Masaryk University

Bevor ich anfange über meine Universität und mein Leben hier zu berichten, möchte ich noch kurz ein paar allgemeine Ratschläge geben, die jeder Interessent an einem medizinischen Studiengang beherzigen sollte. Nicht nur hier, sondern auch in Deutschland, sind mir viele Fälle bekannt von Studienanfängern die sich durch die ersten Semester quälen und in einigen Fällen sogar komplett ihr Studium abbrechen. Hierfür gibt es die verschiedensten Gründe und davon sind auch einige sicherlich nicht vorhersehbar aber für die restlichen möchte ich nun einen Rat geben: Bevor ihr euch für ein Medizinstudium bewerbt, egal ob in Deutschland, Tschechien oder ganz woanders, müsst ihr euch einige Dinge vor Augen führen, denn Medizin ist kein Studiengang für den man sich einfach so aus Spaß bewirbt. „Also erst einmal muss man sich fragen ob man damit umgehen kann Blut, Eiter oder sonstige Produkte des menschlichen Körpers anzugucken und praktisch damit zu arbeiten“. Dies ist eine ein Frage die man nicht zuhause vor dem Computer beantworten kann, deshalb empfehle ich unbedingt vor dem Studium ein Praktikum in einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis zu machen. „Des weiteren sollte man sich darüber im klaren sein ob man in der Lage dazu ist, über Wochen und Monate den Großteil seines Tages am Schreibtisch zu verbringen, um interessante und weniger interessante Dinge zu lernen“. Auch diese Frage fand ich vorher schwer zu beantworten aber man kann sich gut selber prüfen, während der Testvorbereitung, für die Aufnahme Prüfung. Außerdem die wahrscheinlich wichtigste Frage für einen angehenden Medizinstudenten: „Mag ich Menschen wirklich so sehr, dass ich bereit bin ihnen unter allen möglichen Umständen zu helfen?“ Dies ist eine eher philosophische Frage über die man einige Tage nachdenken sollte. Falls man alle drei Fragen mit JA beantworten kann dann wird man im Studium keine Probleme und sicherlich viel Spaß haben.

Nun zum Studium in Brünn: ich studiere bereits fast 6 Monate hier und bin durchweg positiver Meinung. Wie bin ich hier gelandet? Wie jährlich für tausend andere Abiturienten Deutschlands hat mein Notendurchschnitt nicht gereicht, um einen Studienplatz für Medizin an einer Deutschen Universität zu erhalten. Auch auf einen Platz aus dem ADH musste ich mir keinerlei Hoffnungen machen. Auf diese Problemstellung gibt es einige Lösungsvorschläge: Warten, Klagen, Aufgeben... kam für mich alles nicht in Frage, also geht der Blick ins Ausland, vorzugsweise die EU (um einen Wechsel zurück nach Deutschland einfacher zu gestalten) und dann noch vorzugsweise auf Deutsch oder Englisch. Schon schränken sich die Optionen ziemlich ein: es bleibt der Ostblock und zwischen Lettland und Bulgarien tauchten Städte und Universitäten mit englischen Studienprogrammen auf von denen ich noch nie gehört hatte. Ich suchte mir 5 Universitäten aus, was eine realistische Zahl ist um sich richtig auf die verschiedenen Teste vorbereiten zu können, und bewarb mich über College Contact. (An dieser Stelle noch ein Rat: fallt nicht auf die Agenturen rein die euch für viel Geld „ganz einfach“ einen Platz vermitteln wollen, diese scheinen zwar seriös zu sein sind es aber nach meinen Erfahrungen nicht!). Die Universitäten waren unter anderem: Riga, Prag, Brünn. In Ungarn braucht ihr euch ohne Einser Abitur gar nicht zu bewerben und auch mit Einser Abitur bleiben die Studiengebühren utopisch.

Von allen Universitäten an denen ich mich beworben hatte schien mir die Masaryk University in Brünn die beste zu sein und nachdem ich den Test bestanden hatte ging es an die Wohnungssuche. (Zur Testvorbereitung einen Tip: besorgt euch unbedingt die Bücher von der Masaryk University: Overview of: Chemistry, Physics, Biology. Diese Bücher wurden extra für den Test entworfen und werden euch auch für Tests an anderen Universitäten helfen.)

Zur Wohnungssuche: vergesst die Studentenwohnheime die es hier gibt, denn das einzige gute ist winzig klein und immer ausgebucht und allgemein sind die Preisleistung Verhältnisse von Studentenwohnheimen hier nicht gut. Dafür sind die Preisleistung Verhältnisse von Wohnungen in der ganzen Stadt phänomenal! Es wird vor Semesterbeginn eine Facebook Gruppe geben, in der ihr schon nach möglichen WG Mitbewohnern suchen könnt. Falls ihr lieber alleine wohnen wollt, ist dass auch kein Problem und die Makleragentur Foreigners.cz wird euch in beiden Fällen helfen können. Zahlt für eure Wohnung/Zimmer nicht viel mehr als 300 Euro Kaltmiete, investiert das Geld lieber in schmackhaftes tschechisches Bier, dass hilft während des Studiums einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn das Studium ist wirklich anstrengend aber in einem Jahrgang von circa 200 Medizinstudenten wird sich hier gegenseitig unter die Arme gegriffen wie in einer großen Familie. Das Verhältnis der Studenten unter einander sucht in Deutschland sicherlich erfolglos seines gleichen. In einem fremden Land zu leben, dessen Sprache man nicht spricht und dasselbe Fach zu studieren verbindet ungemein. Außerdem sind die Professoren alle nett und hilfsbereit und man kann, wenn man will, täglich Fachbezogene Emails austauschen, was in den Prüfungsvorbereitungen sehr helfen kann.

Das Leben hier im allgemeinen ist sehr angenehm: der Tscheche isst gern herzhaft und trinkt dazu reichlich Bier, für den Deutschen bleibt das alles sehr erschwinglich denn der Euro ist hier viel wert. Für mich als leidenschaftlichen Sportler gibt es hier viele Möglichkeiten, um seine Freizeit zu verbringen: die internationalen Studenten haben ihre eigene Fußballmannschaft und organisieren sogar gemeinsame Skireisen, außerdem trifft man sich gerne zum Squash spielen und ansonsten bin ich häufig im Fitnessstudio oder im Boxing Gym. Macht euch keine Sorgen, mit ein bisschen Organisation kann man auch im, aufreibenden und doch fantastischem, Medizinstudium weiterhin seinen Hobbys nachgehen. Allgemein kann ich sagen, dass ich hier in Brünn sehr zufrieden bin und noch keine Sekunde lang bereut habe hierher gekommen zu sein. Also traut euch und bewerbt euch!

Viele Grüße und Na shledanou,

Paul