27 Jul
Erfahrungsbericht von Sebastian J.

Aalborg University - Aalborg


Stadt: Aalborg
Land: Dänemark
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Internationale BWL
Studientyp: Masterstudium
Zeitraum: 09/2017 bis 06/2019

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Die Bewerbung und warum Dänemark und Aalborg

Ein Jahr und 5 Monate ist es nun her, dass ich mit College Contact Kontakt aufgenommen hatte, um über meine Wunschvorstellung, einen Auslandsmaster in Skandinavien zu machen, zu sprechen. Zur Auswahl der richtigen Universität habe ich natürlich dutzende Webseiten durchstöbert, hilfreiche Telefonate mit den Mitarbeitern von College Contact geführt und viele Erfahrungsberichte gelesen und sogar ehemalige Studenten interviewt. Nun würde ich gerne die gesammelten Erfahrungen und Informationen weitergeben in der Hoffnung, dass sie möglichst vielen Interessenten und angehenden Masterstudenten helfen werden. Als Allererstes dafür die Frage, die ich schon x-mal beantwortet habe: Warum ausgerechnet Dänemark und Aalborg?

Für mich gab es dafür drei verschiedene Gründe. Zum ersten ist Skandinavien für sein sehr gutes Ausbildungssystem in ganz Europa bekannt, was einem bei späteren Bewerbungen im Ausland helfen würde. Zum zweiten bieten Universitäten in Dänemark, Norwegen und Schweden viele Masterprogramme in englischer Sprache und erhalten zudem viele Studenten aus dem Ausland. Dies lässt darauf schließen, dass die Universitäten im Umgang mit ausländischen Studenten erfahren sind und ein ausgeprägtes Umfeld von internationalen Studenten gegeben sein muss. In dem Fall meines Studiengangs „International Business Economics“ ist zu erwähnen, dass die Diversität der Herkünfte von Studenten und Professoren extrem hoch ist (von 50 Studenten waren lediglich acht aus Dänemark). Laut Aussage der Universität sind es über 30 verschiedene Nationalitäten von Studenten und Professoren, die in diesem Studiengang aufeinandertreffen und damit der diversifizierteste Studiengang in ganz Dänemark. Zu guter Letzt ist der Besuch der Universitäten in ganz Skandinavien kostenfrei, was die Finanzierung um einiges erleichtert. Nichtsdestotrotz sind die Aufenthaltskosten nicht zu verachten, da Skandinavien bekanntlich etwas teurer ist. Mein 22m² Zimmer inklusive eigenem Bad im Stadtzentrum hat 470 EUR im Monat gekostet. Den selben Betrag sollte man noch einmal für alles Weitere (Verpflegung, Freizeit, etc.) einplanen, sodass man auf monatliche Ausgaben von ca. 1.000 EUR kommt. Bezüglich des Arguments mit der Finanzierung kommt noch hinzu, dass Dänemark die Ausbildungsförderung SU bietet. Jeder dänische Student erhält 6.000 DKK, was ungefähr 800 EUR entspricht. Ausländische Studenten haben Dank dem EU-Recht ebenfalls die Möglichkeit, SU zu erhalten, sofern sie einen Job haben, bei dem sie mindestens zehn bis zwölf Stunden die Woche arbeiten. Die Zahl von internationalen Firmen in Aalborg ist nicht besonders hoch, sodass die Wahrscheinlichkeit, einen Studentenjob mit Relevanz zum Studium zu finden, nicht sehr groß ist. Es gibt aber einige und wenn man sich rechtzeitig bewirbt und intensiv umschaut, findet man sie auch. Ich beispielsweise habe mich vor meiner Abreise Mitte August schon im Juni und Juli nach ausgeschriebenen Stellen umgeschaut. Eine hilfreiche Datenbank ist die Jobbank der Aalborg University (AAU). Ende September hatte ich dann auch schon einen Studentenjob bei NEAS Energy A/S. Schätzungsweise 30% der internationalen Studenten aus meinem Studiengang hatten einen Nebenjob, sei es in Firmen, der Universität, Bars oder Restaurants. Mit dem Gehalt vom Nebenjob plus SU konnte ich mich komplett selber versorgen und war auf keine weitere finanzielle Unterstützung angewiesen.

