2 Sep
Erfahrungsbericht von Florian W.

Universidad de Chile - Facultad de Economia y Negocios


Stadt: Santiago de Chile
Land: Chile
Kontinent: Südamerika
Studienrichtung: Wirtschaftsingenieurwesen
Studientyp: Auslandssemester
Zeitraum: 03/2014 bis 07/2014

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Warum Chile?

Eine der ersten Fragen, die einem die Chilenen stellen lautet, lautet „warum hast du dich für Chile entschieden?“
Vorneweg kann ich sagen, dass ich für ein Auslandssemester immer nach Lateinamerika und dabei in ein spanisch-sprachiges Land wollte. Das Problem meiner Universität in Deutschland war allerdings, dass es in Lateinamerika keine Partneruniversitäten gibt und dass mir keine andere Möglichkeit blieb, als den Aufenthalt selber zu organisieren, dabei aber freie Wahl hatte. Nachdem ich College Contact gefunden hatte, begrenzte sich die Auswahl der Länder schon einmal. Für Chile entschied ich mich schließlich aufgrund der Sicherheit, die meiner Meinung nach mit der Europas vergleichbar ist und des hohen Lebensstandards. 

Für die Universidad de Chile entschied ich mich, weil ich in der Hauptstadt Santiago studieren wollte. Valparaíso und Viña del Mar sind für ein Wochenende oder vielleicht auch für einen etwas längeren Zeitraum zwar einen Besuch wert aber für die Dauer eines Semesters hat Santiago einfach mehr zu bieten; ich würde meine Entscheidung daher immer wieder so treffen.

College Contact vereinfacht den Bewerbungsprozess enorm, ich hatte das Gefühl, dass ich meinen Kommilitonen gegenüber, die zu einer Partner-Universität gingen nicht wesentlich mehr Aufwand hatte. Da ich durch eigene Recherche schon ziemlich genau wusste, wo ich hin wollte, habe ich die Informationsangebote von College Contact nicht so sehr genutzt, Fragen wurden allerdings sehr zügig beantwortet. 
Häufig wurde mir gesagt, die U de Chile möchte möglichst viele Austauschstudenten haben, daher ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass man von der Uni angenommen wird.

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Bereits vor Semesterstart wurde man frühzeitig und umfassend von den Mitarbeitern des International Office informiert. Durch eine gegründete Facebook-Gruppe konnte man schon vorher Fragen zu Kursen oder anderen Punkten die wirklich sofort (al tiro) beantwortet wurden. Auch erhält man vorher (ich glaube schon im Dezember für das Herbstsemester) ein Formular, in das man seine Kurswünsche einträgt. Gleiches erhält man aber auch zum Semesterstart und man hat einen Monat Zeit um sich auf seine Kurse festzulegen. Es gibt eine recht große Auswahl an englisch-sprachigen Kursen, also kann man auch ohne großartige Spanisch-Kenntnisse an die FEN (sprich Fen) gehen. 


Der erste Tag

Am ersten Tag erhält man zunächst  gemeinsam mit den anderen Austauschstudenten eine Einführung in die FEN, Informationen über Aktivitäten von ISA FEN (einer studentischen Organisation für Austauschstudenten) und anderes. Optional kann man an einem Spanisch-Einstufungstest teilnehmen wenn man später einen Spanisch-Kurs belegen möchte (ist kostenlos, allerdings nicht für College-Contact-Studenten). Schlussendlich, nachdem man allerhand Informationen und ein FEN-T-Shirt bekommen hat, wurde man seiner Gruppe mit chilenischen Erstsemestern (Mechones) eingeteilt, mit denen man gemeinsam etwas wie eine Schnitzeljagd machen musste. Meine Gruppe war etwas faul, sodass wir nur die Aufgaben auf dem Campus lösten und danach Bier kauften und dieses gemütlich auf dem Fußballfeld tranken. Die chilenischen Erstsemester sind zwischen 17 und 19 Jahren alt, wodurch es einem durch den Altersunterschied anfangs etwas seltsam vorkommt. Allerdings sind diese Studenten in der Regel die ersten chilenischen Kontakte, die man an der Uni schließt und die man im Verlauf des Semesters immer wieder sieht (wenn auch nicht in den Vorlesungen). Für Austauschstudenten ist es auch dadurch sehr einfach, neue Chilenen kennenzulernen (Freunde von Freunden von Freunden usw.). Ausklingen tut der Tag schließlich mit Completos (Hot Dogs) und Getränken.


