Kulturelle Besonder­heiten in Schweden

Die skandinavische Kultur unterschiedet sich auf den ersten Blick in vielen Aspekten von der mitteleuropäischen. Gerade mit Schweden bringen wir Heile-Welt-Begriffe wie den Ort Bullerbü, die Band ABBA, die Speise Köttbullar oder das Getränk Glögg in Verbindung – nicht zu vergessen die beliebte Königsfamilie, deren Leben und Wirken viele Menschen mit Interesse verfolgen.

Aber ist das wirklich schon alles? Was für kulturelle Besonderheiten in Schweden gibt es darüber hinaus? Der folgende Text hilft weiter und zeigt, woraus die heutige schwedische Kultur resultiert und was sie für Merkmale aufweist.

Ursprünge der schwedischen Kultur

Schwedens wechselhafte Geschichte hat die Kultur des Landes stark geprägt.

Zunächst bestand Schweden aus unabhängigen Regionen. Erst um das Jahr 1000 herum bildete sich mit Västergötland und Östergötland ein neues Reich, dessen Führung hart umkämpft war. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewann schließlich der König an Einfluss und nahm die Leitung des Reiches in die Hand.

Im 17. Jahrhundert galt Schweden nach mehreren Kriegen und Landeroberungen als Großmacht. Aber nach und nach verlor das Land an Bedeutung, was nicht zuletzt an mangelnder Wirtschaftskraft lag.

Bis 1905 gab es noch ein fast hundert Jahre währendes Bündnis zwischen Norwegen und Schweden, das friedlich aufgelöst wurde. Etwa seit diesem Zeitpunkt gilt im Land die Devise, keine Allianzen zu bilden und sich im Kriegsfall aus allen Konflikten neutral herauszuhalten. Diese Einstellung prägt die Grundhaltung vieler Schweden bis heute.

Die nordische Mythologie

Die schwedische Kultur ist seit Urzeiten von der nordischen Mythologie oder auch Götterlehre beeinflusst. Im Zuge der Christianisierung Schwedens ab dem 11. Jahrhundert war es ein langwieriger Prozess, das Heidentum mit seiner nordischen Götterlehre aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Wie genau die vorher ausgeübten Kulte und Riten aussahen und wie sie verbreitet waren, lässt sich nicht mehr komplett rekonstruieren.

In der Mythologie geht es, wie auch in vielen Religionen, um den Kampf zwischen Gut und Böse. Aber anders als zum Beispiel im Christentum siegt im Norden nicht das Gute, sondern die Götter gehen unter (ragnarök, „Schicksal der Götter“). Der daraus resultierende Pessimismus spielt in Skandinavien eine dominante Rolle. Allerdings entsteht nach dem Untergang eine neue Welt, was für den Glauben an einen immer wiederkehrenden Zyklus steht.


Merkmale der schwedischen Kultur

Der schwedischen Kultur liegt eine Gelassenheit und Zufriedenheit zugrunde, die in ganz Skandinavien vorherrscht. Im „World Happiness Report 2017“ schafften es alle skandinavischen Länder unter die ersten zehn Plätze.

Eine gute Versorgung, kaum Zukunftsängste und weitgehende finanzielle Sicherheit sind unter anderem Auslöser für dieses Gefühl. Gewisse kulturelle Merkmale lassen sich als Ursachen oder auch Folgen der schwedischen Grundzufriedenheit feststellen.

Work-Life-Balance

Die meisten Schweden legen großen Wert darauf, dass das Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben ausgewogen ist. Nicht der Gedanke, stets der Beste sein zu wollen, steht im Vordergrund, sondern das Voranbringen der gemeinsamen Sache, des Projekts, des jeweiligen Unternehmens.

Dazu trägt auch das fiktive „Gesetz von Jante“ (janteloven) bei, das seinen Ursprung in einem bekannten Roman hat. Es regelt den sozialen Umgang miteinander und besagt vereinfacht ausgedrückt, dass alle Menschen gleich sind und niemand besser oder schlechter behandelt werden sollte als die anderen. Dieses Gesetz kann man allerdings auch negativ auslegen und als Unterdrückung des Individuums sehen.

Mindestens denselben Stellenwert wie die Arbeit nimmt das Privatleben ein. Es wird gehütet und umsorgt, so dass die Schweden daraus neue Kraft schöpfen können. Die allgemein bekannte skandinavische Gemütlichkeit hat ihren Ursprung darin, dass sich die Menschen das Leben in ihren eigenen vier Wänden auch äußerlich so angenehm wie möglich gestalten möchten.

Individualismus vs. Machtdistanz

Einige Merkmale der schwedischen Kultur unterscheiden sich stark von unseren.

Schweden ist aus kultureller Sicht eine Nation von Individualisten. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie zum Beispiel Ecuador oder Südkorea findet hier wenig Gruppenbildung statt. Man kümmert sich hauptsächlich um den engsten Familienkreis.

Das zieht sich durch den gesamten Alltag und lässt sich ganz klar feststellen. Fast wie ein Widerspruch dazu wirkt die geringe Machtdistanz: Vorgesetzte und Mitarbeiter arbeiten zumeist Hand in Hand, duzen sich und kommunizieren direkt miteinander, ohne Formalien zu beachten. Konflikte werden friedlich gelöst und die Vorgesetzten behandeln ihre Angestellten in der Regel als gleichwertig.

