Kulturelle Besonderheiten in Spanien

Zwölf Trauben an Silvester, Dienstag der 13. als Pechtag und Geschenke von den Heiligen Drei Königen. Diese drei spanischen Eigenheiten sind weit weniger bekannt als Flamenco und Stierkampf und doch ein wichtiger Teil der spanischen Kultur. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere kulturelle Besonderheiten in Spanien, über die Ihr Bescheid wissen solltet, wenn ihr ein Auslandsstudium in Spanien absolvieren möchtet.

Ursprünge der spanischen Kultur

Wer für ein Auslandsstudium nach Spanien kommt, kann die kulturellen Besonderheiten des vielfältigen Landes in Südeuropa entdecken.

Die Kultur Spaniens entwickelte sich über Jahrtausende und war immer wieder verschiedenen äußeren Einflüssen unterworfen. Die alten Römer, Westgoten und Mauren drückten dem Land auf der iberischen Halbinsel ihren Stempel auf. Besonders nachhaltig ist wohl das Erbe der Römer. Dieses wird zum einen in der Sprache deutlich: Spanisch, besser gesagt Castellano, ist eine romanische Sprache, die sich aus dem Lateinischen beziehungsweise dem so genannten Vulgärlatein entwickelte. Zum anderen brachten die Römer das Christentum nach Spanien. Auch heute noch gehört ein Großteil der spanischen Bevölkerung der römisch-katholischen Kirche an. Dementsprechend prägt der Katholizismus vielerorts das gesellschaftliche Leben.

Nach den Römern beherrschten die Westgoten einige Jahrhunderte lang große Teile der iberischen Halbinsel. Maurische und arabische Truppen eroberten zu Beginn des 8. Jahrhunderts die Region, die wir heute als Spanien kennen. Die Mauren herrschten dort anschließend mehrere Jahrhunderte lang. Im Rahmen der so genannten Reconquista eroberten christliche Truppen das Land bis zum Jahr 1492 Stück für Stück zurück. Geblieben sind jedoch verschiedene maurische beziehungsweise arabische Einflüsse auf die spanische Kultur. Am offensichtlichsten werden sie in Bauwerken wie der Moschee von Cordoba oder der Alhambra sichtbar. Auch in der spanischen Sprache lassen sich noch Einflüsse feststellen, ebenso wie in der Landesküche.

Spanien wurde nicht nur selbst von auswärtigen Mächten geprägt. Als Kolonialmacht übte es auch selbst kulturellen Einfluss auf verschiedene Gebiete der Erde aus.

Das Land ist nach langer, wechselvoller Geschichte, für die im 20. Jahrhundert besonders der spanische Bürgerkrieg und die darauffolgende Diktatur Francos prägend waren, heute eine parlamentarische Monarchie. Spanischer König ist Felipe VI.

Symbole, Traditionen und Feiertage

Eines der bekanntesten Kulturgüter Spaniens ist der Flamenco.

Bestimmte Dinge sind so untrennbar mit Spanien verbunden, dass sie als Symbole für die spanische Kultur fungieren. Der Flamenco ist so eine Sache. Diese typisch spanische Kunstform ist besonders eng mit der Region Andalusien verbunden. Es gibt drei Formen des Flamenco: Gesang, Instrumentalmusik und, als wohl bekannteste Form, Tanz.

Als weiteres Symbol Spaniens gilt der Stier. Allerdings war der häufig so wahrgenommene Osborne-Stier eigentlich lediglich Werbelogo eines Spirituosenherstellers, hat sich jedoch mehr und mehr als Symbol Spaniens eingebürgert. Das kommt wohl auch nicht von ungefähr, schließlich passt er hervorragend zu einer der bekanntesten spanischen Traditionen: dem Stierkampf. Das mit dem Tod des Stiers endende Spektakel ist sehr umstritten, bisher aber nur auf den Balearen verboten. Ein Verbot von Stierkämpfen in Katalonien wurde wieder aufgehoben. Für die Befürworter von Stierkämpfen sind diese ein wichtiger Teil der kulturellen Identität des Landes, während Kritiker darin vorwiegend Tierquälerei sehen.

