20 Feb
Erfahrungsbericht von Raïssa-Maria R.

Masaryk University

Hochschule: Masaryk University
Stadt: Brno
Land: Tschechien
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Medizin
Studientyp: Sonstige Studiengänge
Zeitraum: 08/2014 bis 12/2020

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Leben in Brünn

Brünn ist eine verhältnismäßig kleine Stadt, auch wenn es die zweitgrößte Tschechiens ist. Sie wird auch von ihren Einwohnern großes Dorf genannt. Das vereinfacht jedoch vieles, zum Beispiel die Wohnungssuche.

An einem Tag konnte ich 11 Wohnungen besichtigen. Hilfe hatte ich von einer Immobilienmaklerin von „foreigners.cz“. An diesem Punkt muss ich aber darauf hinweisen, dass die Preise der Immobilienmakler in Tschechien nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen sind. Es ist keineswegs exorbitant und die Maklerin war sehr freundlich und kompetent. Neben „foreigners.cz“ gibt es noch die Möglichkeit „forstudents.cz“ zu kontaktieren, oder eines der zahlreichen Studentenwohnheimen oder WGs. Studentenwohnheime sind wohl die günstigste Alternative, doch teilt man meistens nicht nur Bad und Küche, sondern das Zimmer mit einer anderen oder zwei anderen Personen. Für mich war es wichtig, nach 5 Jahren WG-Leben, alleine zu wohnen.

Die Wahl war nicht einfach: ich war mir unsicher, ob es besser wäre an der neuen Uni auf dem Campus zu wohnen oder nahe des Stadtzentrums. Man sollte wissen, dass das Zentrum sehr überschaubar ist, dass alles sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus und Straßenbahn) erreichbar ist (am Wochenende Nachtbusse), nur ab 21:30 (unter der Woche) wird es schwieriger, insbesondere, wenn man am neuen Campus ist. Dieser liegt nämlich auf einem Berg, außerhalb der Stadt. Wenn man abends oder am Wochenende von da aus in die Stadt möchte, ist man weniger flexibel.

Einen guten Kompromiss fand ich, in einem Neubaugebiet 15 Minuten vom Zentrum und 15 Minuten von der Uni.

Die ersten Tage nach meinem Umzug in Brünn war ich vor allem damit beschäftigt:

  • ein tschechisches Konto zu eröffnen (nützlich, da die Uni eine Art „Stipendium“ in Höhe von umgerechnet +/- 130 € einmalig an jeden Studenten auszahlt, wenn man sich im Laufe des ersten Semesters dafür anmeldet),
  • eine internetfähige Sim Karte für mein Handy zu finden (Opencall ist einer von vielen Prepaid-Anbietern und man kann alles bequem per sms zu-oder abbuchen),
  • Internet für meine Wohnung anzumelden und einrichten zu lassen (bei „Max progress“. Was ich jedoch nicht wusste ist, dass diese Firma zwei Wochen später von einer Praguer Firma aufgekauft wurde und englischsprachige Mitarbeiter selten am Telefon sind, wenn man Fragen haben sollte… Am besten also gut informieren, wer oder wo die Firma ihren Sitz hat!),
  • mir eine Studentenkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel zu besorgen (ein Fahrrad ist hier nicht unbedingt zu empfehlen),
  • und die Stadt zu besichtigen.

Woran man unbedingt denken muss, ist ausreichend Bargeld. Neben Wohnungskaution und ersten (1.-3.) Monatsmieten, werden, je nach Anbieter, auch von den Internetfirmen verlangt, dass Ausländer eine 3-monatige Kaution fürs Internet bezahlen und/oder eine Installationsgebühr. Weiterhin hab ich bei „foreigners.cz“ mein Abi-Bac Zeugnis übersetzen lassen. Das war sehr viel billiger als in Deutschland, musste jedoch auch bar bezahlt werden.

Worauf zu achten ist, dass man auch vor Semesterbeginn eine vorläufige Immatrikulationsbescheinigung von der Uni verlangen kann, wenn man diese für den Studentenrabatt bei der Verkehrsgesellschaft vorzeigen muss (Eine Jahreskarte kostet umgerechnet +/- 80 €).

