11 Mai 2015
Auslandssemester mit Familie

Free Mover Florian studiert mit Kind und Kegel

Die "Lautis" on Tour

Florian Lautermann verbringt seit Januar 2015 sein Auslandssemester an der San Diego State University (SDSU) - aber nicht alleine. Seine Frau Michaela und seine zwei Kinder Joshua und Julius sind auch mit dabei. Im Interview erzählt der 34-Jährige, wie sich Studium, Schule, Kindergarten und Privatleben unter einen Hut bringen lassen und worauf es bei der Organisation eines Auslandssemesters mit Kind ankommt.

College Contact: Florian, seit Anfang des Jahres absolvierst du dein Auslandssemester an der San Diego State University. Deine Frau und deine zwei Söhne sind mit dir in die USA gekommen. Wie kamt ihr auf die Idee, als Familie gemeinsam in die USA zu gehen?

Florian: Ich war bislang zweimal längere Zeit alleine unterwegs, zum einen bei der Bundeswehr, zum anderen für eine Sprachreise von vier Wochen. Mit Kindern ist es immer schlecht zu vereinbaren, wenn ein Partner in der Beziehung weg ist. Dann kann der andere schlecht arbeiten und die Kinderbetreuung ist schwer zu gewährleisten. Von daher haben wir von Grund auf gesagt, wenn sowas nochmal aufkommt, dann gehen wir immer zusammen.

College Contact: Ein Auslandssemester muss gut geplant sein. Mit Partner und Kind ist der Organisationsaufwand noch wesentlich größer. Die Kinderbetreuung muss geklärt werden, es gilt eine passende Unterkunft für die Familie zu finden,… Wo fängt man bei der Planung an und wie viel Vorlaufzeit ist nötig?

Florian: Mein Studiengang erfordert ein Auslandssemester. Ohne das zu machen, kann man das Studium nicht ablegen. Von daher stand grundsätzlich die Frage im Raum: Was machen wir mit dem Auslandssemester? Das ist jetzt bei mir im sechsten Semester, also hatten wir schon etwas Zeit zum Überlegen, wo wir hinwollen.
Von uns aus stand dann fest, dass es die USA sein sollen. Letztendlich haben wir angefangen uns zu fragen, was gewährleistet sein muss. Das ist zuallererst die Schulversorgung für unseren Sohnemann, der schulpflichtig ist. Ohne Schulplatz kein Auslandssemester. Also haben wir nach Schulen geschaut. Das hatte schon einen Vorlauf von 1 ½ Jahren.
Nachdem wir im März letzten Jahres die Zustimmung von der Schule bekommen haben, sind wir dann in die Planung für das Auslandssemester gegangen: also die Bewerbung für die SDSU bei euch, Flüge buchen, Koffer kaufen, eine passende Krankenversicherung, Betreuung,… Das waren alles Sachen, die dann aufgekommen sind.

College Contact: Du hast es schon angesprochen: Ohne einen Kindergarten- oder Schulplatz lässt sich ein Auslandssemester mit Kind nicht realisieren und Joshua ist ja schon schulpflichtig. Wie habt ihr das Problem gelöst und was war ausschlaggebend für eure Entscheidung?

Florian: Wir haben gesagt, Joshua soll auf eine Schule gehen, wo er auf jeden Fall mitkommt. Ihn ins kalte Wasser zu schmeißen, wäre nicht die beste Variante gewesen. Also dass Joshua, der nur mit Deutsch aufgewachsen ist, auf eine amerikanische Schule gehen würde.
Von daher haben wir über das Deutsche Konsulat und durch einen wirklich langen Research im Internet Alternativen gefunden, wie Privatschulen, Privatlehrer und eben auch die Albert Einstein Academy. Und die hat ein super Modell aufgestellt. Es ist eine bilinguale Schule. Der Stoff, der gelehrt wird, läuft weiter, aber Woche für Woche wechselt die Sprache. Die amerikanischen Kinder werden dazu angehalten, in der einen Woche Deutsch zu lernen und die deutschsprechenden Kinder werden angelernt, in der anderen Woche Englisch zu lernen. Das finde ich einfach super klasse.

College Contact: Viele Studierende mit Kind machen sich Sorgen, dass sie beim Studium nicht mit den Kommilitonen mithalten können, wenn noch ein Kind zu Hause wartet. Welchen Rat kannst du Studierenden geben, die über ein Auslandssemester mit Kind nachdenken?