Über das Jahr verteilt gibt es auch in Spanien verschiedene religiöse und weltliche Feiertage. Der spanische Nationalfeiertag Dia de la Hispanidad fällt auf den 12. Oktober. Er ist der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus an ebendiesem Datum im Jahre 1492 gewidmet. Dasselbe Ereignis wird übrigens in den USA als Columbus Day zelebriert.

In Spanien werden natürlich auch die hohen Feste des katholischen Kirchenjahres gefeiert. Berühmt ist das Land in diesem Zusammenhang für die so genannte Semana Santa, die Woche vor Ostern. In dieser Zeit finden vielerorts beeindruckende Prozessionen mit christlichen Statuen, mittelalterlichen Gewändern und Fackeln statt. Besonders groß sind solche Prozessionen in Andalusien.


Merkmale der spanischen Kultur

Die Kultur Spaniens hat wie jede Kultur besondere Merkmale, durch die sie Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zu anderen Kulturen aufweist. Kulturelle Besonderheiten können beispielsweise im Umgang der Menschen untereinander bestehen oder im Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft. Kulturelle Unterschiede zwischen einzelnen Ländern können sehr groß sein. Das kann bei Besuchern sogar zu einem regelrechten Kulturschock führen. Zwar ist uns die spanische Kultur näher als andere Kulturen, doch auch sie unterscheidet sich hier und da doch deutlich von der deutschen Kultur.

Zur kulturellen Vorbereitung auf euer Auslandsstudium in Spanien wollen wir euch einen Überblick über wichtige Merkmale der Kultur Spaniens geben.

Umgang mit Zeit

Mañana, mañana? Das Klischee, dass in Spanien alles länger dauert als anderswo, hält sich hartnäckig. Zu Recht? Nun, zumindest lässt sich sagen, dass die so genannten Zeitkulturen Spaniens und Deutschlands sich voneinander unterschieden. Bei Spanien handelt es sich um eine polychrone Kultur. Das heißt, dass es dort üblich ist, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Das steht im Gegensatz zur deutschen Kultur, die man als monochron bezeichnet. Hier gilt normalerweise die Devise: Eins nach dem anderen. Deshalb wird in Deutschland auch mehr Wert auf die Einhaltung von Terminen und Fristen gelegt als in Spanien, wo man, weil man sich ja um mehrere Belange gleichzeitig kümmert, flexibler mit Terminen umgeht oder umgehen muss. Wer mit Spaniern zusammenarbeitet, etwa in Gruppenarbeiten an der Uni, sollte sich dieses Unterschiedes bewusst sein und sich darauf einstellen.

Gerade im Privatleben kommt Pünktlichkeit in Spanien nicht dieselbe Bedeutung zu wie in Deutschland. Die meisten Spanier gehen ihre Freizeit entspannt an und es ist daher auch nicht ungewöhnlich, zu Verabredungen zu spät zu kommen.

Der gesamte Tagesrhythmus ist in Spanien ein bisschen anders als in Deutschland. Frühstück, Mittag- und Abendessen beispielsweise finden jeweils später statt als in Deutschland. Dementsprechend anders sind häufig auch die Ladenöffnungs- und Arbeitszeiten. Ein Grund für den verschobenen Tagesablauf ist, dass Spanien ursprünglich zur Westeuropäischen Zeitzone gehörte. In dieser ist es im Vergleich zur Mitteleuropäischen Zeitzone, in der auch Deutschland liegt, eine Stunde früher. Während der Franco-Diktatur adaptierte Spanien die mitteleuropäische Uhrzeit. Den natürlichen, dem Sonnenauf- und -untergang entsprechenden Tagesrhythmus behielten die Spanier aber bei, sodass es zu den Verschiebungen im Tagesablauf im Vergleich zu Deutschland und anderen Ländern kommen konnte.

