15 Mär
Erfahrungsbericht von Marie Friederike U.

Riga Stradins University

Stadt: Riga
Land: Lettland
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Humanmedizin
Studientyp: Sonstige Studiengänge
Zeitraum: 09/2011 bis 08/2017

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Begonnen hat alles mit einem angestauten Gefühl von Frust- Frust darüber, dass es immer noch nicht losgehen kann mit dem Medizinstudium. Und großer Unsicherheit hinsichtlich des „wann“... man hört sich um, lässt sich von jedem Möglichen beraten (alle wissen es besser, aber keiner wirklich) und durchforstet
das Internet. Da werde auch ich fündig und es tut sich eine Alternative auf: Riga!
Eigentlich unglaublich, dass da vielleicht noch ein Türchen offen steht für jemanden, der von ganzem Herzen Arzt werden möchte. Riga- eigentlich aber auch viel zu weit weg und unbekannt. Dennoch- man will
nichts unversucht lassen. Die Bewerbung ist im Vergleich zu den Anforderungen anderer ausländischer Universitäten mit z.B. Zusatzkursen für Prüfungen durchaus machbar. Und bei jeder auch noch so kleinen Schwierigkeit ist college contact da und hilft. So warte ich also den Sommer 2011 auf das Ergebnis und weiß nicht, ob ich mich freuen soll, oder nicht, als ich die Zusage in den Händen halte. Alles scheint noch viel zu unwirklich und doch weiß ich, dass Riga die einzige Chance bietet, im nächsten Semester mit dem Medizinstudium zu beginnen. Ich sage zu. Und nehme mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Abschied von meiner Heimart.

Die erste Woche in Riga ist spannend und man ist überwältigt von all den Menschen, die man kennenlernt, der fremden Stadt, die sich einem noch gar nicht erschließen konnte, so kontrastreich wirkt sie, der Sprache, oder besser gesagt den Sprachen... denn da wird ja nicht nur lettisch gesprochen, oder deutsch.
Sondern natürlich auch noch schwedisch, norwegisch, finnisch, russisch, niederländisch und für alle geltend englisch. Wie gut, dass es da nett organisierte Aktionen und Ausflüge von der Uni gibt, die die
Gemeinschaft und das Kennenlernen noch unterstützen.
Und dann geht die Uni auch schon los.
Vorlesungen, Seminare - nicht anders als in Deutschland auch. Jedoch ganz im Gegensatz zu Deutschland gibt es die Kleingruppen, in denen man die Kurse absolviert. Zu neunt, zehnt oder elft kann man so ganz anders am Kurs teilhaben, hat ein persönlicheres Verhältnis zu den Professoren und hat immer den Halt der
Gruppe. Das ist eine große Hilfe. Ob es ums Lernen geht, Organisatorisches oder Menschliches. Ein Gefühl von „Wir schaffen das gemeinsam“ kommt in einem vertrauten, weil kleinen Verband viel eher auf, als würde es dieses Privileg der Kleingruppe nicht geben. Konkurrenzgefühl ist hier eher selten. Schließlich sitzen wir alle im selben Boot, haben uns alle mal in einer Lage befunden, die uns nach Riga geführt hat.

Ins selbstgewählte und wirklich ziemlich gut annehmbare NC-Exil. Zu Beginn stehen Fächer wie Anatomie, Chemie, Physik und Molekularbiologie ganz oben auf dem Plan für das erste Semester. Aber auch Fächer wie Latein, Ethik und Lettisch stehen auf dem Programm und auch wenn einem das Gleichgewicht der Stundenverteilung vielleicht manchmal komisch vorkommen mag- Lettisch ist wichtig. Zwar können viele junge Letten ziemlich gut Englisch und oft auch Deutsch (man sollte nicht vergessen, dass wir oft verstanden werden, während wir uns im Ausland fühlen), aber wenn man sich für das Land und seine Menschen interessiert und den Kreis der Randgruppe „Internationale Medizinstudenten“ durchbrechen möchte, ist Sprachkenntnis natürlich geradezu eine Bedingung. Dennoch haben die Lehrer Verständnis dafür, dass andere Fächer eine höhere Priorität haben und daher fällt der Lettischunterricht oft eher spaßig aus.

Zu den Fächern: was im ersten Semester noch relativ entspannt ist, ist wohl zum Einstieg gedacht. Ab dem zweiten Semester zieht es richtig an- nichts da mit faulem Studentenleben. Das hier ist ein Medizinstudium. Wöchentliche Tests, Kolloquien, Examen- die Universität drängt einen zum regelmäßigen Lernen. Für viele zu Entspannte ein großer Vorteil, da die böse Überraschung nicht erst nach zwei Jahren kommen kann. Die meines Erachtens in Deutschland schlechte Verteilung ist hier „Häppchen“-haft auf die Semester aufgeteilt. Trotz des Unterschiedes gab es aber bislang keine Probleme mit der Anerkennung des Physikums in
Deutschland. Allerdings bleibt es die Aufgabe der Studenten dieses kontinuierlich im Auge zu behalten und das Kursangebot zu vergleichen. Zur Zeit gibt es zwei Fächer, bei denen Zusatzkurse gebucht werden müssen, welche die Uni jedoch bereit ist zu stellen. Natürlich müssen diese Kurse zusätzlich bezahlt
werden.

Nachdem man dann also die erste spannende Phase nach zwei bis drei Wochen hinter sich hat, ist bei den meisten die Frage nach der Wohnungsfindung sehr groß. In Riga gibt es wunderschöne Wohnungen. Man staunt, in was für hübschen 4-Wänden so mancher Mitstudent sein neues Zuhause gefunden hat. Stuck an der Decke, große hohe Räume, Kamin... das ist keine Seltenheit. Allerdings hat das auch seinen Preis, auch wenn das in Deutschland wahrscheinlich undenkbar für einen Studenten wäre. Und man vergisst all zu leicht, dass es der lettische Winter faustdick hinter den Ohren hat. Die Zeit des Heizens ist lang und das Öl teuer. So sollte man realistisch und vorausschauend sein. Und außerdem auch ein wenig aufmerksamer sein als gewöhnlich, damit man nicht von vornherein zu viel zahlt, denn natürlich sind bei den Vermietern und Maklern die internationalen Studenten schon gut bekannt. Nach kurzem oder auch etwas längerem Suchen hat jedoch jeder ein angenehmes Heim gefunden. Ein neues Zuhause. Riga, die Möglichkeit, Medizin zu studieren und seinem Berufswunsch näher zu kommen.

Zudem noch eine Stadt, die so kontrastreich und spannend ist, mit ihrer Nähe zu der Ostsee mit ihren weißen Stränden, einer wunderschönen Altstadt und einem kultigen Zentrum, in dem sich immer mehr schöne Kaffee‘s finden lassen. Eine Stadt, die sich entwickelt und so viele verschiedene Menschen anzieht. Das ist eine durchaus akzeptable Alternative zu der Universitätssituation in Deutschland. Und man ist willkommen.