Florian: Vom Grund auf kann ich sagen: Probiere nicht mitzuhalten, wenn es in Richtung Party oder anderer Aktivitäten geht. Manche Studenten fahren ins Ausland, treffen sich in den Hostels und machen Wohngemeinschaften auf. Wir konnten nicht einfach in ein Wohnheim gehen und mussten den Weg direkt anders ziehen, um eine Wohnung zu finden. Dadurch kommt man in diese Communities gar nicht richtig rein. Das ist eine Sache, die man akzeptieren muss.
Drei, vier Mal im Monat mache ich mit anderen Kommilitonen abends etwas, aber man darf die Erwartung an sich selber nicht zu hochschrauben. Und dann muss man eben auch gucken, dass man im fremden Land eine Vertrauensperson findet, die auf die Kinder aufpasst, wenn man mit dem Partner weggehen möchte.

College Contact: Du sagst es selbst: Als Student ohne Kind ist es wesentlich unkomplizierter eine Unterkunft im Ausland zu finden. Viele Studenten gehen erst vor Ort auf Wohnungssuche und schauen, was sich ergibt. Bei euch ging das nicht so leicht. Wie einfach war es, eine Wohnung mit Kind zu finden?

Florian: Die Wohnungssuche war anstrengend. Wir haben alle Szenarien durchgespielt. Szenario 1: eine komplette Einheit im Studentenheim anmieten. Aber das Problem mit Kindern im Studentenheim ist, dass überall andere Mitstudenten sind, die oft in der Woche Party machen. Das ist nicht unbedingt das Umgebungsfeld, in das Kinder gut reinpassen.
Das andere Szenario war dann, eine Wohnung zu finden – entweder unmöbliert oder möbliert. Unmöbliert macht aufgrund des Zeitfaktors keinen Sinn. Also mussten wir irgendetwas Möbliertes suchen. Wir haben uns auf vielen Internetportalen umgeschaut und sind dann bei meinem Favourite, Airbnb, gelandet. Da bieten lokale Gastgeber ihre Wohnungen an. Ich habe länger mit ihnen hin- und hergeschrieben, Preise verhandelt und schon Ende Juni / Juli 2014 den Mietvertrag abgeschlossen.
Also es war alles ziemlich langfristig geplant. Ich wollte mich nicht darauf einlassen, dass ich hier im Januar diesen Jahres aufschlage und dann gucken muss, wohin denn jetzt?

College Contact: Bei der Planung spielt immer auch die Frage nach der Finanzierung eine wichtige Rolle. Für viele Studenten ist es ein echtes Problem, das nötige Geld für einen Auslandsaufenthalt aufzubringen. Wie habt ihr die Finanzierungsfrage geklärt? Konntet ihr Fördermöglichkeiten für euch finden?

Florian: Dadurch, dass ich bei der Bundeswehr gewesen bin, standen mir per Gesetz Förderungen zur Weiterbildung zu. Das nennt sich dann der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr. Die haben einen gewissen Teil bezuschusst. Klar, um das zu realisieren, sind auch immense Summen aus Eigenkapitel oder Ersparnissen von mir da reingeflossen.
BAföG fiel bei mir flach, weil ich zu alt bin. Das geht glaube ich nur bis 30 oder 32. Es gäbe zwar Sonderregelungen, wenn es die erste Ausbildung wäre. Aber dadurch, dass ich bei der Bundeswehr schon Förderungen genieße, fällt das beim BAföG direkt wieder raus. Da hat sich die Anstrengung gar nicht gelohnt, es zu beantragen. Ich habe aber viele Beiträge darüber gelesen, dass die Leute zu nachlässig mit der Möglichkeit eines Stipendiums umgehen. Da ich aber schon etwas Förderung bekommen habe, habe ich gar nicht weiter in diese Richtung recherchiert.

College Contact: Du hast vorhin gesagt, dass es für euch als Familie im Ausland kaum möglich ist, Anschluss an die Studenten-Communities zu finden. Stattdessen müsst ihr jeden Tag Studium, Familienleben, Schule und Kindergarten unter einen Hut bringen. Wie macht ihr das?

Florian: Das sind einfach Absprachen und Koordination. Es gibt einen grundsätzlichen Stundenplan, der mal mit einem Examen ein bisschen verzerrt wird, weil ich mich dann vor Ort in Ruhe vorbereiten möchte. Da muss man sich absprechen.
Ein gewisser Stressfaktor für die Familie sind aber eher andere Fächer, wo Gruppenarbeiten involviert sind. Im Gegensatz zu anderen Studenten, die relativ flexibel sind und sich einfach um 20 Uhr abends treffen, sage ich dann, dass das bei mir nicht so einfach geht. Da müssen Lösungen gefunden werden, die beide Seiten zufriedenstellen. Dann hakt es auch ein bisschen zwischen mir und meiner Frau, wenn ich noch in der Uni sitze und sagen muss, dass es noch zwei, drei Stunden länger dauert. Klar ist dann der eine frustriert. Aber das sind die Komplikationen, die man in Kauf nehmen muss, glaube ich.