Ein weiterer Grund für den abweichenden Tagesablauf ist eine der bekanntesten kulturellen Besonderheiten in Spanien: Die Siesta, die lange Mittagspause von etwa 14 bis 17 Uhr, in der vielfach auch Büros und Geschäfte geschlossen sind. Dadurch verlängert sich der Arbeitstag natürlich entsprechend. Die Siesta stammt noch aus einer Zeit ohne Klimaanlagen: Mittags war es so heiß, dass man nur schwerlich arbeiten konnte und deshalb lange pausierte. Heute ist die Siesta allerdings nicht mehr überall üblich und es gibt immer mehr Bestrebungen, sie abzuschaffen.

Mehrsprachigkeit

Eine der auffälligsten kulturellen Besonderheiten in Spanien ist die Mehrsprachigkeit des Landes. Offizielle Amtssprache ist Spanisch, das zur Abgrenzung zu anderen in Spanien gesprochenen Sprachen auch Castellano genannt wird. Darüber hinaus gibt es in Spanien noch verschiedene Regionalsprachen: Katalanisch (Català), Galicisch (Galego) und Baskisch (Euskara). Baskisch ist die älteste noch aktiv gesprochene Sprache der Welt.

Auch wenn die Regionalsprachen in den entsprechenden Regionen weit verbreitet sind, sprechen fast alle Spanier Spanisch. Es ist sozusagen die gemeinsame Sprache, die in der überregionalen Kommunikation gebräuchlich ist. Auch wer Gebiete mit eigener Sprache besucht, kann sich also in der Regel auf Spanisch verständigen.

Die Regionen mit eigener Sprache verfügen auch über eine starke eigene regionale Identität. Teilweise gibt es sogar Bestrebungen, sich von Spanien abzuspalten und ein eigenständiger Staat zu werden. Insbesondere gilt dies für Katalonien und das Baskenland.

Gemeinschaftssinn

Für viele Spanier ist ihre Familie das Wichtigste. Gerne kommt man in fröhlicher Runde zusammen und genießt ausgiebig die vielen spanischen Köstlichkeiten.

Spanien gilt im Vergleich zu anderen europäischen Kulturen als kollektivistisch. Verglichen mit anderen Kulturen auf der Welt ist Spanien jedoch eine individualistische Kultur. Für unsere Begriffe jedenfalls haben Spanier typischerweise einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn. Es ist ihnen wichtig, sich zu einer sozialen Gruppe zugehörig zu fühlen. Die wichtigste Gemeinschaft ist für Spanier in der Regel die eigene Familie, die häufig auch die eigene Identität mit definiert. Doch auch Freundschaften haben in Spanien eine wichtige Bedeutung.

Im Allgemeinen sind Spanier sehr gesellig und verbringen ihre Zeit gern mit anderen Menschen. Sie sind üblicherweise stets offen und auch zu neuen Bekanntschaften meist überaus freundlich. Lockere Freundschaften entstehen in Spanien recht schnell. Bis sich tiefgreifende Freundschaften entwickeln, dauert es aber länger.


Verhaltenstipps für Spanien

Im alltäglichen Umgang mit anderen Menschen kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Ein unbedachtes Wort etwa, und schon hat man ungewollt sein Gegenüber beleidigt und muss das wieder gerade biegen. Die Gefahr, in ein Fettnäpfchen zu treten, erhöht sich in der Regel, wenn man zu Gast in einem fremden Land ist und die dortigen zwischenmenschlichen Gepflogenheiten nicht kennt. Aber keine Angst, so kompliziert und anders ist Spanien nun auch wieder nicht. Trotzdem sind einige Verhaltenstipps als kulturelle Vorbereitung für das Studium in Spanien sicherlich hilfreich.  

Ein Tipp betrifft die bereits angesprochene Mehrsprachigkeit des Landes: Die Regionalsprachen solltet ihr nicht als Dialekt des Castellano bezeichnen: Ihre Sprecher nehmen sie als eigenständige Sprachen wahr, die ein wichtiger Teil ihrer Identität sind.