Ein weiteres Argument für die Aalborg University war das „Mentor Board Programme“, was das International Business Center seit August 2017 anbietet. Hierbei geht es um ein Programm für Business- und Marketing-Studenten, wo jedem teilnehmenden Studenten ein Mentor zugeordnet wird mit der Zielsetzung, besser in die dänische Arbeitswelt integriert zu werden. Diese Mentoren sind Führungskräfte sowie Geschäftsführer von Firmen aus der umliegenden Region Nord Jütland. Das Programm ist eine überragende und außergewöhnliche Erfahrung, eine sehr enge Beziehung auf professioneller Ebene mit jemandem einzugehen. Meine Mentorin hat mir dabei geholfen, die dänische Arbeitskultur näher zu kennenzulernen und an meiner persönlichen Entwicklung zu arbeiten. Außerdem ist ein sehr effektiver Dänisch Sprachkurs in dieses Programm integriert. Weitere Informationen findet man auf folgender Website: https://www.ibc.aau.dk/collaboration/AAU+International+Business+Mentor+Board/

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Das Studium

Die knapp 20.000 Studenten der AAU sind auf drei verschiedene Komplexe aufgeteilt. Zwei davon befinden sich in der Innenstadt und der Hauptcampus, wo auch meine Vorlesungen stattfanden, liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums (ca. 25 Minuten mit dem Rad von der Innenstadt entfernt).

Studieren an der Aalborg University definiert sich über drei Buchstaben: PBL. PBL steht für Problem-Based-Learning und beschreibt den sehr speziellen und einzigartigen Lernansatz, Fächer durch schriftliche Projektarbeiten an größtenteils praxisbezogenen Unternehmensfällen in Gruppenarbeit zu lehren. Das PBL ist quasi die Unique Selling Proposition (USP) der Aalborg University (die BWL-Studenten von euch wissen, was hiermit gemeint ist wink) und eine spannende Lernerfahrung. In der Praxis sieht es so aus, dass man in einer Gruppe von drei bis sechs Studenten an einem vorgegebenen Fall eines existierenden Unternehmens vier bis sechs verschiedene Fallfragen, die auf den Inhalten der Vorlesungen aufbauen, wissenschaftlich erarbeiten und lösen muss. Das Projekt (vergleichbar zu einer Hausarbeit) umfasst in der Regel 30 bis 50 Seiten und wird innerhalb von einem bis anderthalb Monaten erarbeitet. Nach Abgabe des Projekts findet dann immer eine mündliche Prüfung statt, wo man entweder einzeln (30 Minuten) oder mit der gesamten Gruppe (30 min x Gruppenmitglied) zu dem Projekt und den Inhalten der Vorlesung ausgefragt wird. Die Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen fiel meist nicht besonders intensiv aus, was vielleicht damit begründet werden kann, dass die meiste Arbeit in das Projektschreiben investiert wird. Im zweiten Semester gibt es erfrischenderweise auch zwei rein schriftliche Prüfungen. Die Fächer beziehungsweise Module (drei bis vier pro Semester) finden alle blockweise statt, sodass man während der ersten beiden Semester sehr gut ausgelastet ist, denn die Gruppenarbeit ist extrem zeitaufwendig.

Vorteile dieses Lernansatzes sind, dass man sein akademisches Schreiben verbessert, welches einem für die Thesis am Ende sehr viel hilft. Des Weiteren lernt man durch die Gruppenarbeit besser zu werden in Organisation, Koordination, Deadlines einzuhalten, Teamwork und Argumentieren, was alles sehr gut angewendet werden kann im späteren Beruf. Verbunden mit der hohen Diversität erhält man durch diese enge Zusammenarbeit ein ausgeprägtes interkulturelles Verständnis. Auch wenn es nicht immer üblich ist, kann ich jedem nur empfehlen, seine Gruppe nach einer Zeit zu wechseln, um Arbeitsweisen anderer kennenzulernen und zu erfahren, wie es ist, mit anderen Persönlichkeiten und Nationalitäten zusammenzuarbeiten. Als Nachteil des Studiums kann man die Studieninhalte verbunden mit der Qualität der Vorlesungen nennen, die sich von Dozent zu Dozent sehr unterscheiden und dementsprechend nicht immer hoch sind. Auch wenn der Studiengang International Business Economics heißt, gibt es eigentlich keinen wirklichen Economics Anteil. Außerdem kann die ständige Gruppenarbeit etwas ermüdend sein nach einer Weile. Dazu ist es natürlich sehr von den Gruppenmitgliedern abhängig, welche Note man am Ende bekommt, da es fast immer als Gesamtleistung betrachtet wird. Zudem haben die Dozenten bei der Kürze der Prüfungszeit nicht immer die Möglichkeit, den Studenten tiefgreifend und umfassend auszufragen, was eine zum Teil oberflächliche Benotung zur Folge hat. Daher ist die endgültige Notenvergabe (Projekt plus mündliche Prüfung) auch sehr abhängig von dem jeweiligen Dozenten.