College Contact: Gibt es an der SDSU noch mehr Studenten mit Kind oder bist du da doch eher die Ausnahme?

Florian: Ich würde sagen, unter den Auslandsstudenten bin ich der Exot. An der Uni selber sehe ich auch einige amerikanische Studenten mit Kindern über den Campus laufen. Die Amerikaner praktizieren das Studieren aber ganz anders als wir. Die haben zwei, drei Jobs in der Woche und studieren die komplette Nacht durch. Das finde ich erstaunlich, wenn ich stellenweise nachts Sachen in der Uni erarbeite und dann noch so viele Leute in der Uni sitzen sehe, die am Studieren sind. Die arbeiten den ganzen Tag und haben teilweise auch Kinder.

College Contact: Gab es in der Planungsphase auch mal einen Zwischenfall, mit dem ihr nicht gerechnet habt und wo ihr überlegen musstet, wie ihr das Problem lösen könnt?

Florian: Da kann ich nur zustimmen. Das Schuljahr von Joshua hier in den Vereinigten Staaten hätte eigentlich Ende August angefangen. Während der ganzen Bewerbungs- und Lotteriephase, die man in der Schule durchlaufen muss, habe ich immer erwähnt: Liebe Leute, denkt daran, wir kommen erst am 1.1. Als die für sich festgestellt haben, dass der Schüler gar nicht zum Anfang des Schuljahres kommt, haben sie mir abends eine E-Mail geschrieben. Darin stand dann, dass sie uns unter den Voraussetzungen den Schulplatz nicht zubilligen können.
In derselben Nacht habe ich noch eine E-Mail von 1 ½ Seiten geschrieben und ihnen klargemacht, wie viel Geld wir schon investiert haben. Da waren die Flüge schon gebucht und der Mietvertrag unterschrieben. Nach drei Tagen kam zum Glück die Antwort, dass wir am 1.1. vorbeikommen sollen und dann eine Lösung gefunden wird. Also mit solchen Schockerlebnissen muss man auch rechnen. Wenn man da nicht auf den Tisch haut und sagt, dass man sich so nicht behandeln lässt, dann hätte das wohl in einem Fiasko geendet.

College Contact: Das ist ja zum Glück nochmal gut gegangen und seit eurer Ankunft in den USA habt ihr viel erlebt. Was war bislang euer tollstes Erlebnis?

Florian: Ich könnte eine lustige Geschichte ausgraben. Ich habe den örtlichen Radiosender angeschrieben, den wir immer morgens im Auto hören. Dem habe ich erzählt, dass ich Auslandsstudent bin, meine Kinder dabeihabe und ihnen die Kultur näherbringen möchte. Über Facebook habe ich geschrieben, dass wir sie gerne mal besuchen kommen würden, um zu sehen, wie ein Radiostudio funktioniert. Zwei Stunden später hatte ich die Antwort vom Programmleiter: Ja, kommt doch einfach vorbei. Dann haben wir ein paar Tage später eine komplette Führung durch den Sender bekommen.
Ich für meinen Teil kann nur sagen: Wer nicht fragt, der nicht gewinnt. Es ist wirklich so.

College Contact: Zum Abschluss noch eine Einschätzung von dir: Du kannst in den USA zwar nicht am typischen Studentenleben teilhaben. Hat es für dich trotzdem mehr Vor- als Nachteile, dass du zusammen mit deiner Familie im Ausland bist?

Florian: Da ich mir über die Nachteile im Vorhinein schon klar war und ich es von meinem Studium zu Hause kenne, dass ich nicht 100%ig mitziehen kann, war meine Erwartungshaltung kleiner. Ich genieße es wirklich, meinen Kindern hier eine ganz andere Kultur nahezubringen und super viele Ausflüge zu machen. Von daher überwiegen die positiven Dinge. Es ist einfach ein Erlebnis. Das macht vielleicht einer aus einer Million in Deutschland. Also es ist nicht vergleichbar.
Ich kann nur jedem den Tipp geben, der ins Auslandssemester geht – und das betrifft auch generell andere Studenten: Fangt nicht zu spät an zu reisen. Nicht erst, wenn das Semester vorbei ist und ihr noch zwei Wochen da seid. Dann wird man nichts schaffen. Am Ende hat man so viel Stress, dass man die Sachen gar nicht genießen kann.

College Contact: Vielen Dank für das Interview, Florian. Wir wünschen euch noch eine schöne Zeit im sonnigen Kalifornien!