22 Jan
Erfahrungsbericht von Tobias P.

University of Birmingham

Stadt: Birmingham
Land: Großbritannien
Kontinent: Europa
Studienrichtung: BWL
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 09/2014 bis 12/2014

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Im Wintersemester 2014/15 habe ich mein Auslandssemester an der University of Birmingham Business School mit Unterstützung von College Contact verbracht. Mit meinem Erfahrungsbericht möchte ich meine Erlebnisse teilen und primär einen Eindruck vermitteln, was es bedeutet, für einige Monate in England zu leben.

Zu Beginn ist es äußerst empfehlenswert, frühzeitig Informationen zum Auslandssemester zu sammeln. Unabhängig von der Tatsache, ob die Entscheidung für das Erasmus-Programm oder ein selbst organisiertes Auslandssemester fällt, sollte man persönlich überzeugt sein, im Ausland studieren zu wollen. Das Auslandssemester sah ich als Chance, für ein Semester aus dem gewohnten Studienalltag in Deutschland auszubrechen, neue Leute aus der ganzen Welt kennenzulernen und zahlreiche neue Eindrücke zu sammeln.

An meiner Universität waren die Plätze für das Erasmus-Programm äußerst rar und die Bewerberzahl vor allem für englischsprachige Länder hoch. In der Vergangenheit war ich bereits häufig in London, wollte allerdings für einige Zeit zusätzlich auch eine andere britische Stadt kennenlernen. Entsprechend ging ich frühzeitig davon aus, dass ein Auslandssemester in England für mich nur möglich sein wird, wenn ich eigeninitiativ Bewerbungen an Universitäten schreibe. Auch wenn dies ein wenig mehr Aufwand bedeutet, bietet es den Vorteil, dass die Anzahl der zur Auswahl stehenden Hochschulen bei selbst organisiertem Auslandssemester wesentlich größer ist als im Erasmus-Programm. Dadurch kann die Wahl der Universität den eigenen Bedürfnissen optimal angepasst werden.

Nach einiger Recherchezeit hatte ich eine Liste zusammengestellt mit Kriterien, welche für die Wahl meiner Universität in Betracht gezogen wurden. Akademisch empfehle ich Universitäten, welche Akkreditierungen vorweisen können (z.B. EQUIS, AACSB). Dies garantiert eine gewisse Qualität der Lehre und kann auch die Anrechnung an der heimischen Universität im Anschluss erleichtern. Positionierungen in wichtigen Rankings können ebenfalls einen Eindruck von der Zufriedenheit mit der Universität im Landesvergleich bieten (z.B. Guardian Ranking). Zudem waren für mich die Semesterzeiten relevant, da ich im Anschluss gerne ein Praktikum absolvieren wollte. Entsprechend sollte das Semester möglichst vor Weihnachten beendet sein. Darüber hinaus lohnt sich ein Blick in die Course Catalogues, um entsprechend der eigenen Präferenzen Ausschau nach interessanten Kursen zu halten. Zugangsvoraussetzungen (z.B. Sprachtests (TOEFL, IELTS), Notendurchschnitt) habe ebenso in meine Entscheidung mit einbezogen wie die Größe der Stadt. Vor allem im Hinblick auf Sprachtest kann ich nur empfehlen, diesen frühzeitig in Angriff zu nehmen, da es außerdem einige Vorbereitungszeit erfordert, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Schlussendlich fiel meine Wahl auf die University of Birmingham, da sie die genannten Kriterien aus meiner Sicht am besten erfüllt.

Das Studienjahr ist in Birmingham in Trimester eingeteilt, allerdings wird nur im ersten (September bis Dezember) und zweiten Trimester (Januar bis April) gelehrt. Das dritte Trimester (Mai bis Juni) besteht ausschließlich aus Klausuren. Die Universität besteht seit Anfang des 20. Jahrhunderts und ist, anders als die meisten britischen Universitäten, welche in den 1960er Jahren gebaut wurden, noch mit vielen traditionellen Gebäuden ausgestattet.

Birmingham ist nach London mit knapp über einer Million Einwohnern die zweitgrößte Stadt Englands. Die Region ist bekannt für ihre prägende Rolle im Rahmen der Industrialisierung und wandelt sich langsam zur Moderne. Einwanderungswellen in den 1960er Jahren machen die Stadt zudem sehr multikulturell. Bekannte Stätten sind die moderne Bibliothek (empfehlenswert ist der Blick vom Dach), die Region um das altehrwürdige Rathaus oder die Gegend um Brindley Place mit einigen Bars direkt am Kanal. Jedoch ist Birmingham keineswegs als Touristenstadt zu bezeichnen und in Bezug auf die Attraktionen auf keinen Fall z.B. mit London zu vergleichen. Für Shopping-Begeisterte gibt es das große Shopping Center „Bullring“, das direkt an den Hauptbahnhof „New Street Station“ anschließt und alle bekannten Shops beinhaltet. In der Umgebung gibt es zudem zahlreiche Restaurants und Cafés. Sportbegeisterte finden mit Aston Villa und West Bromwich Albion zwei Fußball-Premier League Klubs und mit Birmingham City einen weiteren Zweitligisten.