Studieren an der FEN

Wie schon erwähnt kann man neben spanischen auch englische Kurse wählen. Die Besonderheit der englischen Kurse ist, dass das Niveau in der Regel nicht sehr hoch ist und das man maximal zwei bis drei Chilenen in diesen Kursen findet. Für die Chilenen sind diese Kurse Electivos (Wahlpflicht) und in der Regel wählen sie lieber andere Kurse. Anzumerken sei auch, dass das Englisch-Niveau der Chilenen sehr niedrig ist. 
Wenn man während des Semesters einen möglichst niedrigen Arbeitsaufwand haben möchte, sollte man die englischen Kurse wählen, denn der Arbeitsaufwand ist verglichen mit denen auf Spanisch lächerlich niedrig, allerdings sind diese Kurse auch nicht sonderlich interessant. Beispielsweise die Kurse „Latin America in World’s Affairs“ klingt an sich interessant ist aber ziemlich langweilig, ich hatte ansonsten noch „Globalización, Tratados y Acuerdos Comerciales“, der im Grunde dasselbe war. Außerdem hatte ich „Global Strategic Management“ (bei einem britischen Gastprofessor) und „Dirección de Empresas“, das dieses Semester ausnahmsweise auf Englisch war. Da es für die Chilenen allerdings ein Pflichtkurs ist, waren wir in diesem Kurs nur drei Austauschstudenten und etwa 15 Chilenen. Für diesen Kurs musste man auch bedeutend mehr tun als für die anderen englisch-sprachigen Kurse. 
Die Studienbedingungen an der FEN sind hervorragend, in der Bibliothek gibt es jede Menge Arbeitsplätze und auch PC-Plätze gibt es reichlich. Allerdings sind diese häufig belegt und man muss hin und wieder etwas warten bis ein PC frei wird. Miserabel an den meisten Orten der FEN ist das Wi-fi. Tipp: wenn ihr eine stabile Verbindung wollte, geht am besten in den 3. Stock der Bibliothek, dort ist die Verbindung meiner Meinung nach am besten. 
Was vielleicht viele nicht wissen: die U de Chile ist eine der besten Unis Lateinamerikas und taucht auch entsprechend weit vorne in den Vergleichs-Rankings auf. Die FEN ist sogar die beste lateinamerikanische Fakultät für Wirtschaft.
An der FEN gibt es Mid-Term Exams, wenn man seine Kurse geschickt legt oder sich mit den Professoren abspricht, kann man aus dieser etwa zehntägigen Phase einen Urlaub machen. In der Regel sind die Professoren sehr entgegenkommend und bieten an die Klausuren vorzuziehen oder auf einen späteren Termin zu verschieben. In dieser Woche sind viele von uns beispielsweise nach Buenos Aires oder nach Bolivien/Peru gereist.


Leben an der FEN

Neben dem Studieren gibt es an der FEN auch jede Menge andere Aktivitäten. In jedem Semester findet organisiert vom CDA FEN (Centro Deportivo de Alumnos) ein Fußball-Turnier statt, bei dem die Mannschaften über zwei Monate gegeneinander spielen. Die Spiele finden dabei direkt auf dem Campus-eigenen Fußball-Feld statt. Generell ist es auch für Austauschstudenten möglich einer der Fakultätsauswahlen beizutreten und an Spielen gegen andere Fakultäten oder Unis teilzunehmen – von Tennis über Rugby bis Futsal oder Fußball ist dabei alles möglich. 
Auch Sportkurse kann man wählen, muss diese dann aber bezahlen. Die Chilenen müssen Sportkurse wählen, als Austauschstudent reicht es mit dem jeweiligen Trainer abzusprechen ob es in Ordnung ist an dem Kurs teilzunehmen. Zudem gibt es das Fitnessstudio der FEN, das wenn es frei ist, nutzbar ist und man kann an Tanzkursen teilnehmen (Merengue, Bachata, Salsa)
Jeden Freitag oder zumindest an vielen Freitagen finden auf dem Campus der FEN ab 18:00 die sogenannten Jaranazos statt. Das sind Partys, begleitet von Reggaeton und Electro, auf denen man tanzt und zusammen die Zeit verbringt. Beendet werden diese Partys meist zwischen 22:00 und 23:00, danach kann man das weiterziehen – sofern man kein Chilene ist, denn die haben teilweise auch samstags Vorlesungen.  