Die Dozenten sind aber alle hilfsbereit und nehmen sich gerne Zeit für Anliegen von Studenten, genauso wie das Sekretariat. Zusätzlich lässt sich erwähnen, dass die AAU ein Career Center, namens AAU Career, hat, welches einem beim Lebenslauf, Bewerbungen, LinkedIn Profil und Jobsuche mit Rat und Tat zur Seite steht.


Leben in Aalborg

Bezüglich der Unterkunft habe ich mich über das International Accommodation Office für ein Zimmer beworben. Hierbei wird einem basierend auf seinen Präferenzen eine Unterkunft zugeteilt, die man entweder nehmen kann oder nicht. Im zweiten Fall muss man sich eigenständig umschauen. Die Konditionen sowie Zustände der Unterkünfte, die durch das International Accomodation Office gestellt werden, sind verhältnismäßig schlechter im Vergleich zu „normalen“ Wohnungen. Dafür ist der Fun-Faktor höher, da man immer mit mehreren Studenten zusammenwohnt. Es ist ein bisschen wie ein Glücksspiel mit den Unterkünften. Grundsätzlich würde ich eine Unterkunft nahe oder in der Innenstadt empfehlen statt am Campus, weil das Meiste sich in der Stadt abspielt und es nicht so viele Vorlesungen gibt.

Das Freizeitangebot ist der Größe der Stadt (120.000 Einwohner) entsprechend. Es gibt zwei Kinos, dutzende Fitnessstudios (FitnessDK an der Bispensgade ist empfehlenswert), eine kleinere Shoppingmall, zwei größere Einkaufsstraßen, eine wunderschöne Hafenfront (perfekt zum Spazierengehen oder Joggen), ein künstlich angelegter Badeort mit Sprungturm, Beachfußball- und Beachvolleyballfeldern, zahlreiche Sportvereine (Fußball, Tennis, Rugby, MMA, Volleyball, Handball, etc.) und natürlich die berühmtberüchtigte Partystreet Jomfru Ane Gade. Die „Jungfrau Ane Straße“ zu Deutsch übersetzt ist eine enge Straße, in der zig Bars, Discos, sogar Stripclubs zu finden sind und in der man natürlich des Öfteren am Wochenende ausgehen wird. Unter der Woche bietet mittwochs immer das Studenthouse, geführt durch freiwillig arbeitende Studenten, die perfekte Möglichkeit bei ein paar Bier, einer Runde Pool oder Tischfußball, sich mit seinen Kommilitonen und Freunden zu treffen und auszutauschen.

Sportvereine sind übrigens die perfekte Möglichkeit, um die Dänen näher kennenzulernen und sich mit ihnen anzufreunden. Ich selbst hatte bei einer lokalen Fußballmannschaft mittrainiert, musste aber leider nach einer Zeit aufhören, da es mit dem Studium und dem Studentenjob zu viel wurde.

Während des Studiums bleibt auch mal die Zeit, kurze Reisetrips zu unternehmen. Ich war zum Beispiel in Oslo, Göteborg, Aarhus, Kopenhagen und in Island.


Ausblick

Alles in allem waren das erste und das zweite Semester meines Masterstudiums phänomenal und eine einzigartige Erfahrung. Ich lernte eine völlig neue Art zu studieren kennen, ich konnte mich beruflich weiterbilden, habe eine neue Sprache gelernt, konnte mein Spanisch, Französisch und Englisch sowieso anwenden und praktizieren, ich habe neue Kulturen kennengelernt, neue Länder bereist und vor allem ein internationales Netzwerk aufgebaut und Freundschaften geschlossen, die ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde. Die Aalborg University mag vielleicht nicht die beste Universität in den Fächern Business und Economics sein (dafür ist sie aber weltweit führend in Engineering und sehr wettbewerbsfähig in anderen technischen Bereichen wie Robotics, Architecture, etc.), bietet aber trotzdem eine außergewöhnliche Lernerfahrung.

In wenigen Tagen werde ich ein neues spannendes Kapitel erleben, denn nun geht es für mich in meinem dritten Semester an die Yonsei University in Seoul, Südkorea, an der ich über das Partnerprogramm der AAU einen Platz bekommen habe. In meinem vierten Semester werde ich dann lediglich die Master Thesis schreiben müssen, die ich hoffentlich in Kooperation mit einem Unternehmen irgendwo im Ausland erarbeiten kann…

P.S.: Und wer nicht nach Aalborg zum Studieren geht, der sollte wenigstens zum Karnevalsfest im Mai nach Aalborg kommen. So wie dort habt ihr sicherlich noch nie Karneval gefeiert, das verspreche ich euch!