptfaches machen meist 25 - 50 Prozent aller Kurse eines Studiengangs aus.
  • Minor Courses: Nebenfächer, die zusätzlich zu einem Major belegt werden können. In ihrem Nebenfach belegen Studierende etwa halb so viele Kurse wie im Hauptfach.
  • Elective Courses: Wahlkurse, die kein verpflichtender Bestandteil eines Studiengangs sind, und aus anderen Fachbereichen stammen können. Sie dienen häufig der Vertiefung oder Ergänzung eines Studiums.

Kurskataloge an amerikanischen Hochschulen

Lehrveranstaltungen in den USA spielen sich nicht ausschließlich in Seminar- und Vorlesungsräumen ab. Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sind Laboratories weit verbreitet.

Welche Kurse Studierende belegen können, erfahren sie anhand des Kurskatalogs. Eine Übersicht der zu belegenden Kurse laden die Colleges und Universitäten üblicherweise für jeden Term auf ihrer Website hoch. Ein Kurskatalog liefert Informationen zu den Inhalten eines Kurses, zum Veranstaltungstyp und den nötigen Vorkenntnissen.

Jeder Kurs besitzt eine feste Kursnummer, anhand der sich eine Veranstaltung eindeutig zuordnen lässt. Kursnummern setzen sich gewöhnlich aus einer Buchstabenfolge und einer Zahlenkombination zusammen. Anhand der Buchstabenfolge lassen sich Rückschlüsse über den zugehörigen Fachbereich ziehen. So steht ANTH oftmals für Anthropology, ECON für Economics oder PSY für Psychology.

Die Zahlenfolge wiederum informiert über das Level der Lehrveranstaltung in den USA. Viele Hochschulen arbeiten mit einem drei- oder vierziffrigen System.

Undergraduate-Kurse

Kursnummern von 100 bis 499 beziehungsweise 1000 bis 4999 kennzeichnen gewöhnlich Undergraduate-Kurse. Lehrveranstaltungen mit niedrigen Kursnummern (100/1000 bis 299/2999) richten sich meist an Studenten des ersten und zweiten Studienjahres. Es handelt sich um sogenannte Lower Division Courses. Sie haben oft einführenden Charakter und setzen kaum Vorkenntnisse voraus. Die Kurse sind in der Regel weniger spezialisiert als die Upper Divison Courses (300-499). Letztere stehen normalerweise erst Studenten im fortgeschrittenen Stadium des Bachelorstudiums offen.

Es gibt auch Colleges und Universitäten in den USA, die fortgeschrittene Bachelorkurse mit Kursnummern von 500 bis 600 versehen. Wieder andere Hochschulen verwenden für alle Bachelorkurse eine Course Number bis maximal 199. Die Vergabe der Kursnummern folgt in den USA also keinem einheitlichen Muster.

Graduate-Kurse

Viele US-Universitäten greifen auf Kursnummern von 500 bis 699 beziehungsweise 5000 bis 6999 zurück, um Graduate-Kurse zu kennzeichnen. Kurse für Teilnehmer von Professional Master Programmes haben teilweise niedrigere Nummern als forschungsorientierte Masterkurse. Einige Universitäten heben Promotionskurse gesondert hervor, indem sie höhere Kursnummern wählen, etwa von 800 bis 9xx / 8000 bis 9xxx.

Ähnlich wie bei Undergraduate-Kursen gibt es auch im Graduiertenbereich abweichende Regelungen an einigen Hochschulen. Genauere Informationen zum Kurssystem erhalten Studenten auf der Website der entsprechenden US-Hochschule.


Prüfungsformen und Notenvergabe in den USA

In den USA ergibt sich die Endnote aus einer Reihe von Einzelnoten. Einen Großteil davon sammeln die Studenten während des Semesters an. Benotungsgrundlage sind zum einen die Hausaufgaben, die mal mehr, mal weniger umfangreich ausfallen. Abhängig vom Studienprogramm kann es sich um die folgenden Aufgabentypen handeln:

  • Essays
  • (Group) Presentations
  • Short Papers
  • Journals
  • Research Assignments
  • (Final) Projects

In einigen Kursen fließen nicht alle Noten in die Endnote ein, sodass Studierende entscheiden können, welches Assignment unbenotet bleibt. Wer zu Beginn des Semesters gute Noten erzielt, hat oft den Vorteil, das letzte Assignment oder den letzten Test nicht mitschreiben zu müssen.