Leben in Santiago

Santiago, zumindest das Zentrum, ist mit Europa sehr ähnlich, eigentlich bekommt man alle Produkte relativ problemfrei, muss sich aber darauf einstellen unter Umständen mehr zu bezahlen als in Deutschland. Generell ist das Einkaufen relativ erlebnisreich; wenn man zur falschen Uhrzeit in den Supermarkt geht, kann es schon mal passieren, dass man 20 Minuten an der Kasse wartet, dennoch gewöhnt man sich daran und vermeidet diese Zeiten beim nächsten Mal. Was man ebenfalls nicht aus Deutschland kennt, sind die Tüteneinpacker an den Kassen; das sind meistens Studenten oder Schüler, die sich etwas dazuverdienen aber schlecht bezahlt werden. Üblicherweise gibt man ihnen ein kleines Trinkgeld (100-200 Pesos).  
Ein anderes Erlebnis ist die Metro: die ist zur hora punta (von 7:00 – 9:00 bzw. 18:00 – 20:00) und auch teilweise danach hoffnungslos überfüllt; so kommt es vor, dass man einige Züge abwarten muss, ehe man einsteigen kann. Daher empfiehlt es sich in Uni-Nähe zu wohnen um die Metro vermeiden zu können – man zahlt je nach Uhrzeit zwischen 570 und 680 CLP pro Fahrt, Studenten zahlen 200 CLP, aber unter die fallen Austauschstudenten nicht, es sei denn sie haben ein Studentenvisum und selbst dann ist die ganze Prozedur etwas kompliziert. Das Studentenvisum ist optional, man kann auch mit dem Touristenvisum für 90 Tage nach Chile einreisen und danach einfach wieder ein- und ausreisen. Beides hat seine Vorteile: die Uni selber empfiehlt das Touristenvisum, aber mit dem Studentenvisum sind einige Dinge einfacher.
Eine Wohnung oder ein Zimmer zu finden, ist grundsätzlich nicht schwierig, auf compartodepto.cl (in etwa ein chilenisches WG gesucht) gibt es eine große Auswahl. Empfehlenswert ist es auch mit der Wohnungssuche zu warten bis man in Santiago ist, eine Wohnung findet man schnell und die Zeit kann man im Hostel gut überbrücken. Ich hatte meine Wohnung schon vorher gefunden und hätte es im Nachhinein anders gemacht. 
Feiern gehen kann man gut in Bellavista sowie in den Discos in Las Condes, doch das findet man alles mit der Zeit selber heraus. Aufpassen sollte man auf sein Handy und Portemonnaie, denn die werden in Santiago vielfach auf der Straße gestohlen. Ansonsten wird es hin und wieder vorkommen, dass man leichte Erdbeben spürt (temblores) – die Häuser sind allerdings erdbebensicher gebaut, weshalb auch solche Stärken, die in Deutschland zu einer Panik führen würden, relativ nüchtern wahrgenommen werden. 
Auch sollte man sich im Klaren darüber sein, dass Santiago bzw. Chile im Allgemeinen recht teuer ist; wer erwartet, dass er allein durch den Aufenthalt in Santiago Geld gegenüber Deutschland spart, liegt falsch. Lebensmittel aus dem Supermarkt sind vermutlich teurer als in Deutschland, dafür kann man günstiger auf dem Markt (La Vega) einkaufen gehen. Auch bietet es sich teilweise an, auf der Straße (Alameda, Hauptstraße Santiagos) zum Beispiel Schokolade zu kaufen.
Von der Uni wird zwar davon abgeraten auf der Straße Essen zu kaufen, ich fand das allerdings recht unbedenklich. Vor dem Eingang der FEN stehen jeden Tag dieselben Verkäufer, die dort z.B. Sopaipillas (eine fritierte chilenische Spezialität) verkaufen. 
Billiger als in Deutschland ist zum Beispiel Kleidung, besonders Fußball-Trikots sind bedeutend günstiger (max. 35.000 Pesos) und wenn ihr ein Chile-Trikot habt, werden euch die Chilenen lieben. 