Highlights von Brünn, die man sich vor Semesterbeginn anschauen kann sind: die Villa Tugendhat (die war klasse!), Spaziergänge entlang der Vltava, das Bistro Franz mit tschechischen Saisongerichten (immer lecker!), der Spielberg mit Kasematten und schöner Sicht auf Brünn, das Mendelmuseum oder einfach Schlendern durch die Altstadt!

Selbstverständlich gibt’s auch Theater, Kino (mit englischen Vorstellungen) und einmal im Jahr ein französisches Filmfestival, mitorganisiert von der Alliance française, Ballett, Oper und gelegentlich schöne Konzerte in der Kathedrale. Alles mit sehr interessanten Studentenrabatten. Leider, kann man das tolle Kulturangebot nicht so intensiv nutzen, wenn man sein Studium ernstnimmt.

Verlaufen, kann man sich in solch einer kleinen Stadt nicht, wenn es doch passieren sollte, empfehle ich die Handy App „IDNES“, die es auch auf Englisch gibt und alle Züge, Straßenbahnen, Metros und Busse in der Tschechischen Republik anzeigen kann.

Im Großen und Ganzen findet man sich zurecht. Zur Not fragt man Passanten auf Englisch, Deutsch oder mit Händen und Füßen. Von Vorteil ist es, ein paar Brocken Tschechisch zu können, sei es auch nur „Hallo“, „Tschüss“, „Danke“ und „Bitte“. Touristeninformationen gibt’s es beim Spielberg und im Stadtzentrum in der Radnická ulica (Radnicka Straße).

Die Stadt finde ich super gelegen. Mit Eurolines, Bohemian lines oder der Student Agency ist man schnell in Prag, Wien, Bratislava, Budapest oder Dresden und München, falls einem mal doch die „Brünner Decke“ auf den Kopf fällt.

Schon Fernweh bekommen?

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Zwei „Warnungen“:

Als Allergiker in Tschechien hat man es leider nicht leicht. Mandeln und Haselnüsse oder Erdnüsse findet man in fast jedem Gebäck und häufig in herzhaften Gerichten. Laktoseintoleranz ist hier noch nicht ganz bekannt, wenn man also Laktose-freie Produkte sucht, findet man diese bei dm, Interspar oder Tesco. Gluten-freie Produkte findet man manchmal bei dm und Interspar, aber es gibt einen neuen Laden in der Pekařská ulica, der sich auf Gluten-freie Lebensmittel spezialisiert hat.

Wenn man zum Arzt muss, kann man beruhigt einen aufsuchen. Einige Hausärzte, Gynäkologen, Zahnärzte, usw. können Englisch, manchmal Deutsch. Das einzige Problem sind (Routine-) mäßige Blutuntersuchungen. In den Arztpraxen wird kein Blut abgenommen. Das funktionniert hier anders als in Deutschland: man geht zum Arzt, wenn eine Blutabnahme angeordnet wird, geht man in ein „lab“ und hofft, dass die Mitarbeiter dort Englisch oder Deutsch können und dass man zur richtigen Zeit kommt. Wenn man privat versichert ist, muss man unbedingt ausreichend Bargeld dabei haben. Man bekommt selbstverständlich eine Rechnung + Quittung. Wenn man sich den Ärger mit Hausarzt und „lab“ sparen möchte, kann man auch in eine der zahlreichen Notaufnahmen oder Rettungsstellen gehen.


Studieren in Brünn

Der neue Campus liegt wie bereits erwähnt außerhalb des Stadtzentrums auf einem Berg. Nahe der Autobahn und eines Einkaufszentrums und einem der zahlreichen Krankenhäuser der Stadt (Nemocnice Bohunice, so heißt auch die nahegelegene Bushaltestelle).

