20 Feb
Erfahrungsbericht von Tim P.

Riga Stradins University

Stadt: Riga
Land: Lettland
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Humanmedizin
Studientyp: Sonstige Studiengänge
Zeitraum: 09/2013 bis 11/2019

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Seit Ende August 2013 lebe ich jetzt in Riga und studiere hier Medizin an der Stradins University. Das Wichtigste vorweg: ich fühle mich hier wohl!

Die Entscheidungsfindung

Ursprünglich wollte ich, wie die meisten, Medizin in Deutschland studieren, doch da hat mir die Stiftung hochschulstart.de einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Gespräch mit meiner Familie kam das Thema Ausland zur Sprache, was ich bis dahin noch gar nicht bedacht hatte. Eine kurze Recherche ergab nicht besonders viele Möglichkeiten: die meisten Länder verlangten eine dritte Naturwissenschaft oder ähnliches im Abitur. Zwangsläufig landete der Fokus auf Osteuropa. Da ich bilingual zur Schule gegangen bin und schon seit der 5. Klasse irgendwann mal auf Englisch studieren wollte, suchte ich nach englischsprachigen Studiengängen. Hierbei half mir die Website von College Contact entscheidend weiter. Ich entschied mich für Riga. Eine Stadt, von der ich bis zu diesem Zeitpunkt absolut nichts wusste. Ich musste sogar Lettland erstmal auf der Karte suchen! Die Entscheidung zwischen RSU und LU (Latvijas Universitate) fiel nach einem Informationsnachmittag bei College Contact in Münster und aufgrund der Erfahrungsberichte im Internet zugunsten der RSU. Und ich muss sagen, ich habe es nicht bereut!

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Die Website der Uni ist sehr übersichtlich und informativ gestaltet und auch College Contact half mir super bei der Bewerbung! Großes Lob und ein dickes Dankeschön hierbei an Frau Kutzler! Als dann die Zusage per Mail kam, wusste ich erst nicht so recht, ob ich mich freuen soll oder nicht. Schließlich würde ich ins Ausland gehen; ein Gedanke der mir erst dann richtig bewusst wurde. Die Nachricht „Hey, ich habe einen Studienplatz für Medizin! In Lettland.“ stieß auf Verwirrung und interessante Gesichtszüge bei meinen Freunden, denn auch von denen wusste niemand, wo denn dieses Lettland liegt. Bei meinen Großeltern sah das schon anders aus, denn wenn man mal ein bisschen nachforscht, so findet man heraus, dass jeder irgendwen kennt, der schon mal in Riga war!
Mit zwei großen Koffern und einem One-Way-Ticket ging es dann nach Riga.


Ankunft

Im Vorfeld hatte ich mich für einen Monat im Best-Hotel eingebucht und auch mich für den kostenlosen Transfer dahin von der Uni angemeldet. Sowieso war das International Office der Uni sehr bemüht, die Ankunft für uns alle so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Bereits am Start-Flughafen traf ich den ersten zukünftigen Kommilitonen und im Terminal in Riga sollten es dann noch viel mehr werden! Der erste Eindruck: das ist ja gar nicht so anders hier als in Deutschland und die Leute ticken alle so wie du selbst! Ich habe mich also von Anfang an hier wohlgefühlt.
Am folgenden Tag startete die Orientation Week, eine Woche voller Spaßveranstaltungen (Schnitzeljagd, Paintball, Ausflug zu einem Schloss), die dafür gedacht war, uns den Einstieg so einfach wie möglich zu machen und die ersten Kontakte zu knüpfen.
Auch wenn mir am Anfang etwas mulmig zumute war (ich war schließlich 1300km von zuhause entfernt! Und das ganz alleine in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht sprach...), so lenken sich doch alle gegenseitig ab, denn allen geht es ähnlich.


Endlich Studieren

Das Studium an der RSU ist grundsätzlich anders als das an deutschen Unis. Hier bestimmen nicht Vorlesungen den Stundenplan, sondern sogenannte classes, also Unterrichtsstunden in Kleingruppen. Man ist von Anfang an in einer studygroup aus ca 10 Studenten, mit denen man fortan zusammen das Studium bestreitet. Das ganze ist schulähnlich aufgebaut, inklusiver regemäßiger kleiner Tests und Leistungsüberprüfungen. Auch die Vorlesungen sind überschaubarer als in Deutschland: statt mit 400 sitzt man mit 200 Studenten in einem Hörsaal, was schon einiges ausmacht.
Das ganze Studium ist intimer, die Professoren sprechen die Studenten mit Namen an; man ist Mensch und nicht einer von vielen hier in Riga. Das hat natürlich auch „Nachteile“: faulenzen geht hier nicht so gut, denn es fällt sofort auf, wenn man als einziger von 10 Leuten seine Aufgaben nicht gemacht hat... Andererseits wird man hier zum Lernen „gezwungen“ und hat somit auch seinen Stoff drauf. Das erleichtert auch das Wiederholen für das Examen am Ende des Semesters, denn man hat nicht einen riesen Berg zu bewältigen, sondern alles schon mal gekonnt. Ich würde nicht behaupten, dass die Ausbildung hier schlechter ist als in Deutschland, sogar im Gegenteil! Ich kann mir vorstellen, dass bei einem Wechsel zurück nach Deutschland (ist nach dem 4. Semester, also dem Physikumequivalent, möglich), man fitter in beispielsweise Anatomie ist als mancher deutscher Student.