In der Regel besteht in Lehrveranstaltungen in den USA Anwesenheitspflicht. Beteiligen sich die Studierenden nicht so an den Lectures, wie es dem Professor vorschwebt, kommt es vor, dass dieser einen unangekündigten Test schreibt. Ein sogenanntes Pop Quiz ist ein kurzer schriftlicher Test mit Multiple-Choice-Aufgaben. Meist fließt das Ergebnis geringfügig in die Endnote ein.

Abgesehen von den recht kurz gehaltenen Pop Quizzes, die über das gesamte Semester verteilt stattfinden, sind umfangreichere Teilprüfungen in der Semestermitte üblich. Die sogenannten Midterm Exams, kurz Midterms, dienen dazu, den bislang behandelten Unterrichtsstoff abzufragen. Dementsprechend werden sie stärker gewichtet als einzelne Hausaufgaben.

Am Ende des Semesters stehen die Final Exams beziehungsweise Finals an. Hier ist der gesamte Stoff des Semesters prüfungsrelevant. Es gibt allerdings auch Dozenten, die einen Schwerpunkt auf Tests und Assignments während des Semesters legen, die mündliche Mitarbeit bewerten und auf eine Abschlussklausur verzichten. Auch deshalb sollten Studierende die Hausaufgaben während des Semesters ernst nehmen.

Auch wenn der Arbeitsaufwand an amerikanischen Hochschulen während des Semesters höher ist als in Deutschland, bringt das verschultere Studiensystem einige Vorteile mit sich. Viele Studenten berichten von einem höheren Lerneffekt, den sie darauf zurückführen, dass sie sich durchgängig mit den Studieninhalten befassen.

Darüber hinaus sind die Prüfungen, insbesondere die Finals, normalerweise weniger umfassend, als es Studenten von ihrer Heimathochschule kennen. Auch die Vorbereitungen auf die Prüfungen fallen üblicherweise weniger umfangreich aus. Das gilt besonders im Vergleich zur Klausurenphase in Deutschland am Semesterende, in der viele Studenten nächtelang durchlernen, um sich die prüfungsrelevanten Inhalte rechtzeitig einzuprägen.

Zudem ist nicht zu unterschätzen, dass die Abschlussklausur in den USA meist weniger Gewicht hat als in Deutschland. Somit lassen sich schlechte Noten in den Finals leichter ausgleichen als hierzulande.

Arbeitsaufwand an Hochschulen in den USA

Für ein F1- oder J1-Visum müssen internationale Studenten pro Term mindestens 12 Units auf Bachelor- oder durchschnittlich acht bis neun Units auf Masterlevel belegen.

Je nachdem, ob es sich um eine Hochschule mit Semester- oder Trimestersystem handelt, entspricht ein Kurs üblicherweise drei beziehungsweise vier Units. Demzufolge besucht ein Bachelorstudent in den USA im Durchschnitt drei oder vier Kurse.

Allerdings gibt die Creditanzahl keine Auskunft über den tatsächlichen Arbeitsaufwand für Lehrveranstaltungen in den USA. U.S. Credits beziehen sich im Gegensatz zu ECTS vor allem auf die Unterrichtsstunden (Contact Hours), nicht aber auf die Gesamtbelastung der Studierenden.

Tatsächlich sieht das amerikanische Studiensystem vor, dass Studenten ihre Kurse vor- und nachbereiten und in den Vorlesungen und Seminaren aktiv mitarbeiten. Oftmals gilt es nicht nur Hausaufgaben zu erledigen, sondern auch Fachliteratur als Vorbereitung auf die nächste Veranstaltung zu lesen.