Aktivitäten in Santiago bzw. in Chile

Santiago ist mit dem Bus etwa 90 Minuten von Viña del Mar und Valparaíso entfernt, hin und zurück zahlt man etwa 10.000 Pesos und hat dort den Strand. Näher an Santiago sind die Anden, wo man im Winter Skifahren kann –Chile po‘ oder Santiago Exchange Network haben da einige Angebote. Etwas schöner aber schwieriger (nur mit dem Auto) erreichbar ist Nevados de Chillán, hier befindet sich die längste Skipiste Lateinamerikas und auch wenn es teuer ist, lohnt es sich. 
Aus Santiago spielen 7 Mannschaften in der ersten Liga und man kann beispielsweise jede Menge Fußballspiele besuchen (Universidad de Chile, Universidad Católica, Colo Colo etc.) und wenn ihr nächstes Jahr (2015) die Möglichkeit habt, im Herbstsemester (deutsches Sommersemester) nach Santiago zu gehen, solltet ihr das auf jeden Fall machen. Dann findet von Juni bis Juli in Chile die Copa América statt und die Stimmung in Chile ist dann wirklich fantastisch (mit Deutschland nicht vergleichbar). Der Vorteil des Frühlingssemesters hingegen ist, dass man sich am 18. September in Chile befindet, dem Nationalfeiertag; das ist nicht wie der 3. Oktober in Deutschland sondern wie eine riesige mehrtätige Party. 


Spanisch in Chile

Häufig wird gesagt, die Chilenen sprächen das schlechteste Spanisch und in der Tat kann einen anfangs vor Probleme stellen. Da ich schon mit guten Spanisch-Kenntnissen nach Chile kam, hatte ich nur Eingewöhnungsschwierigkeiten. Spanisch zu lernen halte ich in Chile allerdings für nahezu unmöglich; viele Buchstaben werden verschluckt (zum Beispiel pesao statt pesado, das S wird selten ausgesprochen), die tú-Form ist auch anders (z.B. hablái statt hablas, estái statt estás oder querís statt quieres, tenís statt tienes, podís statt puedes …) und es gibt jede Menge „Chilenismos“, die auch zur Verwirrung beitragen können. Gefühlt kommt in jedem Satz entweder cachái (verstanden?), weon oder po‘ vor. Weon kann sowohl Idiot als auch Kumpel heißen (eine bessere Übersetzung fällt mir nicht ein) und po‘ steht eigentlich für pués wird aber häufig am Satzende verwendet oder um ein Wort zu betonen, si po‘, no po‘, ya po‘ …
Das klingt alles kompliziert, man gewöhnt sich aber dran und fängt nach einer gewissen Zeit an selber so zu sprechen und man fängt an die Chilenismos zu verwenden. Tipp: Sprecht möglichst viel mit den Chilenen, mit den anderen Austauschstudenten werdet ihr nur Englisch sprechen und daher kaum Spanisch lernen. Der Vorteil: wenn ihr „Chilenisch“ beherrscht, werdet ihr in anderen spanisch-sprachigen Ländern kaum Probleme haben, die Menschen zu verstehen, außer wenn ihr chilenisch sprecht, dann verstehen die euch nicht.


Fazit

Ich bin froh, mich für Chile entschieden zu haben und würde es immer wieder so machen. Das Land hat von den lateinamerikanischen Staaten die größte Ähnlichkeit mit Europa und ich denke, es ist am leichtesten sich einzuleben. Es gibt wahrscheinlich kaum ein Land, das von der Natur und von den Landschaften mehr Vielfalt zu bieten hat und es gibt jede Menge zu entdecken. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und habe vor nach dem Beendigung meines Studiums vor, zurück nach Chile zu gehen.