Das erste Semester ist, rückblickend, relativ entspannt, nimmt man den Einstieg (sofern man vorher noch nicht studiert hat, wie in meinem Fall) und die Examensphase raus. In diesen Zeiten kann man schon mal an der Stoffmenge verzweifeln, aber wenn man einmal den Dreh ‘raus hat, geht es von selbst. Bitte nicht vertun: Medizin studiert sich nicht von alleine, man muss sehr viel Zeit für dieses Fach (insbesondere Anatomie und Molekularbiologie!) aufbringen, aber das weiß sicher jeder, der diesen Studiengang in Betracht zieht. Aber auch wenn man mal verzweifelt, da alle hier im gleichen Boot sitzen, hilft man sich gegenseitig. Das ist das Schöne an dieser Uni: die wenigsten kommen direkt nach dem Abitur hierhin, fast alle haben es zuerst in Deutschland probiert und sind dann hierhin ausgewichen. Es gibt keinen Konkurrenzkampf und die internationale Konstellation lockert das Klima zusätzlich auf!
Sprachlich ist das Studium für jeden zu schaffen, der Englisch in der Schule mit guten Noten abgeschlossen hat. Manchmal ist es etwas schwierig, die Professoren zu verstehen, denn viele sprechen nicht das beste Englisch. Allerdings darf man nicht vergessen, da Englisch von den wenigsten hier (Studenten und Dozenten) die Muttersprache ist. Alles in allem klappt die Verständigung aber mit jedem gut!
Eine Besonderheit der Uni sei noch genannt: das Anatomicum. Ein Gebäude abseits der eigentlichen Uni, das sich nur der Anatomie widmet. Hier finden die Anatomiestunden, das Präparieren und ein großer Teil der Freizeit im ersten Semester statt. Denn hier kann man sich tagsüber anatomische Präparate wie Knochen ausleihen und in Ruhe mit diesen lernen.


Leben in Riga

Riga ist nicht viel anders als jede beliebige deutsche Großstadt. Mit rund 700.000 Einwohnern ist Riga keine Provinz, fühlt sich aber auch nicht so riesig an wie z.B. Köln oder Berlin. Das meiste spielt sich im Zentrum und der Altstadt ab und hier kann man in maximal 20 Minuten zu Fuß alles erreichen. Ansonsten gibt es ein ausgezeichnet funktionierendes Nahverkehrssystem, das für Studenten auch nicht teuer ist.
Generell ist Riga sehr westlich eingestellt: man kommt hier mit Englisch überall gut durch, es gibt deutsche Lebensmittel, man kann inzwischen mit dem Euro bezahlen und man wird als Ausländer auch nicht abfällig behandelt. Auf den ersten Blick mögen die Letten ein unfreundliches Volk sein, aber das täuscht! Mit der Zeit weiß man, dass die Leute hier nur selten lachen, einem das Wechselgeld im Supermarkt nur sehr ungern in die Hand geben und in der Bahn schweigen. Letten sind freundlich, allerdings auf eine ehrliche bodenständige Art und Weise. Und wenn man sich dessen anpasst, dann wird man hier auch nicht komisch von der Seite angesehen. ;-)

Ich persönlich finde Riga wunderschön, ich wohne gerne hier! Gerade um die Altstadt herum sind viele Häuser im Jugendstil gehalten. Auch wenn viele dringend renoviert werden müssten, so macht doch gerade das den Flair der Stadt aus. Sie wirkt einfach nicht so groß, wie sie ist. Und wenn man eine der tollen Altbauwohnungen im Zentrum ergattert, freut man sich auch jeden Tag, wieder heim zu kommen.
Verhungern muss man nicht, preislich ist Riga mit Deutschland gut vergleichbar. Mache Artikel sind teuer hier als in der Heimat, das liegt aber an der Tatsache, dass vieles importiert wird. Allerdings gibt es immer die ein oder andere Sache, die einem fehlt. Ich suche seit einem halben Jahr nach Apfelmus mit Stücken!

Das Studentenleben (sprich Feiern) kommt garantiert nicht zu kurz: es gibt genügend Möglichkeiten in der Altstadt und drum herum und eigentlich jeden Tag ist irgendwo etwas los.


Nützliches

  • im Vorfeld besorgen und mitbringen: 2 weiße Laborkittel, Anatomieatlas (Sobotta kristallisiert sich irgendwann als go-to heraus), Schreiben der Krankenversicherung auf Englisch, Warme Kleidung (im Winter wird es SEHR kalt, -20° sind spielend drin), Interesse und Spaß
  • man bekommt ein e-ticket für den Nahverkehr von der Uni, dort sind 50% Rabatt einprogrammiert, man kann diese Karte am Automaten oder jedem Kiosk aufladen
  • sich auf Facebook in allen möglichen RSU, Medizin und Riga Gruppen einschreiben und dort aktiv sein!
  • Kontakt zu höheren Semestern suchen, die helfen immer gerne weiter!
  • keine Angst haben, hier gibt es Zivilisation! Inklusive Internet, Strom und fließend Wasser ;-) Man landet nicht am Ende der Welt
  • sobald man hier ist und anfängt zu studieren: von Anfang an mitlernen, mach es hinterher einfacher
  • Ferien sind kurz und rar. Die einzigen Semesterferien sind im Sommer, deutsche Verhältnisse gibt es hier nicht
  • bei Fragen definitiv fragen!!! Die besten Ansprechpartner sind: College Contact, das International Office der RSU und sonst einfach Studenten über Facebook anschreiben. Wir beißen nicht! ;-)

Das Studium macht mir persönlich sehr viel Spaß und ich freue mich auch auf den Rest!
Ich möchte diese Universität jedem wärmstens empfehlen, der es in Betracht zieht, im Ausland auf Englisch Medizin zu studieren!