Genau wie im Deutschen gibt es auch in Spanien die Anredeformen „Du“ und „Sie“ beziehungsweise „tú“ und „usted“. In Spanien sollte man also die jeweils für den Gesprächspartner angemessene Anrede gebrauchen. Die Formen werden im Wesentlichen wie in der deutschen Sprache verwendet. Das Usted drückt Distanz und Respekt aus, das Tú gebrauchen Sprecher wie auch in Deutschland in der Anrede verwandter oder vertrauter Personen. Wie schnell der Wechsel vom Sie zum Du erfolgt, hängt in Spanien auch von der Region und der sozialen Schicht ab. Jüngere Spanier duzen einander meist von Beginn an. Viele Dozenten in Spanien lassen sich übrigens auch duzen. Um nicht unhöflich zu erscheinen, ist es am besten, abzuwarten, welche Anrede der Gesprächspartner wählt, und sich dem anzupassen.

In Spanien ist es ähnlich wichtig wie in asiatischen Kulturen, sein Gesicht wahren zu können. Viele Spanier sind sehr stolz, deshalb sollte Kritik oder eine Beschwerde nicht in typisch deutscher Direktheit geäußert werden. Der Gesprächspartner könnte dies persönlich nehmen. Es ist deswegen wichtig, den richtigen, Ton zu treffen und sich in solchen Fällen behutsam zu äußern.

Wer mit Besitz oder Erfolgen prahlt, macht sich in Spanien in der Regel schnell unbeliebt. Ein bescheidenes Auftreten finden die meisten Spanier weitaus sympathischer. Ebenso bringt einen Ungeduld in Spanien normalerweise nicht weiter. Auch wenn Dinge länger dauern, sollte man immer geduldig und freundlich bleiben. Ein gewisser Lärmpegel gehört zum Leben in Spanien dazu und ist für viele Einheimische normal. Besucher tun also gut daran, den lauten Alltag in Spanien einfach zu akzeptieren.

Um sich den spanischen Gepflogenheiten anpassen zu können, sollten Ausländer noch folgendes wissen: Freunde begrüßen sich untereinander mit einem angedeuteten Kuss auf beide Wangen, wobei die Lippen diese jedoch nicht berühren. Partys beginnen normalerweise zwischen halb eins und zwei Uhr nachts. Auch ins Restaurant gehen Spanier deutlich später als Deutsche. Die Rechnung wird meist geteilt und in Bars sollte jeder der Gruppe mal ein Getränk austun. Es ist in Spanien übrigens total unüblich, sich in einem Lokal zu Fremden an den Tisch zu setzen, wenn dort noch Plätze frei sind. Wie in Deutschland ist es aber auch in Spanien Gang und Gäbe, Freunde und Verwandte einzuladen und nett zu bewirten.

Auch wenn in Spanien die meiste Zeit die Sonne vom Himmel lacht, gilt es als unpassend, sich abseits des Strandes allzu knapp bekleidet zu zeigen. Es ist verpönt und teilweise sogar verboten, in Bikini oder Badehose durch die Stadt zu flanieren. Besonders Kirchen und andere sakrale Stätten sollten in Spanien nicht unangemessen gekleidet, etwa mit bloßen Schultern, zu kurzen Hosen oder knapp geschnittenen Röcken, besucht werden.

Dos und Don'ts in Spanien im Überblick

Dos Don'ts
Entspannt und geduldig sein Kritik zu direkt formulieren
Bescheidenheit Prahlerei
Geselligkeit Sich im Restaurant zu Fremden an den Tisch setzen
Im Lokal eine Runde ausgeben/die Rechnung teilen Zu früh zur Party erscheinen
„Du“ und „Sie“ bzw. „tú“ und „usted“ im richtigen Kontext verwenden Regionalsprachen als spanische Dialekte bezeichnen

Abseits des Strandes zu leicht bekleidet sein

Sich über Lärm aufregen