Meine Bewerbung habe ich über College Contact versendet, da das Team sehr zeitnah auf meine Anfrage zur University of Birmingham reagiert und mich mit Informationsmaterial versorgt hat. Auf eine Antwort auf meine Frage zur Bewerbung von der Universität direkt warte ich dagegen noch heute. Entsprechend froh bin ich über die gewissenhafte Bearbeitung meiner Bewerbung seitens College Contacts. Es sind lediglich einige Dokumente gemäß der Zugangsvoraussetzungen (die auch der Website der University of Birmingham zu entnehmen sind) bei College Contact einzureichen. Diese prüfen auf Richtigkeit und leiten die Papiere an die University of Birmingham weiter. Nach etwa sechs bis acht Wochen erhielt ich meine Zusage (ca. Mitte Juni) und konnte in die weitere Planung einsteigen.

In Bezug auf die Unterkunft bewarb ich mich frühzeitig um einen Platz in den zahlreichen Studentenwohnheimen. Die Bewerberzahl ist jedoch äußerst hoch und nur außereuropäischen Bewerbern wird ein Platz garantiert. Deshalb bekam ich hier leider eine Absage, was sich im Nachhinein nicht unbedingt als Nachteil herausstellte. Deswegen nahm ich am von der Universität organisierten House Hunting Event teil, das etwa zwei Wochen vor Vorlesungsbeginn stattfand und rund 200 Pfund kostet. Drei Tage lang ist man in Studentenwohnheimen (die weit besseren Standard haben als ihr Ruf) untergebracht und hat die Chance, in kurzer Zeit viele neue Leute kennenzulernen. Im September nahmen etwa vierzig Studenten teil, sodass die Atmosphäre keinesfalls anonym ist. Unterstützt werden die Mitarbeiter der Universität von aktuellen Studenten der Universität, die jederzeit Tipps zum Leben oder Studieren in Birmingham geben. Die Organisatoren versorgen die Teilnehmer mit Tipps und helfen bei der Suche nach Unterkünften für die Zeit des Auslandsaufenthaltes. In England werden die meisten Hausvermietungen durch Intermediäre („Agencies“) durchgeführt. Die Mitarbeiter der Universität stellen den Kontakt zu diesen her und die Studenten besichtigen anschließend mit Kleingruppen Häuser verschiedenster Art. Zudem steht eine Zahl an Häusern zur Verfügung, welche der Universität gehören. Innerhalb der drei Tage ist auf jeden Fall ausreichend Zeit, um für alle die passende WG zu finden. Im Regelfall wohnt man als Student in Häusern mit Drei- oder Vierbettzimmern, in Ausnahmen auch mit Fünfbettzimmern. Beim House Hunting Event habe ich meine neuen Mitbewohner, die alle wie ich für ein Semester in Birmingham studiert haben, und nahezu alle meine neuen Freunde aus der Zeit in Birmingham kennengelernt. Allein aus dieser Perspektive hat sich die Investition von 200 Pfund definitiv gelohnt, da bereits zum Studienstart der internationale Freundeskreis rasant gewachsen war.

Wir haben uns für ein Haus entschieden, welches der Universität gehört, da ein fester Ansprechpartner und unmittelbarer „Problemlöser“ uns als die beste Option erschien. Im Nachhinein war dies nicht unbedingt die schlechteste Wahl, da andere Häuser durchaus mit Problemen mit den Agencies zu kämpfen hatten. Der durchschnittliche Preis für ein WG-Zimmer im Studentenviertel Selly Oak liegt bei ca. 70 bis 80 Pfund pro Woche (Nebenkosten eingeschlossen), allerdings ist der englische Baustandard bei weitem nicht mit deutschem Niveau zu vergleichen. An dieser Stelle muss man definitiv anpassungsfähig sein und Abstriche machen, sowohl was die Ausstattung der Zimmer betrifft, als auch die Qualität von Heizung und Bad, das in einigen Häusern von Schimmel befallen ist.

Wie bereits erwähnt liegt das Studentenviertel in Selly Oak. Zu Fuß ist die Universität in fünf bis zehn Minuten zu erreichen. Selly Oak bietet diverse Supermärkte (Aldi, Tesco, Sainsbury’s), Imbiss/Take-aways und hat zwei große Pubs, „The Soak“ und „The Goose“, in denen sich jeden Abend Studenten treffen. Regelmäßig gibt es dort Pubquiz oder Auftritte von Hobbymusikern, sodass es auf keinen Fall langweilig wird. Die Preise sind ebenfalls studentenfreundlich im Vergleich zum Stadtzentrum rund um New Street, das von der Bahnstation „Selly Oak“ in etwa zehn Minuten erreichbar ist. Züge fahren mit Ausnahme des Sonntags sehr regelmäßig, Rückwege von Parties in der City können aber problemlos mit dem Taxi angetreten werden, da bei angemessener Gruppengröße der Preis nur zwei Pfund pro Person beträgt.