In diesem Krankenhaus hatte ich den ersten Hilfe-Kurs, andere Gruppen jedoch, hatten ihren Kurs in einem Krankenhaus im Stadtzentrum (am Mendlovo náměstí). Es kam auch vor, dass einige Gruppen andere Kurse, wie den Tschechisch-Unterricht, in der alten medizinischen Fakultät am Komenskeho náměstí hatten. Ich hatte Glück, dass alle Kurse auf dem Campus waren, so konnte ich meine Pausen „entspannt“ verbringen, anstatt hin und her zu fahren, doch laut meiner Kommilitonen war auch das nicht problematisch.

Folgende Kurse und Vorlesungen hat man im ersten Semester, welches 15 Wochen zählt:

Vorlesungen: mit allen Studenten (ohne Anwesenheitspflicht):

  • Biologie,
  • Chemie mit Examen im Januar oder Februar,
  • Biophysik mit Examen im Januar oder Februar,
  • Anatomie,
  • Erste Hilfe.

Kurse in kleinen Gruppen von 15-20 Leuten (mit Anwesenheitspflicht):

  • Chemie mit 5 Tests und einem credit Test, um für das Examen zugelassen zu werden,
  • Latein mit 2 Tests und credit Test vor Weihnachten,
  • Biologie,
  • Anatomie mit mündlichem Test, der jedoch nicht bestanden werden muss!

Practice:

  • Chemie mit 7 Protokollen,
  • Biologie mit 2 Tests vor Weihnachten (bei nicht bestehen gibt es im Januar)
  • Biophysik mit Protokollen für und nach jeder Stunde,
  • Tschechisch mit 5 Tests darunter ein mündlicher und ein credit Test vor Weihnachten,
  • Erste Hilfe mit Computer credit Test und einer mündlich-praktischen Prüfung.

Sehr gut fand ich die Kurse und Seminare in den kleinen Gruppen, die den größten Teil des Stundenplanes ausmachen. Das Lernen ist dort effektiver und interaktiver als in den großen, anonymen Vorlesungen!

Die ersten Wochen waren jedoch stressig. Neue Umgebung, viele verschiedene Anweisungen, viele Information auf einmal…

Man sollte auch hier genügend Geld vorsehen (und darauf achten, dass die Deadline der Unigebühr eingehalten wird, da man sonst eine vorzeitige Exmatrikulation riskiert!

Erste Ausgaben sind

  • für einen Kittel (nötig in Chemie practice und Anatomie practice),
  • für Schuhe oder Schuh-Plastiktüten zum Betreten der Räume in Anatomie, Chemielaboratorien und Biophysikräume,
  • Anatomiebesteck (wovon man im ersten Semester jedoch nur die Pinzette braucht);
  • „white books“ von Dozenten der Uni geschrieben in Anatomie, Biophysik und Chemie (Chemie steht aber auch im Internet zum Download zur Verfügung). Diese sind sehr wichtig für die Prüfungen!,
  • Tschechisch und Latein Bücher werden ab der ersten Stunde gebraucht und sollten also ebenfalls gekauft werden.

Weitere Bücher werden in der Unibuchhandlung zum Verkauf angeboten, doch ist es jedem selbst überlassen, ob er sie kaufen oder in der Bibliothek ausleihen möchte. Ich empfehle einen Anatomieatlas mit lateinischer Nomenklatur zu kaufen, diese sind meistens in der Bibliothek vergriffen und man lernt viel damit, sodass es sich lohnt, einen eigenen zu haben.

Was mich zu Beginn des Semesters sehr verwirrt hat, war das Informationssystem „ismuni.cz“, welches nicht sehr übersichtlich ist. Daher sollte man sich genügend Zeit nehmen, um sich mit den Funktionen vertraut zu machen. Leider ist diese Plattform noch nicht komplett auf Englisch übersetzt, doch die wichtigsten Sachen sind es. Auf diesem System erhält man E-Mails, Studieninformationen, Studienmaterialien, Noten und allerlei andere nützliche Sachen. 1-3 Mal am Tag habe ich mich dort eingeloggt, da man, je nach Fach, die Materialien vor dem Kurs ausdrucken und vorbereiten muss. Wichtig ist diese Vorarbeit für Chemie practice, seminar und bio practice. Ich empfehle sehr, einen eigenen Drucker zu haben, da es kaum copyshops in der Stadt gibt.