Atmosphäre in den Lehr­veran­staltungen in den USA

Internationale Studenten sind an amerikanischen Hochschulen gerne gesehen und sind oftmals begeistert von der persönlichen Atmosphäre in den Seminaren und Vorlesungen.

Für Studenten aus Deutschland ist die lockere Atmosphäre in den Lectures und Seminars oft ein Highlight ihres Auslandssemesters.

Je kleiner die Kursgrößen, umso familiärer geht es in der Regel zu. In den USA ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Professor den Studierenden das Du anbietet. Besonders im Postgraduate-Bereich begegnen sich Professoren und Promotionsstudenten immer häufiger wie gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe.

Amerikanische Dozenten gelten allgemein als hilfsbereit. Viele Professoren nehmen sich Zeit für die Fragen ihrer Kursteilnehmer - und das nicht nur während, sondern auch außerhalb ihrer Sprechzeiten (Office Hours). Auch achten sie bei internationalen Studenten bei der Benotung oftmals weniger auf sprachliche als auf inhaltliche Korrektheit. Zudem erhalten Nicht-Muttersprachler vielfach Unterstützung bei Präsentationen.

Grundsätzlich sind Lehrveranstaltungen in den USA interaktiver als an deutschen Hochschulen. Gruppendiskussionen und -präsentationen sind ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Auch der Austausch zwischen Professoren und Studenten ist erwünscht. Im Vergleich zu Deutschland ist die Lehre stärker praxisorientiert und darauf ausgerichtet, Gelerntes in der Praxis anwenden zu können. Der genaue Aufbau der Kurse hängt allerdings von der Hochschule und dem jeweiligen Dozenten ab.

Betreuungs­situation an amerikanischen Hochschulen

In Sachen Betreuungsverhältnis haben die amerikanischen Universitäten und Colleges die Nase vorn. Insbesondere die Gruppengrößen von Seminaren sind oft sehr klein und bieten optimale Bedingungen zum Studieren. Nicht selten liegt die Teilnehmerzahl bei zehn bis 20 Personen.

Der Betreuung der Studierenden kommt in den USA ein hoher Stellenwert zu. Wer ein Bachelorstudium in den USA absolviert, hat beispielsweise von Beginn an eine Kontaktperson für alle Fragen in akademischen Belangen. Aber auch Semesterstudenten erhalten vielfach Unterstützung von Mitarbeitern des International Office. An einigen Hochschulen gibt es International Student Advisers, die den internationalen Studenten als Ansprechpartner während ihres USA-Aufenthalts dienen. Sie helfen beispielsweise bei Fragen zu speziellen Vorkenntnissen oder zur Kurswahl weiter.


Amerikanische Lehr­veran­staltungen und Unterschiede zu Deutschland

Der große Kulturschock ist während eines Studiums oder Auslandssemesters in den USA nicht zu erwarten. Trotzdem hat sich gezeigt, dass sich Lectures an amerikanischen Hochschulen in mehrfacher Hinsicht von Vorlesungen in Deutschland unterscheiden. Die landespezifischen Besonderheiten von Lehrveranstaltungen in den USA im Überblick:

  • Vor- und Nachbereitungen von Veranstaltungen und aktive Mitarbeit in den Kursen gefordert
  • Mehr Leistungskontrollen während des Semesters
  • Größerer Arbeitsaufwand im Laufe des Semesters, dafür weniger umfangreiche Prüfungsvorbereitungen am Semesterende
  • Langfristigerer Lerneffekt durch Verteilung der Prüfungen auf das gesamte Semester
  • Höhere Interaktivität in den Lehrveranstaltungen
  • Oftmals stärkerer Praxisbezug in den Kursen
  • Häufig hervorragend ausgestattete Räumlichkeiten
  • Persönlicher Umgang mit Professoren und häufig informellere Studienatmosphäre
  • Gutes Betreuungsverhältnis: kleine Gruppengrößen, insbesondere bei Seminaren
  • Vielfach individualisierte Betreuung von Bachelorstudenten