Die Universität hat bereits frühzeitig Informationen zum Studium, zur Stadt etc. per Mail versendet und damit dazu beigetragen, dass man sich schnell zurechtfindet. Zudem wurde ein Welcome Event veranstaltet, damit sich die internationalen Studenten besser kennenlernen.

Weitere Highlights zu Beginn des Semesters sind die Society und Sports Fair, bei denen man sich über Initiativen und Sportgruppen informieren und beitreten kann. Diese erfreuen sich in England großer Beliebtheit, da, anders als in Deutschland, Universitäten größtenteils die Sportvereine ersetzen und auch ein entsprechendes Leistungsniveau garantieren.

Ab Mitte November wird im City Center der German Christmas Market angeboten, der mit Verkaufsständen aller Art sehr an die deutschen Märkte erinnert. Dort werden aber nicht nur Weihnachtsartikel oder Essen verkauft, sodass ich nach langer Zeit mal wieder ein gutes deutsches Brot erwerben konnte.

Zu Beginn des Semesters werden an der Universität die Kurse ausgewählt. In der Einführungsveranstaltung (die sich eigentlich nur an Erasmus-Studenten richtet, aber dennoch empfehlenswert ist) werden personalisierte Zettel ausgegeben, sodass man erfährt, ob die in der Bewerbung angegebenen Kurse auch belegt werden können. Jedoch ist es überhaupt kein Problem, Kurse innerhalb der ersten zwei Wochen seit Vorlesungsbeginn zu wechseln. Dafür braucht man lediglich Unterschriften vom Sekretariat aus dem jeweiligen Department (z.B. Business Department oder Economics Department). Wenn dieser Zettel mit Kursen in Höhe von 30 ECTS Credits (der workload darf laut Prüfungsordnung nicht geringer sein) im International Office abgegeben ist, sind alle Kurse bestätigt.

Persönlich habe ich entsprechend sechs Kurse mit jeweils fünf ECTS Credits belegt. Diese sind allesamt Essaymodule, d.h. der lecturer stellt ein Essaythema, das bis Semesterende Mitte Dezember zu bearbeiten ist. Für jeden Kurs musste ich somit etwa 3000 Wörter (ca. zehn bis fünfzehn Seiten) schreiben. An dieser Stelle ist zu beachten, dass es in meinem Fall um die Abgabetermine einige Verwirrung gab. Zwei Wochen vor Semesterende wurde vom International Office per Mail mitgeteilt, dass internationale Studenten, die nur für ein Semester in Birmingham studieren, alle Essays bis Mitte Dezember abgeben müssen, obwohl Absprachen mit den jeweiligen Professoren anderes verlauten ließen. Dies führte einigem Zeitstress am Ende, ist bei guter Planung jedoch trotzdem machbar gewesen.

Anders als an meiner deutschen Universität beschränkt sich in England der Anteil an Mathematik und Statistik auf ein absolutes Minimum. Mit durchschnittlichen Kenntnissen wird man in dieser Hinsicht vor nicht allzu große Probleme gestellt.

Insgesamt sind die Kurse wesentlich stärker anwendungsbezogen als an meiner deutschen Uni und wesentlich weniger theoretischer Natur. Zum Teil wurden Videos und Case Studies eingesetzt, auch Gastvorträge waren eingebunden. Ebenso interessant ist die hohe Zahl an ausländischen Professoren und Studenten. Der Anteil britischer Studenten der Business School dürfte nur etwa 50 bis 60 % betragen.

Darüber hinaus ist es ebenfalls zu empfehlen, die umliegenden Städte und Regionen zu erkunden, da sich die touristischen Attraktionen recht schnell erschöpfen. Mit National Rail oder Busgesellschaften wie Megabus oder National Express sind jederzeit Reisen nach Manchester, Liverpool oder London (alles etwa 2 Stunden entfernt) möglich. In der näheren Umgebung ist zum Beispiel die Heimat Shakespeares in Stratford-upon-Avon in 30 Minuten erreichbar. Zudem werden von der Universität zahlreiche Tagestrips nach Wales, Cambridge etc. angeboten, denen man sich äußerst kostengünstig durch Voranmeldung anschließen kann.

Zusammenfassend kann ich das Auslandssemester an der University of Birmingham absolut empfehlen. Diese vier Monate gehören sicherlich zu den besten meines Lebens. Die Menge an Erfahrungen akademischer sowie privater Natur prägen die Persönlichkeit und tragen somit auf jeden Fall zur individuellen Entwicklung bei. Wer aufgeschlossen gegenüber Neuem ist und schon immer einmal Einblick in das englische Leben bekommen wollte, dem kann ich ein Auslandssemester an der University of Birmingham wärmstens empfehlen.