Für Biophysik wird glücklicherweise alles erklärt, zur richtigen Zeit. Für Chemie jedoch sollte man bereits für die ersten Stunden alles vorbereiten. Das wird ohne Kommentar oder Vorwarnung vorausgesetzt.

Die Uni ist leider sehr leistungsorientiert und hat unrealistische Vorstellungen, dass jeder Student Biophysik, Chemie und Biologie vollkommen beherrscht. Je nach Fach, Tag und Laune der Dozenten, wird man ungerecht behandelt oder vor dem Kurs bloßgestellt, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden. Womöglich soll uns das stärken und für spätere Stresssituationen vorbereiten. Das Positive ist, dass am Ende eines jeden Semesters, die Teilnahme an einem „opinion pool“ für jeden Kurs und Dozenten zur (anonymen) Bewertung möglich ist.

Klausuren sind meistens in multiple choice Form. Zum Bestehen sind Fleiß, Wissen und leider auch viel Glück vonnöten. Es kann passieren, insbesondere in Biologie, dass Fragen gestellt werden zu Themen, die man (noch) nicht behandelt hat.

Das Medizinstudium ist ein Fulltimejob. Ungern habe ich diesen Satz von den Dozenten gehört, doch ist es mehr ein Rat als eine Warnung. Wenn man spätestens ab der zweiten Woche lernt, verliert man den Anschluss in der Regel nicht.

Durchfallquoten kann man manchmal im Informationssystem einsehen, aber im Großen und Ganzen fallen 50% durch. Bei zweiten Versuchen erneut 50%. Drei Versuche hat man für die großen Examen (üblicherweise zwei Stück nach jedem Semester), ansonsten müssen Kurse wiederholt werden. Davon würde ich mich nicht abschrecken lassen.

Ich bin zu jeder Vorlesung gegangen und habe kein einziges Mal bei den anwesenheitspflichtigen Kursen gefehlt (die Regeln bei diesen sind auch sehr streng, falls man doch fehlen sollte, sei es auch mit gutem Grund bzw. Entschuldigung) und doch musste ich die zwei Examen jeweils einmal wiederholen. Es gehört zur Abschreckung dazu, dass man mal durchfällt, aber mit Durchhaltevermögen und ohne sich entmutigen zu lassen, sind auch diese zu schaffen!

Das Schöne ist, wenn man mal Schwierigkeiten oder Fragen hat, kann man sich jederzeit an Helena Melicharová wenden oder MIMSA (die englischsprachige Medizin-Fachschaft) schreiben. MIMSA hat auch eine Facebook-Seite, organisiert die Einführungs-bzw. Kennlern-Woche (die großen Spaß macht) und hat zu Beginn des Semesters einen Buchverkauf, mit günstigen Medizinbüchern.

Die Kosten für das Studium sind im Verhältnis zu deutschen Studiengebühren bzw. Semestergebühren sehr viel höher. Einem selbst ist überlassen, ob er das Preis-Leistungsverhältnis mit den angebotenen Kursen und Dozenten gerechtfertigt findet… Jedenfalls sind die Kosten für Wohnung und Leben in Tschechien sehr viel geringer als in Deutschland.

Höhen, Tiefen und Stress gibt es immer, doch bereue ich meinen Entschluss, diesen Schritt nach Tschechien gewagt zu haben, nicht. Nach fast drei Jahren Jurastudium und fast drei Jahren Wartezeit mit Ausbildung beim Rettungsdienst, komme ich meinem Ziel und Traum nun doch erstaunlich schneller näher.

Der Kontakt zu Tschechen ist zwar noch etwas eingefroren, aber ich bin zuversichtlich, dass dieses sich im Laufe der Zeit und mit mehr Tschechisch-Kenntnissen ändern wird. Bis dahin fühlt sich das Studieren mit allen internationalen Studenten im englischsprachigen Zweig an, wie ein nicht endender Erasmusaustausch.