Öffentlichkeitsprinzip (offentlighetsprincipen)

Es gibt viele kulturelle Besonderheiten in Schweden, aber einige sind besonders ungewöhnlich. Um zum Beispiel Korruption und Vorteilsnahme vorzubeugen, gilt in Schweden das Öffentlichkeitsprinzip. Das besagt, dass alle Akten und Dokumente bei den Behörden von jedem ohne Angabe von Gründen eingesehen werden dürfen. Es gibt nur wenige Ausnahmen, darunter fallen zum Beispiel Krankenakten.

Für viele Schweden ist dieses Prinzip, das bereits seit 1766 in der Verfassung festgelegt ist, für die Demokratie unerlässlich. Durch diese Transparenz wird Vertrauen geschaffen, und tatsächlich ist der Korruptionsindex des Landes niedrig.

Geselligkeit

Trotz aller eigenbrötlerischen Tendenzen feiern die Schweden gerne. Im Vordergrund steht dabei natürlich die Geselligkeit, aber auch das Essen nimmt einen großen Stellenwert ein: Zimtschnecken (kanelbullar), Elchfleisch, Krabben und natürlich Fisch wie Hering oder Lachs dürfen dabei nicht fehlen. Schwedische Gerichte sind in der Regel einfach zuzubereiten und gut sättigend.

Die Schweden sind bekannt für ihre Kaffeepausen (fika), in denen sie sich zusammensetzen und erzählen. Kaffee ist überhaupt ein wichtiger Bestandteil im schwedischen Alltag, denn pro Kopf trinkt jeder am Tag vier Tassen davon. Aber auch alkoholische Getränke stehen auf der Beliebtheitsskala weit oben, obwohl sie in Skandinavien recht teuer sind.

Feiertage, Feste und Traditionen

Die wichtigsten Feste im schwedischen Kalender sind Weihnachten und Mittsommer. An diesen Terminen steht das ganze Land still, denn alle genießen die Geselligkeit, essen und trinken gemeinsam und freuen sich ihres Lebens. Mit dem tjugondag knut am 13. Januar endet die Weihnachtszeit. Einige Schweden laden an diesem Tag zur Weihnachtsbaumplünderung ein.

Ostern (påsk) wird ebenfalls ausgiebig in Schweden gefeiert. Um den Frühling zu begrüßen, gibt es am 30. April den valborgsmässoafton mit Lagerfeuer und Frühlingsliedern. Besonders in Studentenstädten wird die Gelegenheit zum Feiern kräftig genutzt.

Der 6. Juni sollte für ganz Schweden ein besonderer Tag sein, denn dann wird der Nationalfeiertag (svenska flaggans dag) begangen. Aber obwohl es sich um einen gesetzlichen Feiertag handelt, wird er von den Schweden als eher unbedeutend empfunden.

Ende Juni folgt das Mittsommerfest (midsommarfest), das heftig gefeiert wird. Diese Tradition reicht über Ewigkeiten zurück bis hin zu den Sommersonnenwendfeiern. Das ganze Land befindet sich im Ausnahmezustand.

Wenn im August die ersten frischen Krebse verkauft werden, wird vielerorts ein Krebsfest (kräftskiva) veranstaltet. Dafür gibt es keinen feststehenden Termin.

Das letzte Fest vor Weihnachten ist das Luciafest am 13. Dezember. An diesem Tag zieht die älteste Tochter der Familie ein weißes Kleid an und trägt einen Lichterkranz auf dem Kopf. Sie serviert der Familie das Frühstück. Im ganzen Land sind Luciazüge unterwegs. Sie bestehen aus jungen Menschen, die traditionelle Lieder der Vorweihnachtszeit singen. Zu diesem Brauch gehört auch das Essen eines mit Safran gelb gefärbten Hefegebäcks (lussekatter).


Verhaltenstipps für Schweden

Zwar sind Schweden in den meisten Fällen offen und freundlich, aber dennoch sollte man nicht allzu schwungvoll auf sie zugehen, denn das kann schnell als aufdringlich aufgefasst werden. So gilt zu langer Augenkontakt zum Beispiel bereits als unangenehmes Starren.

Viele Schweden versuchen auf Biegen und Brechen, Konflikten auszuweichen. Eine Zustimmung während des Gesprächs muss daher nicht unbedingt als solche gemeint sein, denn das schwedische „ja“ gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Je nach Aussprache bedeutet es inoffiziell auch „hm, vielleicht…“ oder manchmal sogar „nein, muss nicht sein“.

Im Smalltalk vermeiden die meisten Schweden schwierige Themen wie Politik oder Finanzen. Diese besprechen sie eher mit engeren Freunden. Gute Aufhänger für ein nettes Gespräch sind zum Beispiel Urlaub, das Wetter, die letzte Feier und so weiter – Hauptsache das Gespräch bleibt auf einer positiven, unverbindlichen Ebene.

Das Wort „lagom“ bezeichnet die Einstellung vieler Schweden gegenüber fast allem. Es lässt sich nicht übersetzen, bedeutet aber soviel wie „gerade richtig, nicht zu viel, nicht zu wenig“.


Dos and Don’ts in Schweden im Überblick

Dos Don’ts
Schuhe in fremden Wohnungen an der Eingangstür ausziehen Menschen mit ihrem Nachnamen ansprechen und siezen
Blumensträußen vor dem Überreichen die Verpackung entfernen In der Öffentlichkeit laut reden oder schreien
Im Smalltalk unverfängliche Themen aufgreifen Besserwisserisch / angeberisch auftreten
Beim Trinkgeld nicht übertreiben In einer Warteschlange ungeduldig werden
Parfüm sparsam verwenden Zu lange Augenkontakt halten
Abstand zu Fremden einhalten Unpünktlich sein