10 Okt
Erfahrungsbericht von Anja K.

University of California, Berkeley

Stadt: Berkeley
Land: USA
Kontinent: Nordamerika
Studientyp: Summer Sessions
Zeitraum: 06/2011 bis 08/2011

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Zunächst zu College Contact: Ich bin einigermaßen selbständig und auch schon oft ins Ausland gereist. Weil sich die bürokratischen Widerstände aber doch als hoch erwiesen, bin ich sehr dankbar für die sehr gute Betreuung durch College Contact, speziell von seiten der immer hilfsbereiten, kompetenten und schnellen Annika Uhlig.

Hier mein Bericht: Als Student/in ins Ausland – das machen viele. Berufstätige, die schon doppelt so alt sind, sind die Ausnahme. Mir (43) ging es darum, einmal das Hamsterrad meines Jobs zu verlassen und völlig neue Anregungen zu bekommen. Darum wollte ich auch nicht einfach nur einen superlangen Urlaub von drei Monaten machen (im Wohnmobil durch Australien etc.) , sondern war auf der Suche nach einer Auslandserfahrung anderer Art. Für San Francisco/Berkeley habe ich mich entschieden, weil ich an einen links-liberalen und LGBT-freundlichen Ort wollte und mir New York für einen so langen Aufenthalt zu anstrengend erschien.
Wie sich gezeigt hat, habe ich genau die richtige Wahl getroffen. San Francisco ist unheimlich schön, von Hitzewellen verschont und mit einem guten öffentlichen Verkehrsnetz ausgestattet. Seine Bewohner gelten zu Recht als besonders freundlich. Es besteht die Chance, sich mit Menschen aus der ganzen Welt zu unterhalten, was ich als sehr anregend empfunden habe.
Und Lesben und Schwule stoßen schnell auf Mitglieder der Familie. Im Juni weht über der ganzen Stadt die Regenbogenfahne. Dann läuft das LGBT-Filmfestival „Frameline“ (Karten rechtzeitig online buchen), man kann am Trans-March, am Dyke-March und am Gay Pride teilnehmen. Unter den US-Unis ist Berkeley für Homos sowieso erste Wahl, selbst dann noch wenn Judith Butler dem Ruf an die Columbia folgen sollte.
Der Sommerkurs fand für mich natürlich unter besonders entspannten Umständen statt: Mir ging es ja nicht darum, Kreditpunkte zu sammeln oder einen wichtigen Teil meines Studiums zu bewältigen, sondern alleine um die Inspiration. Darum habe ich meine Vorlesung („Social Theory und Cultural Analysis“ mit dem Schwerpunkt „Kapitalismus“) vor allem als akademisches Erlebnis gesehen. Ich finde es also auch nicht schlimm, dass der Kurs nicht so soziologisch wie von mir gehofft, sondern stärker ökonomisch ausgerichtet war.
Von 50 Plätzen waren zuerst 20 besetzt. Von diesen Teilnehmern droppten aber schon nach einer Woche sieben aus, denen das Lesepensum zu hoch war. Es war tatsächlich ziemlich nervig hoch. Wenn man wirklich das Pensum zum nächsten Tag schaffen wollte, war man täglich drei bis vier Stunden damit befasst. Aber der Dozent hat es später auch zurückgeschnitten, und ich habe einfach aufgehört, alles so genau zu lesen.
Anders als ich es aus Deutschland kenne, lectured der Professor über die Bücher anderer Professoren – ein Buch nach dem anderen ist Gegenstand. Bei uns wird ja erwartet, dass die/der Prof die Untergebiete seines Themas systematisiert, dann selbst nicht nur eine Synthese der Forschung bietet, sondern auch noch etwas selbst zur Forschung in der Vorlesung beiträgt. Insofern werden diese Texte (immer Monografien) meiner Meinung nach etwas zu sehr geadelt. Man droht in Wörtern zu ertrinken, hat am Ende bestenfalls viel Überblick über große historische Entwicklungen gewonnen – aber eher am Rande aufregende Konzepte der Soziologie kennengelernt.
Die Tatsache, dass ich mich in jeder Hinsicht von meinen Kommilitonen unterschied, haben sie – wie ich auch - mit Fassung getragen; nachdem unser Dozent uns zur dinner party zu sich nach Hause eingeladen hatte, wurde es noch familiärer.
Ich muss sagen, Berkeley ist einfach unheimlich dufte, schon den Campus zu betreten hat mir jedesmal ein Hochgefühl gegeben – selbst wenn die Straßen nicht wie in Stanford mit Honig und Milch gepflastert sind. Vielleicht ist es gerade so sympathisch, dass es nicht zu posh ist. Auch ein gutes Gefühl, eine Hochburg der amerikanischen linken Intellektuellen zu betreten.
Entspannter als für die meisten Studierenden werden für mich auch die Wohnbedingungen gewesen sein: Ich habe vorab übers Internet für monatlich 2800 Dollar (umgerechnet 2000 Euro) ein Studio im 7. Stock eines Apartment-Buildings auf dem exklusiven (S)Nob Hill in San Francisco gemietet, von wo aus ich die ganze Stadt, inklusive der Golden Gate Bridge, überblicken konnte.
Soziale Kontakte lassen sich im Internet über Craigs List oder über die vielen Meet up groups finden. Ich habe u.a. an der Meet up group „Walk for Health and History“ teilgenommen: Jeden Sonnabend um 11 Uhr führt der Rentner Howard Interessierte ca. vier Stunden lang durch San Francisco. Man bekommt die weniger bekannten Viertel der Stadt zu sehen und lernt nebenbei zig Amis kennen (im Alter zwischen 20 und 45 überwiegend).
Politik: Wer live erleben will, wie tief gespalten dieses Land ist, kann im TV zwischen den Rechten (Fox) und den Linken (MSNBC) hin und her schalten und ab und an zur Neutralisierung CNN sehen (und sich dann darüber wundern, dass Moderatorinnen und Moderatoren dort anders als auf „CNN international“ wie Barbie und Ken aussehen).